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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1845 (Nr. 1-12)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1496#0094
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boM d«r»othwtndig b«n B«fchamr z« R«fl«xk»-
«m und stSrt ihn also, «o r« fich In Andacht sammeln soll.

Wre toll auch die Tünchwuth im Dvme seit dem Tnde des 17. Jahr-
hundrrts gewirlhschasttt hat, so erhiklt unS doch ei» Iufall nvch lhnlweise
elNi Rrihr vvn WandgemZlden, mit welchm die tzinfassungsmauer des
Ehores hivter den Priestersthm vrrjiert ist. Daß man diese Gemälde schon
im 16. Zahrhundert nicht nnhr achtete, dteH bewiesen die hier auf bkidm
Seiten wider dmselbea angebracht gewe.smen Epitaphien ber Trzbischöfe
Adolph M. von Schauenburg (1547—1556) und Ankon von Schauenburg
(1557—1558), welche ihr Nachfvlger Jvhann Gebbard von Mansfeld
(1558—1562) den um die Airche hochvrrdienten Kurfürsten errichtm ließ.
Man hat dea Monummtm jrtzt in d«r Seikenhalle eine passende Stelle
gegebm und so die Wandbilder ganz freigesteüt, welche, wie viel sie auch
durch die Zeit und geringschätzende Nichtachtung gelilten haben, noch im-
mer zu dm meikwürdigsten Denkmalen der Malerkunst aus dem Anfange
des 14. JahrhundertS gebören, die von der größtm Wichtigkeit für die
Geschichte der deutschm Malerkunst im Allgemeinen und der kölnischen
Malerschule inSbesondere, indem uns auS dieser Periode kein so großarti-
geS W-rk der Malerei weder in Köln noch sonst in den Rheinlanden auf-
bewahrt ist. Diese Wandzemälde wurden vor dem Tüncherquaste geret-
trt, weil sir seit dem Jahre 1637 durch die Gobekin-Taprtm verdcckt wa-
rm, welche der Cardinal Karl von Fürstmberg dem Dome zum Schmucke
d«S ChoreS verehrte. Selbst dem ErneuerungSsturme deS Jahres 177Ü ent-
gingm sie unter dieser Hülle.

(Fortsehung folgt.)

Die portale der Kathedrale von Amiens.

Mitgetheilt vou A. ReichenSperger.

(Forts. Siehe Nr. 11 d. Bl.)

Das Portal deS Heilandes.

Der Mittelpfeiler. 1) Der Heiland. An den Portalen der hier in Red«
stehenden Epoche ist eS der Mittelpfeiler, welchkr vor AUcm ins Auge
zu faffen ist, als das eigentliche Wort deS Werkes, der Titel deS BucheS,
der kurze Jnbegriff und zugleich der Keim all s desjenigen, waS es in sich
schließt, und was sich demnächst auf allen seinen Flächen und in seinen
Gliederunqen weiter entwickelt findek. Jn der That konnte auch ein pas-
senderer Ort nicht gewählt werden, um den Jnhalt des Ganzen vorzuver-
kündigen und dem herantretenden Beschaucr gleichsam mit Einem Laute
alleS wei'ter Folgende an;udeuten. Der Mittelpfeiler scheidet die beiden
Eingangsthüren, deren Sturze sich auf ihn lehnen, und er hat nur eben
so viel Breite, um ein Standbild und höchstens noch «iniges kleine, unter-
geordnete Aierwerk aufnehmen zu können. DiescS Slandbild oder diese
Aufschrift stellt, wie wir eS auch an den beiden andern, der Mutter Gotles
und dem heiligm Firmian gewidmetm Portalm sehm werden, und wie es
fich überhaupt bei allen Kirchm diescr Periode zeigt, strts diejrnige Person
dar, deren Lebm und Geschicht« an den Seitenwänden und in der Ueber-
wölbung sich aufrollen. An unserem Portale kann dies absr Niemand
anders sein, als Jesus Christus. Seinr Geschichte, die erste und die
umfangreichste von allen, da sie die Zeit und die Ewigkeit umfaßt, hatte
«,'n Anrecht auf den auSgezeichnctsten Platz, und so wurde ihr denn auch
das große Porkal in seinem ganzen Umfange eingeräumt. Es bedurfte
aber auch eines solchen Raumrs, um, wie «s hier geschehen, seine zwei-
malige Hemiederkünft darzustellen, seine Herniederkunft in der Fülle der
Zeiten und seine Herniederkunft an drr Schwelle der Ewigkeit. Die zwei
Abtheilungm dieses kolossalen Gemäldes umfassen zusammen nicht weniger
als «inm Raum von 18 Meter (ungef. 54 Fuß) in der Höh« und 12
Meter (36 Fuß) in der Breite beim Eingang in die Thorhalle.

Die erste Herniedrrkunft findet sich in d-r untern Abth-ilung, in der
irdischen Region dieser großen Hemisphäre dargestellt; die zweite und letzte
nimmt die oberen Regioncn, gleichsam das Himmrlsgewölbe in unserce
Thorhalle ein.

Bevor wir ;u drn Dingen uns hinwenden, die im Himmel und in der
Ewigkeit sich begeben, wollen wir uns vorerst mit den Mysterien, welche
auf der Erde sich erfüllrn, brschäfligm und Grund wie Prrnclp dieser gött-
lichm Ordnung ins Auge fassen, ehe wir zu den letzten Folgen gelangen:
wir wrrden «rst den Heiland und dann den Richter betrachten.

Der Heiland ist jmes große und imposanke Bild, welches uns stets
an der Hauplpforte der mittelalterlichen Dome entgegen tritt. Jch weiß es
nicht, ist dieseS Bild da aufgestellt, um dem Pf-licr alS Zierde zu dienen,
welcher den Thürsturz zu tragen und das Thor in zwei HZiftm zu thcilen
bestimmt ist, oder ist dieser Mittelpseiler nur dazu da, um demjenigen als
Thron zu dienm, der lei'tek, lehrt und L-ben gibt? — Ein Gemälde auf
Holz aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, welches sich in dem
dischöslichm Palaste von Amiens besindet, zeigt.den Erlöser aufrecht und
fegnmd, mit einem Spruchbands in der Hand, worauf dle Wort« stehm:
„Zch bin der Weg, die Wahrheit und das Lebrn." An dem Christusbilde
unsereS Portales findm sich diese Worte nicht weniger deutlich ausaespro-
chen, als wenn si« mit Buchstabm geschrieben wären. Ausrrcht strhend,
wie Zsrael am Ostern der Verbannung, zee'gt er sich hier als der göttliche
Führer (viator) aller derer, die ihren Weg durch das rothe Meer neh-
mcn, die durch sein Bluk hindurch schreiten sollen, die auf dem Wege deS
Hsiles nach dem Himmel zu stch befinden, „in via", wi'r di« Theologi«
sich auSdrückt. Awischm die beidm Thorflögel gestellt, heißt er mit vollem
Rechte: daS Thor, durch wrlcheS wir «ingehen sollen: sum vstium

«rium, per Ivo si guis iutroierit pssoua iuveniot. Der Segen, welchen
hier Christus mit drr einm Hand «theilt, »nd daS Buch, welcheS er in
der andep» hält, charaAerisiren srin Verhältniß zum neuen Trstamente,

ttnd «s stehm dies« Gebndm Ü1 BejiehUttg zu Lm Namm, welch« «r kn
dem bri seiner erstm Herniederkunft vollendetm Erlösung-werki sich gibt
und «rhält. Die segenspmdmde Hand zeigt, daß er das Leben (vita)
ist; diijmige, welche das Evangelienbuch an sein Herz drückt, gibt ihn alS
die Wahrheit (veritns) zu erkennen; dmch die Stelle aber, welche er
einnimmt und durch dm erhobenm nacktm Fuß, welcher über die Ungr-
heuer, di« er niedergetrctm, hinwrg vorwärts schrettet, bekundet er, daß er
der Weg (via) ist. Ganz in derselbm Art ist der Heiland stetS an dm
Hauptcingängen der alten Kirchen dargestellt, und es soll damit gewiß zu-
gleich an den Sinn des 24. Psalmes erinnert werden, wo es heißt: „Die
Wege des Herrn sind Barmherzigkeit und Wahrheit für älle di«,
wrlche seine Verheißungen suchen und nach seinen Zmgnissm flch erkundi-
gen." Jn der That bedeutet, wie uns di'e Commmtatoren sagen, der Act
d-sSegnens di-Gnade, die Heilswohltbat, dieBarmherzigkeit; das Buch
bezeichnet die Wahrheit, so wie die Lehre und das Gesetz, welche in ihr be-
ruhen, sie verbreitm und ihre Bedingungm feststellen. Dis Wahrhett, dir
L-Hre und das Gefetz sind unS in dem Evangelium mthüllt, welcheS di«
linke Hand trägt, durch die das gegmwärtege Lebm verflnnbildet wird');
der Segm aber, welchm die rechle Hand ertheilt, führt unS hin auf dm
Weg zu d«r Seligkeit des zukünftigm '). So sollm auch, wie Cvrnelius
ä Lapide ^) nach dem Ausspruche des h. Paulus sagt, am jüngstm Gerichte
nur diejenigen die Geftgneten des Vaters genannt werden, welche „in Ze-
sus Christus geistig geftgnet worden in dm himmlischm Dingm."

Der Segen ist dieftmnach das Heil; das Heil aber ist die Frucht der
Wahrheit; die Wahrheit aber ist die speculirende Fsrschung r sie mhet mit
dem Buche auf dem Arme, welcher nicht der thätig« ist, auf dem linkm
Armr nämlich, in der Näbe des Herzens, des SitzeS der Empfindungm
und zugleich, nach der Ansicht der Allen, der Gedanken; der Segen, da«
tst die Anwendung, daS Handeln, die Thal; mit ihm findct der rechte Brm
ftch belraut. Beide, daS geistige, das speculirende Moment und die Zußcre
That, müssm sich einander begegnm, und diese Begegnung ist bewerkstelligt
m dem Herabkommm des Heilandes, wie ein gottftliger Commmtator sich
ausdrückt: „Riserioorsis 6t voritas odvisveruot sidi ill tuo asventu" ^)
(die Barmherzigkcit und die Wahrheit, sir sind in deiner Herabkunft
sich begegnet).

Das Standbild, welches so dcn Erlöftr und seinr irdische Mission zu
charakkcrisiren bestimmt ist, mußte das heevorragendstr und bedeutungs-
vollste in der ganzcn Compostlion sein. Und in der That hat drr Bildhauer
dasftlbe eben so correct in den Proportionen, als reich und edel in der
Haltung aus dem Steine hcrvortretm l«ssen. Seine Höhe belrZgt 2 Meter
5!) Centkmeter. Es ist schwer, die Weichheit und Grazie zugleich mit der
hobm Schicklichk-it und Würde wiederzugebm, welche die ungmähtr Tu-
nica und der königliche Mantel zeigcn, womit dasselbe bedeckc ist. Man
braucht nicht erst ein Enrhusiast sür dieft Kunstgattung zu sein, um als
feicrliche Hohsik, wie sie sich für das Abbild der Gottheit gsziemt, zu be-
zrichnen, was die Bewundercr der modernen Kunst vielleicht Skarrheit und
Monotonie nennen würdm. Es ist wahr, dieftr Jesus Christus trägt daS
Haupt hoch ausrecht, ftin GesichtSausdruck ist requngslos, und die Arme
sind so zu sagm mit mathematifthrr Strenge m dieHanhlung eingeschlos-
ftn, welche sie zu verrichten haben; alleln in allem dieftm könnm wir nur
die Grundbcdingungen eines jeden Bildwerkes eekennen, welchcs die Gott-
heik in ihrer erhabenen Einfachhett darstellen soll.

Dis Skatue des HeilandeS an der Kathedrale zu Amiens ist bereits Ge-
genstand der Aufmerksamkeit der Kunstkenner; sie ist vielfach nachgebildet
von Sammlern derartiger Bildwerke sowohl, als auch von solchm, welche
fär andere Kirchmportale (z. B. für das Portal der Kathedrale von Bour-
ges) diese denftlben fehlmde Figur auszuführen den Austrag hatien. Solche
Lhaksachen mögen das zuvor von uns ausgcsprochene Lob eines Sculpkur-
weckes rechtfertigen, welches, so viel solch-s der mittelalterlichen Technik
mözlich war, ja, vielleicht so viel als es überhaupt möglich ist, das „s,.s-
eiosus korma prae kiMs komillllm" (schön von Gestalt vor allen Kindern
der Mmschm) ausdrückc. Es braucht wohl nrcht erst angcführt zu wer-
dm, daß dir Füße d.s Hrilandks unbekleidet sind. Es flnd die Fuße Des-
j-nigen, welcher auf den B-rg kommt, den Frieden anzukündigm; sie stnd
schön anzuschaum.

2) Ecklärendc Symbole. Die Mission des Heilandes, wclche schon durch
dm Segen, dm er ertheilk, und durch das von ihm g-haltmr Buch charak-
terisirt ist, erhält an dem untern Theile und auf d-n beiden Seiten des
Mitkilpftilcrs noch eine weitere, obschon lakonische, so doch eindringende
Eckiarung. Di« bcdeukungSvollen Symbole, in welchen di-ftlbe niederge-
leat ist, besteben zunächst aus vier Lhierm von verschiedmer Gattung und
Gestalt, von drnen die zwei ersten unter dm Füßm der Statue sich bcfin-
den, währmd die briden andern, derm Deutung größrre Schwierigkeit dar-
bieket, ein wcnig ti-fer nach dcr Seite hin angebracht sind. Die erste die-
ftr Lhicrgestaltm gibt flch sofort auf dm erstm Blick als ei'nen Löwen zu
erkennrn. Er ist auf dm Boden hingekauert, und der Heiland fttzt ihm
stolj den rechtm Fuß auf den Kvpf. Das zweite Thier gehört zu den krle-
chmden, es stimmt ganz wohl zu der Beschreibunq, welche die altm Natur-
bcschreiber und überhaupt die Schriftsteller des MittelalterS, insbesondere
der h. Jsidor von Pslusium °) und Albertus d. G-, uns von dem Drachrn

i) Noo. ä'/lat. geinina animae, rle antig. ritu missar. lid. I- v. 2V.

Sruno ^stensis in psalmoi expositio.

S) Ein gelehrter Jesuit a«S dem lütticher Lande, welcher gegen daS
Ende des 16. Jahrhunderts lebte und einen berühmten Commentar
über die heil. Schrist verfaßt hat. Amm. tz.

») s. Srunon. Ilerdipol. kpise. eomm. ia ksalm.
b) 8. lsiä Origin. lid. XII. cap. 4. — ä>1bvrtu» magous ae aaima-
libus lid. XXV.
 
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