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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1844 (Nr. 81-132)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1491#0095
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lurm bemerklich, welche de» Haupt<r»ga«g verzieren und wohk riukS
näheren Studiums würdig wären.

Den Schluß der in Rede stehenden Lieferungen bilden endllch d!e
Kirch« zu Oberndorf und di« Klosterkirche zu Göllingen
bei Sondershausen, von denen die erstere ursprünglich in Bafllikenform
errichlet und mit einec flachen Holzdecke versehen war. Der Chor ist
noch in seiner ursprnnglichen G-stalt vorhanden und eigenkhümlicher
Weise an der Ostseite geradlinig geschlossen, ohne die abgerundete Vor-
lage oder Nifche, welche dem 11. und 12. Jahrhundert eigen ist. —
Von den göllinger Klostergebäuden flnd nur noch der westlichr Thurm,
die, jetzt zum Kornboden umgeschaffene, Kirche und die unter derselben
brfindliche Krypta in ziemlich unveränderter Gestalt vorhanden. Di«
letztere erinnert durch ihr« hufeisenförmigen Kreuzgewölbe, welche auf
vier frei stehenden und zwölf Wandsäulen ruhen, an den maurischen
Baustyl und ist alS eine besondere Seltenheik zu betrachten.

Jndem wir nunmehr zur ziveiten Abtheilung des ersten Vanbes
übergehen, begegnen wir in den beiden ersten Liefecungen den Baudenk-
mälern Mcrseburgs, welchc durch neun wshlgelungene Nbbildungen
vrranschaulicht werden. Jn einer allgemeinen Cinleitung spricht H-cr
P. manches lehrreiche und beachtenSwerthe Wsrt, besonders in Bezug
auf die Feststellung der Entstehungszeit der älterrn Kirchen. Auszugs-
weise mögen folqcnde Bemcrkungen hier Platz findens: 1) Dir unterir-
dischen Kirchen (Krypten) deuten stäts auf ein hoh-S Alier dec betr.-f-
fenden Construcrionen; nach dem 13. Jahrhundirt werden fle immer
seltener. 2) Man sing d-n Bau der Kirchrn fast immer mit dem, g<-
gen Osten gelegenen, Chore an, schritt dann zum Baue deS Mittel-
schiffes und der Abseiten und schloß mit der Westseite, an welchec ge-
^vöhnlich die Thürme stehen. 3) Die untersten und überhaupt die feste-
sten Theile flnd vorzugsweise inS Auge zu fassen; wie dec ursprüng-
liche Bau, so begann auch der Umbau und die spätere Restauralion
fast immer mit dem Chore. 4) Da, wo flch neben Kirchen ehemals
Klöster befandrn, muß man die Kreuzgange, die daran stoßendcn Raume
und Nebengedäulichkei'ten sorgfälti'g untersuchen, indem hier oft die
altesten Bauanlagen oder doch Andeutungen derfilben versteckt liegen.
S) Jn Bezug auf plastische Kunstwerke flnd die Nebencapellen, die
Sacristeien, die Räume in d-n Thürmen und die sonstigrn Äehältnisse,
wohin man nach Einführung des protestantischrn Cultus (beziehungS-
weise in katholisch aebliebenen Kirchen nach Einführung des Aopfstyles)
die Altäre, Hnligenbildrr u. s. w. zu bringen pflegte, §u durchforschen.
— Solche praktische Fingerzeige werden dem Alt-.rthumslceunde nicht
unwillkommrn sein und könnm leicht zu den wichtigsten Eatdcckungen
führen.

Der Dom zu Merseburg grhört den vrrschiedcnen Kunstperioden
an, welche zwischen den Beginn deS 11. und di- Mitte des 15 Jahr-
hunderts fallen. Die Schönheit des Jnnern ist durch spätere Einbau-
ten sehr gestört. Am Eingange in den Chsr bifindet sich das Grab-
denkmal des Gegenkönlgs Rudo'ph von Schwaben, welcher in d«r
Schlacht an dec Elster (im I. 1080) von Heinri'ch IV. geschlagen
wurde. Zn dieser Schlacht wurde ihm bekanntlich die rechte Hand ab-
gehauen (es wird dieselbe noch j-tzt in der Sacristei der Domkicche
aufdewahrt), und er starb bald darauf an seiner Wunde zu Merseburg
1n dem Schlossr seines Anhängers, des Bischofs Werncr. DieseS Mo-
nument, welcheS auS einer Platte von Bconze besteht, worauf in wenig
rrhadenem Relief dcr Gegenkönig in ganzer Figur und in vollem Or-
nate dargestellt erscheint, ist eines d-r ältesten und in jeder Hinflcht
merkwücdigstm plastischen Kunstwerke Sachsens, ja, vielleicht Ä.-Ulsch-
lands. Das achte Blatt gibt eine genaue, in Kvpfer gestochene Adbil-
Lung dieses Denkmals. — S-Hr beachlenswerth ist noch ein in der
Worballe aufgestelltcr, ursprünglich der NeumarktSkirche angehöriqer
Taufstein, vvn welchem unser Werk rine genaue und ausführliche Be-
schreibung und mehre Abbildungen gibt. Wir wollrn hi-r nur einer
höchst eigenthümlichen Darstellung erwähnen, welche um den Taufstein
fich herumzieht. Auf dem untern Simse ruht eine Galerie von byzan-
tinischen Säulchen, die Rundbogen tragcn, üder welchen rin zweiter ver-
zierter SimS sich befindet, der stch an die odere Fläche des Taufsteincs
anschließt. Zwischen den Säulchen stehen in Hschrelief zwölf Figuren
mit Spruchdändern in den Händen, aus welchen zu erjehen ist, daß
sie die zwölf Prvpheken, als die Repräsentanten des alten Testamentes,
vorstellm. Auf der Schulter eines jeden derselben sitzt ein
Apostcl, dessen Füße n-ben einander üder die Brust des Propheten
herabhangen. Die Namen der Apostel, welche hier offenbar den neuen
Bund repräsevtiren sollen, stehen auf den Rundbogen einqegraben, die
fich übcr ihrcn Köpfen wölben. DaS Ganze ist eine eben so sinn- und
beziehungsceichc, als naive und origlnelle Darstellung rein dyzanlin -
sch«n Styls, wahrscheinlich aus dem 11. oder doch spätestenS aus dem
Brginne des 12- Zahrhunderts.

Di« Neumarktskirche zeigt in ihrer ursprünglichen, jetzt sehr
vsränderten Gestalt in sehr charakteristifchec Weis« den Bauilyl Ves
12. Jahrhunderts: eine runde Chornische mit drer oben i'n Rundboqi»
geschlossmen schmalen und niedrigen Fenstern, zwei nischenförmigen
Worlagen an den beiden Flügeln des KreuzbaueS, eben so wie die
Chornische erhellt, alle Fenster rundbogig gestalket, im Jnnern starke,
niedrige Säulen, welche mit viercckigen Pfeilein aöwechselnd das Schiff
von den Abseiten trennen, die Pfeiler endlich, mil einfachen Würfel-
knäufen versehen, welche halbrunde Bogen tragen, auf dmen dir flache

Balkendeck« ruhk. — Die Sixtkirche und die Peterskirch«bild«
d«n Schluß der Baudenkmale MerseburgS.

Die dritte und vierke Lieferung der zwriten Äbtheilung umfaffm die
Kirchen zu Kloster Memleben, Schraplau und Treben. I«
drr Einleitung hebt Herr P. die fci'ihere Bedeutung des Ortes Mem.
lebm (ursprünglich e!n Königshof) hervor, in welchem Heinrich I. und
ftin Sohn Otto i. ihrr großm Seelen ausgehaucht und wo zuerstOtto
bem Zwiiten gehuldigt worden ist, in deffen erste Regierungsjahre (wahr-
scheinlich 975) die Stiftung der Ablei Memlebcn fäüt. Die Titel-
vigrrette gibt eine Adbildung der im byzsntinisch-romam'schen Style
aufgeführt.n Klosterkirche, wie sie in ihrer ernsten Majestät da gestan-
den, devor die wilden Stürme der Reformation und der aufgeklärtere
Vandalismus des letztvergangenm Jahrhundcrts sie gebrochen und in
Lrümm« gelegt halten, letzterer, „um die Skeine;u anderweitigen Zweckeu
zu vermitz.'n." Der Grundciß hal die Gestalt eines lateinischen Kreuzes
und zeigt nirgendwo eine adgerundete Formation. Der Chor, welcher
mit dem Schiffe von gleicher Höhe ist, hat eine aus dem Achtecke con»
struirte Vorlage; auch die Vorlage an den Flügeln deS Kreuzbaues,
deffen Arme weit über die Abftilen hervortraten, auf jeder Seite des
Chores warm in gleicher Weift gestattct. AU« Fenster waren im Rund-
bogen geschloffen und durchauS unoerziert. Die Einschlußmauern ent°
behien gleichic Maßen jedes Ornamcntes, mit Ausnahme einer rundbo-
gigen Simsveczierung, welche an der Chorvorlage daS Eigenthümlicht
hacce, daß ein größerer Bogen allemal zwei kleiner« in sich faßte und
ber größer« in einen mit Blättern verzierten Knopf cndigte. Das
Schiff sowohl als der Kreuzbau hakte, allen Anzeigen nach zu urtheilen,
eine platte Holzdecke. AlS eine besondere Merkwürdigkeit der Kirche
sind noch die aufdie inneren Flächen der Pftiler des «rchiffeS gemalte»
ledengroßen Figuren, vier männliche und vier weibliche, zu «rwähnen,
die mit bunten Farben ohne alle Grundirung auf den bloßen Stei«
gemalt stnd und wahrscheinlich di« drei Ottonen, als die Gcünder und
Wohlthäter deS Klosters, und mit denftlbcn durch Verwandtschafc ver-
bundene Personen vorsteUen. Leider sind diese höchst merkwürdigen Bild-
niffe dermalm sast gänzlich erloschen. Wir haben hicr wi'eder einen iu-
tereffanten Beleg dafür, daß schon im frühesten Mittelalter di'eWände
im Jnnern der Kirche bemalt waren. Wie viele derartige Kunstwer^
mögen noch unter der Tünche begrabrn liegrn! Die Krypta zeigt man«
nigsache Aehnlichkeiten mit der darauf «rrichteten Kirche, woraus auf
eine Gleichzeitigkeit ihrer Erbauung geschloffm wird.

Lie in dec fünften und ftchsten Lieferung besprochene Kirche z«
Schulpforte (degonnen im Jahre 1251) erinnerl im Allgemeinea
auf eine frappante Weise an d.e gleichzeitig gegründete Kirch« zu Al-
tenberg unweit KLln, die nachgeborrnr Schwester unftres Domes,
während insbesondere die westliche Fayade, nammtlich in jhren oberen
Lheilen, manchis Aehnliche mit derftlben Fayade der trierec Lieb-
srauenkirche hat. Herr Puttrich irrt, indem er S. 2 Schulpforte
als ein ehemaliges Benediciiner-Mönchskloster bezeichnet; es war viel-
mehr, ebcn so wie Altmberg, ein Cistercienftr-Klvster, und zwar eine
Tochter von Walkrnried (in Thüringen am Harze) von der Linie vo»
Morimond, gegründet im Zahre 1132*). (Herr P. gibt die Jah-
reszahl 1137 an.) Allecdings gehört der Cistercienftr-Orden zur
Congregalion des h. BrnediciuS, deffen Regel auch stäls ftlne unterst«
Grundlage dlieb; allein ftit ftincr Errichtung in Citeau durch den h.
Roderl(1098) tcat derftlbe stäts nebendemeigentlichen Benedictiner-Orde»
als durchaus ftldstständig auf und führte einen bcsonderen Namen, so
wie «r auch in der so gmannken oart» odaritsti, stch ftine «igenen
«atzungen gegeben hatte (1119), deren Weishrit er die hohe Blüthr
und die großen Erfolge zu danken halte, zu wclcher er im Laufe dcr
Aeiten gelangte. Nach dem Gesagten wird dir Aehnlichkeil zwischen der
Kirche zir Schulpforce und der zu Alkenberg nicht einem bloßrn Zufalle
beigemeffen werdm könnke; am allerwenigstm aber ist solcheS mit dem
Umstande der Fall, daß beide K-rchen ohne Thürmr angelegt sind.
Es siadet dies nämlich bei allen Cistercienftr-KirchenSkatt **), und vs
ist der Urspcung dieftr Obftrvanz in dem Umstande zu suchen, daß
Cisterz (vii-.iux), die gemeinschaftliche Mutter aller Cistercienftr-Klöstei>
auf eiaim morastigen Boden angelegt war, welcher die schweren Mas-
ftn eines ThuimeS nichr tragen konnte. Die Glocken wurden daher in
einem Dachthurme üder der Vierung des Kreuzes aufgehängt. So be-
f.nden sich z. B. in d/m hölzernen Dachthurme zu Salmansweil, iu
der Nähe des Bodenftes, nicht weniger als fünfzehn zum Thell fthr
schwere Glocken, und auch die Uhr war an dsmftlden angedracht. —
Fast alle Körp.rschaften (besondecs die religiösen) hatten gewiffe Sigen-
ihümlichkeiten, welche sie in der DiSposttion ihrer Bauwerke befolgten
und Lie den Schlüffel zu manchen, auf den ersten Anblick oft fthr auf-
fallendcn Erscheinungen abgeben. Zn ähnlichcr Wei'ft, wie an der obe»
«rwähnikn Liebfcaaenkirche zu Trier, ist der obere Giebel der Westftite
uaftcec K.cche mit einem ia Stein ausgehauenen kolossalen ChristuS
am Kceuze geschmückt. Hier indeß finden flch neben dem Ccucifixe noch

*) Siehe Ionxolillus notitis adbatiarum oräinis Vistvroiensis, vol.
U. p. 25.

'*) Die einsige unS bekannte Ausna-me bi'ldet «» di'eser Beziehung d!e
Klofterkiriye za Lilienfelv in Aiedcrösterrcich, wrlche einen weftlichea
Thurm hat. Dieftr Tyurm «st indeß cine willkürlicheZuthat der neuc-
ren Zeit. (S. Da stelluag des Erzherzogthuins Oesterreich unter dek
Enü von Schweikart von Seck.ngea, Bv. IV. x. 210.
 
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