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Knackfuß, Hermann
Dürer — Künstler-Monographien, Band 5: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.61322#0133
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Radierungen

Gott, dem der Kirchenvater sich hingibt in diesem verborgenen Winkel öden
Gesteins, wo nur spärliches Gras und ein verkrüppelter Weidenbaum dürftige
Nahrung finden (Abb. 87). Die späteren Abdrücke wurden so matt, daß sie von
dieser Stimmung und von der Lebendigkeit der Zeichnung gar keine Vorstellung
mehr gewähren. Nach den ungenügenden Erfolgen mit der kalten Nadel kam
Dürer auf die Radierung, als deren Erfinder — wenigstens im Sinne künstle-
rischer Anwendung des Verfahrens — er wohl angesehen werden muß. Statt die
Zeichnung mit dem Stichel in die polierte Metallplatte einzugraben, ritzte er sie
mit der Nadel in eine auf die Platte aufgetragene Grundierung und ätzte sie
dann mit Säuren, welche von dem Stoff der Grundierung nicht durchgelassen
wurden und daher das Metall nur da angriffen, wo es durch die Striche und
Punkte der Zeichnung bloßgelegt war, in die Platte hinein. Da das Kupfer dem


Abb. 118. St. Antonius. Kupferstich aus dem Jahre ISIS (Zu Seite 117)

Ätzverfahren Dürers Schwierigkeiten entgegenstellte, bediente er sich dazu eiserner
Platten. Dürers Radierungen fallen, wie es scheint, sämtlich in die Jahre 1514
bis 1518. Später kehrte er zum Grabstichel, der ihm doch eine vollkommenere
Befriedigung gewährte, zurück. Das berühmteste Blatt unter Dürers Radierungen
ist „Die große Kanone", die Darstellung eines Nürnberger Geschützes, das unter
der Aufsicht eines Stückmeisters und unter der Wache strammer Landsknechte auf
einem die weite Landschaft beherrschenden Hügel aufgefahren steht und von einer
Gruppe Türken mit sehr bedenklichen Mienen betrachtet wird. Das Blatt war
gegen die herrschende Türkenfurcht gerichtet (Abb. 111).
Eine reizvolle Erabstichelarbeit aus dem nämlichen Jahre 1518, dem die
Radierung der großen Kanone angehört, ist das liebenswürdige Marienbild, in
welchem zwei schwebende Engel eine reiche Krone über dem Haupte der Jungfrau
halten, die in stillem mütterlichen Behagen dasitzt und den Blick von dem Kinde
hinweg mit ernstem Ausdruck dem Beschauer zuwendet. In dem landschaftlichen
Hintergrund ist hier ein überaus anspruchsloses Motiv verwertet, ein einfacher
Zaun; aber mit welcher feinen Schönheit klingen die Linien dieser Landschaft,

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