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Knackfuß, Hermann
Dürer — Künstler-Monographien, Band 5: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.61322#0066
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Die „Große Passion'

bewundern. Wer deutsch emp-
findet, den wird es von all den
herrlichen Schöpfungen der An-
tike und der italienischen Renais-
sance, die hier in einem Raume
vereinigt sind, immer wieder
hinziehen zu dem wunderlieb-
lichen Bilde dieser deutschen
Madonna, die in unbefangener
Würde und voll stillen Mutter-
glückes zusieht, wie dem nackten
Knüblein auf ihrem Schoß von
fremden Fürsten ehrerbietige
Huldigungen dargebracht wer-
den (Abb. 39).
Aus dem nämlichen Jahre
1504 stammen zwei nicht ganz
fertig gewordene Altarflügel in
der Kunsthalle zu Bremen, die
den Einsiedler Onuphrius und
Johannes den Täufer (Abb. 42)
in prächtig mit den Figuren
zusammenkomponierten Land-
schaften zeigen.
Zugleich arbeitete Dürer in
dieser Zeit wieder an zwei
großen Holzschnittwerken. Das
eine behandelte die Leidensge-


Abb. SS. Studienkopf zu dem Gemälde:
Der zwölfjährige Jesus unter den Schristgelehrten
Tuschpinselzeichnnng. In der Albertina zu Wien. (Zu Seite S7)

schichte Christi, das andere das
Leben der Jungfrau Maria. Mit gleich hoher Meisterschaft schilderte Dürer in
diesen Werken, die unter dem Namen „Große Passion" und „Marienleben" bekannt
sind, die ergreifendsten tragischen Vorgänge und die reizvoll behaglichsten Familien-
bilder. Beide Werke kamen indessen erst später zum Abschluß und zur Veröffent-
lichung. Das Bilderwerk über die Leidensgeschichte, dem er ein ähnlich großes
Format gab wie der Apokalypse, hat er wahrscheinlich schon bald nach der Voll-
endung jenes ersten Holzschnittwerkes in Angriff genommen. Sieben von den
Blättern stimmen in der Art und Weise der Zeichnung ganz mit den Bildern der

Apokalypse überein. In tief ergreifender Auffassung ist da geschildert, wie der

Heiland im Gebet am Ölberg kniet und die Hände wie in einer unwillkürlichen
Bewegung der Abwehr gegen den Leidenskelch vorstreckt, während im Vorder-
gründe die Jünger schlafen und in der Ferne schon der Verräter die Gartenpforte
durchschreitet (Abb. 29); wie er, zur Geißelung an eine Säule gebunden, der
Grausamkeit der wilden Peiniger und dem Hohn der nicht minder rohen Zu-
schauer preisgegeben ist; dann wie er, eine bejammernswerte, gebeugte Gestalt, in
Mantel und Dornenkrone von Pilatus dem erbarmungslosen Volke gezeigt wird.

Das großartig erdachte nächste Blatt zeigt den Erlöser unter der Last des Kreuzes
auf die Knie niedergesunken, den Kopf der Veronika zugewendet, die sich anschickt,
das blutüberströmte, schmerzdurchzuckte Antlitz abzutrocknen; der rauhe Kriegs-
knecht, der den Dulder an einem um den Gürtel gebundenen Strick führt, hält in
diesem Augenblick mit Zerren inne, aber einer der den Zug begleitenden Beamten
stößt den Zusammengebrochenen unbarmherzig mit seinem Stab in den Nacken.
Dann folgt die Kreuzigung in gedrängter Komposition: auf der einen Seite des
Kreuzes die Mutter Maria ohnmächtig in den Armen einer der anderen Marien
und des Johannes, auf der anderen Seite der Hauptmann mit einem Begleiter

Knackfutz, Albrecht Dürer

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