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Knackfuß, Hermann
Dürer — Künstler-Monographien, Band 5: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.61322#0148
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Ertrag der niederländischen Reise

gebrachten stattlichen Hengste der Erinnerung für wert. Als echter Renaissance-
künstler bemerkt er im Aachener Münster sogleich, daß die dort „eingeflickten"
antiken Säulen kunstgerecht nach des Vitruvius Vorschrift gemacht seien.
Auch die weltgeschichtlichen Ereignisse, die damals Deutschland bewegten,
nehmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Durch die Nachricht von Luthers Ge-
fangennahme wird er tief erschüttert. An dem Tage, wo er hiervon gehört hat,
flicht er ein langes, inbrünstiges Gebet in seine Aufzeichnungen ein. Er läßt er-
kennen, daß er mit der ganzen Aufrichtigkeit und tiefen Frömmigkeit seines Herzens
dem Unternehmen der Reformation zugetan ist, doch ohne zu ahnen, daß eine

Kirchentrennung daraus hervorgehen würde.
Wenn wir lesen, wie unglaublich viel Albrecht Dürer während seines Auf-
enthaltes in den Niederlanden, zwischen all den Festlichkeiten, den Besuchen bei
hoch und niedrig, dem Betrachten der Sehenswürdigkeiten, dem Hin- und Herreisen
zu Wagen, zu Roß und zu Schiff, immer und überall für andere zeichnete und
malte, so erscheint es uns kaum begreiflich, daß er immer noch Zeit fand, an sein
eigenes Studium zu denken. Und doch hat er außer dem mit zum Teil höchst
sorgfältigen Zeichnungen wohlgefüllten Skizzenbuch auch mehrere mit allem Fleiße
ausgeführte größere Studienblätter mit heimgebracht. Treffliche Proben von
Dürers Tätigkeit auf der Reise gebe» die in den Abbildungen 119 bis 121 und 127
vorgeführten Blätter: die schnelle und scharfe Federzeichnung, durch die Dürer sich
die Züge eines Mannes aufbewahrte, dessen Lautenspiel er bewundert hatte und
mit dem er, wie eine spätere nochmalige Ausführung von dessen Bildnis beweist,
näher bekannt wurde; die mit breitem Metallstift in großem Maßstabe kräftig
ausgeführten Köpfe einer alten und einer jungen Seeländerin; die feine Stift-
zeichnung, in der er die seltene Gelegenheit, eine Negerin zu zeichnen, mit ein-
gehender Beobachtung ausgenutzt hat. Die Krone von Dürers auf der Reise ge-
sammelten Studien ist der in schwarz und weiß, mit dem Tuschpinsel und der
Schnepfenfeder aus grau getöntes Papier gezeichnete lebensgroße Kopf eines drei-
undneunzigjährigen Alten (Abb. 125),
der ihm zu Antwerpen mehrmals
Modell gesessen hat. Es ist bezeichnend
für des Meisters unermüdlichen Ar-
beitstrieb, daß er, wenn sich ihm ge-
rade nichts anderes darbot, zu dem
Nächstliegenden gegriffen und seine
Frau porträtiert hat: eine große, mit
dem Metallstift auf dunkel grundier-
tem Papier ausgeführte Zeichnung
im Kupferstichkabinett zu Berlin zeigt
uns Frau Agnes in dem niederländi-
schen Kopftuch, das der Gatte ihr von
der Reise nach Seeland mitgebracht
hatte (Abb. 126). Aber nicht bloß
Köpfe waren es, die er seinen Stu-
dienmappen einverleibte, sondern auch
mancherlei andere Dinge zeichnete er
auf, wie Ansichten des Hafens und
der Kathedrale von Antwerpen oder
auffallende Landestrachten (Abb. 120)
oder einen Löwen, den er im Zwinger


zu Gent beobachtete. Selbst auf der
Fahrt blieb er nicht müßig. Ein
Skizzenbuchblatt (im Berliner Kupfer-
stichkabinett) zeigt eine vom Rhein-

Abb. 130. Bildnis, mutmaßlich des Damian Le Goes
Kreidezeichnung. In der Albertina zu Wien
Aufnahme Braun L Gie., Dörnach i. E.
(Zu Seite 138)

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