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XXV. Kapitel.
Deutsche Kunst in Büchern des 15. Jahrhunderts.
rei deutsche Männer, der Patrizier Johannes Gutenberg, der Goldschmied Johann Pust oder Faust und der Schreiber
Peter Schöffer verbreiteten die Kultur, wie ein Sturmwind den Pflanzensaamen, durch ihre Erfindung der Buch-
druckerkunst gegen 1450. Das Privilegium der Reichen, Bücher zu besitzen, verwandelte sich in ein Gemeingut, Jedem
war nun die Möglichkeit gegeben, eigene Ideen fruchtbringend für Andere auszustreuen, oder den Gedankenschatz eines
Anderen für sich zu verwerthen.
Die Druckerpresse wurde das Wahrzeichen eines civilisirten Volkes. Die alte Gilde der Scriptores sah mit scheelen
Blicken auf die neue Kunst. Wo blieb ihr Brod, wenn die Setzer die Schreiber verdrängten? Sollte sich „der weisse und
der gelbe Heilige“ (Silber und Gold) von ihnen abwenden?
Sie wehrten sich und mögen ihre Sache weise vertheidigt haben, denn viele, viele Jahre hindurch behaupteten sich
die Handschriften den Druckwerken zum Trotz, wie allerwärts die Bibliotheken beweisen.
Vornehme und Reiche liessen jetzt sowohl Bücher drucken wie Handschriften in hergebrachter Weise fertigen.1) Der
Wetteifer der Arbeitenden ergab die Redensart „er schreibt wie gedruckt.“ Die Illuminirer malten auf Pergament und auf
Papier, und überlieferten der Nachwelt die Ereignisse der Gegenwart. Sie begleiteten anno 1452 Kaiser Friedrich III. zum
Römerzug; es war das letzte Mal, dass einem deutschen Kaiser die Krone nach altem Brauch und herkömmlichem Prunke
aufs Haupt gesetzt wurde.
Sie sahen den Imperator im Festornate auf der Engelsbrücke 300 Männer zu Rittern schlagen, aber mit dem Ver-
schwinden des Mittelalters war die Bedeutung des Ritterschlages zur blossen Ceremonie geworden.
Sie sahen die bezaubernde Gemahlin Friedrichs III., Eleonore von Portugal „bella quanto un fiore“2), welche Maxi-
milian zum Sohne, Karl V. zum Enkel und eine lange Reihe von Kaisern und Fürsten zu Nachkommen hatte.
Sie verzierten mit buntfarbigen Initialen die Diplome, die der Kaiser so freigebig vertheilte. In dem Dedications-
bilde seines Missale ist Friedrich III. nebst Familienangehörigen abgebildet (1447—1448). Die Miniatoren dieser Handschrift
legten den Schwerpunkt weder in Zeichnung noch in Composition, sondern in die mit Gold erhöhte Farbenpracht (K. Hof-
bibl. Wien 1767).
Kunstvoller ist das im Auftrage Adolphs II. von Nassau (des 50. Erzbischofes und 34. Kurfürsten zu Mainz) ver-
fasste Missale. Die Ornamentik ist in ächt deutscher Gothik gehalten, das streng gezeichnete Laubwerk verbindet sich
natürlich und anmuthig zu Ranken; hier hat sich eine blaugekleidete Jungfrau auf einer Dolde niedergelassen, ihr gegen-
über ein Jüngling im rothen Rock, der die Laute schlägt. Auf einem anderen Blatte hält ein rosa Engel einen goldenen
Löwen im blauen Feld, das Wappenschild von Nassau; mit der Linken fasst er einen rothen Schrägbalken im goldenen
Felde, das Wappen von Baden. Und in jenem Laubgewinde schimmert das Allianzwappen von Kurmainz und Nassau3)
(Schlossbibl. Aschaffenburg),
*) Wie hoch von Einzelnen das Abschreiben gehalten wurde, geht aus der 1423 von Johannes Gerson verfassten Abhandlung „de laude
scriptorum“ hervor, worin er den Coelestinern und Karthäusern auf ihre Anfragen nach wies, dass sie auch ohne Sünde erbauliche Werke abschreiben
könnten.“
Wattenbach, Schriftwesen. S. 257.
2) Gregorovius: Geschichte der Stadt Rom. VII. S. 119.
3) Abbildungen bei Hefner von Alteneck.
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XXV. Kapitel.
Deutsche Kunst in Büchern des 15. Jahrhunderts.
rei deutsche Männer, der Patrizier Johannes Gutenberg, der Goldschmied Johann Pust oder Faust und der Schreiber
Peter Schöffer verbreiteten die Kultur, wie ein Sturmwind den Pflanzensaamen, durch ihre Erfindung der Buch-
druckerkunst gegen 1450. Das Privilegium der Reichen, Bücher zu besitzen, verwandelte sich in ein Gemeingut, Jedem
war nun die Möglichkeit gegeben, eigene Ideen fruchtbringend für Andere auszustreuen, oder den Gedankenschatz eines
Anderen für sich zu verwerthen.
Die Druckerpresse wurde das Wahrzeichen eines civilisirten Volkes. Die alte Gilde der Scriptores sah mit scheelen
Blicken auf die neue Kunst. Wo blieb ihr Brod, wenn die Setzer die Schreiber verdrängten? Sollte sich „der weisse und
der gelbe Heilige“ (Silber und Gold) von ihnen abwenden?
Sie wehrten sich und mögen ihre Sache weise vertheidigt haben, denn viele, viele Jahre hindurch behaupteten sich
die Handschriften den Druckwerken zum Trotz, wie allerwärts die Bibliotheken beweisen.
Vornehme und Reiche liessen jetzt sowohl Bücher drucken wie Handschriften in hergebrachter Weise fertigen.1) Der
Wetteifer der Arbeitenden ergab die Redensart „er schreibt wie gedruckt.“ Die Illuminirer malten auf Pergament und auf
Papier, und überlieferten der Nachwelt die Ereignisse der Gegenwart. Sie begleiteten anno 1452 Kaiser Friedrich III. zum
Römerzug; es war das letzte Mal, dass einem deutschen Kaiser die Krone nach altem Brauch und herkömmlichem Prunke
aufs Haupt gesetzt wurde.
Sie sahen den Imperator im Festornate auf der Engelsbrücke 300 Männer zu Rittern schlagen, aber mit dem Ver-
schwinden des Mittelalters war die Bedeutung des Ritterschlages zur blossen Ceremonie geworden.
Sie sahen die bezaubernde Gemahlin Friedrichs III., Eleonore von Portugal „bella quanto un fiore“2), welche Maxi-
milian zum Sohne, Karl V. zum Enkel und eine lange Reihe von Kaisern und Fürsten zu Nachkommen hatte.
Sie verzierten mit buntfarbigen Initialen die Diplome, die der Kaiser so freigebig vertheilte. In dem Dedications-
bilde seines Missale ist Friedrich III. nebst Familienangehörigen abgebildet (1447—1448). Die Miniatoren dieser Handschrift
legten den Schwerpunkt weder in Zeichnung noch in Composition, sondern in die mit Gold erhöhte Farbenpracht (K. Hof-
bibl. Wien 1767).
Kunstvoller ist das im Auftrage Adolphs II. von Nassau (des 50. Erzbischofes und 34. Kurfürsten zu Mainz) ver-
fasste Missale. Die Ornamentik ist in ächt deutscher Gothik gehalten, das streng gezeichnete Laubwerk verbindet sich
natürlich und anmuthig zu Ranken; hier hat sich eine blaugekleidete Jungfrau auf einer Dolde niedergelassen, ihr gegen-
über ein Jüngling im rothen Rock, der die Laute schlägt. Auf einem anderen Blatte hält ein rosa Engel einen goldenen
Löwen im blauen Feld, das Wappenschild von Nassau; mit der Linken fasst er einen rothen Schrägbalken im goldenen
Felde, das Wappen von Baden. Und in jenem Laubgewinde schimmert das Allianzwappen von Kurmainz und Nassau3)
(Schlossbibl. Aschaffenburg),
*) Wie hoch von Einzelnen das Abschreiben gehalten wurde, geht aus der 1423 von Johannes Gerson verfassten Abhandlung „de laude
scriptorum“ hervor, worin er den Coelestinern und Karthäusern auf ihre Anfragen nach wies, dass sie auch ohne Sünde erbauliche Werke abschreiben
könnten.“
Wattenbach, Schriftwesen. S. 257.
2) Gregorovius: Geschichte der Stadt Rom. VII. S. 119.
3) Abbildungen bei Hefner von Alteneck.
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