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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1851 (Nr. 72-83)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1511#0012
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smnigcn Adepten, die nach dem Stcin dcr Weisen suchtcn, oder ihn gar be-
reiis gefunden ;u haben glaublen. Wenn einer uascrer namhafiesten Kunst-
schrifisteUer, Franz Kugler, jüngst ncch in seiner B-urlheilung Les vierlen
Bandes der Schnaase'schen Kunstgeschichle sich dahin ausgespiochen hal, daß,
abgesehen von einigen polic.ilichen Anordnungen, das Wescn der Hülkcnge-
heimn.sse lediglich in Dingen bestanden habe, die einer noch sehr unb.holfe-
nen Geomctrie cben nur cine leichtere praktische Handhabe gegeben, und ihre
Grundzahlen, Grundfiguren u. dgl. m. theilS ganz bedeutungslos, iheils nur
ävßerliche Schemala für den Handwerkcr gcwcsen, am allerwcnigstm aber ein
lLchlüsscl füc das, was nur durch den Gcist erschlvssen werdcn könnc, —
so ist hicrgegen anzuführen, daß gerade di- geistige Einheitlichkeit, bci
aüer äußerlichen Verschiedenheik, in den Hervorbringungen dieser Hütten den
sichersten Beweis dasür liefert, daß ihr Wcsen, wie ihre Organisalion un-
endlich tief.r gründeren, alS in einigen Policei-Reglemenis und lrivia-
'en Handwirks-Griffen und -Brauchen. Den Baum b-urtheilk man,
auch in Sachen der Kunst, am zuverlässigstm nach seinen Früchkcn. Auch
vielen Mcistern der Gegenwart fehlt e« wahrlich nichl an Gerst; in der
Geometrie und Mcchanik aber habcn wir Riesenfortschritte gcmachl, wie
überhaupt fast in dem gesammlen materiellen Theile der Kunstübung; und
d.nnoch bielet das ganze Gebiet der Architekiur, ja, der bildend n Künste
üderhaupt, unläugbar das Bild vorher kaum jemals dagewesener Icrfahren-
deit und Eharaklerlosigkcit dar, in stylistischer wie in technischer Bcziehung ").
Es ist schon mehrfach bemcrkr wordcn, daß diese unerfreuliche Erschcinung
wohl vorzugsweise in dcm Mangel ciner Sinrichtung ihren Grund habe,
wclchr, die Theorie mic der Ausübunq verknüpfend, das Wissen und die Er-
fahrung sammle und läutere, so wie die Uebcrliefcrungcn perpeluirc, woducch
endlrch einem Jcden seinc Stelle angewiesen und miltels moralischer und
physischcr Disciplin den Kräften das Maß und die Richlung vorgezeichnet sei.

Eine derartige Einrichtung sinden wir aber in den Bauhütten dcs Mitlel-
alters. E!n Blick in dieftlben gewährte uns den zuverlälsigsten Aufschluß
über das Zustandekvmmcn iencr unverqleichlichen Werke, welche wie Wun-
d rbäume durch Jahrhunderte wachsend, bei allem Rcichlhume und allerMan-
nigfaltigkeit dcr Bildungen stets einem und demsclbcn Gesetze gehorchen.

Bckanntlich war das Mittclalter nicht so schreibfertig, wie unsere Ieit,
am wenigsim auf dem Gebiete dcr Kunst: man bediente sich dec Lapidar-
Schrift im eigenklichstcn Sinne des Wortes, man schrieb durch Bauten und
Kunstwerke. So müssen denn die auf das Bauhüttenwesen speciel bezügli-
chen Urkunden, von wclchen nur sehr wenige vor bie Mitte des fünkzehnlen
Jahrhunderts zurückreichen, mil den Denkmälern und dem Gesammtleben des
MittelallcrS zusammengestellt werden, um einiqer Maßen «in Bild des Ge-
gcnstandcs zu gewährcn. Was zunächst d!e Urkunden anbelangt, we'che offen-
bar nur das Allhergebrachle fixiren sollten, so kann ich nichl umh.n, den
Wunsch laut werden zu laffen, doß der bei dem geehrten Veleranen unserer
rationalen Kunst, Hrn. Sulpiz Boisserüe, beruhende Schatz recht bald Ge-
meinqut werde. Bis ;>tzt ist die reichste Sammlung die von Gevrg Kloß
zum Iwecke dir AufheUunq der Geschichte der Freimaurerei veranstaltete ^);
auffallender Weise scheint Schnaase in seiner Darstellung des Hüttenwesens ^)
keine Notiz davon genowmen zu haben. Alle diese Steinmetzen-Satzungen,
von der ällesten bekannten, durch Halliwell ^) publicirten englischen aus dem
vierzehnten Jahrhundert (die Aorker von 926 darf unbedenklich ins Reich
dcr Fabel verwieftn werden) >.n, durch die straßdurger Ordnung von 1459,
die Torgauer von 1462, dic Baseler von 1497, das s. g. Bruderbuch von
1563, die querfurter Ordnung vcn 1574 hindurch, ergeben, daß praktische
Religivsität, Siltlichkeir und Ehrbarkcit als die Grundpfeilcr dec Hütte an-
gesehen wucden.

Jhre Mitglieder, die Meister, Parlirer und Gcftllen waren, als GanzeS,
ter Haupthülte unkergeben, deren Vorsteher, als „oderster Ricktec des Stein-
werkes", in l.tzter Jnstanz der auionomisch ccnstiiuirtln Genossenschaft Recht
sprach. Solchrr Haupkhütten gab eS vier im deulschen Reiche: die Hütten
zu Straßburq, zu Köln, zu Wien und zu Zürich, welchcr Utzteren indeß die
Berner den Rang streitig machte. Die crste Stelle behauplete fortwährend
die straßburger Hütte, deren Gebiet, wie cs in ihrer Ordnung heißt: „den
Rheinstrom von Konstanz hinab bis gehn Coblenz, und was obwendig der
Mußel ist, und Frankenland und Schwabenland" umfaßre. Das Brudcr-
buch, welches in dieser Hütte lag und periodisch gelesen werden mußte, be-
ruft sich zum österen auf päpstliche und kaiserliche Bestätigungen, deren letzte
Kaiser Karl VI. im Jahre 1713 ertheilte. Die Loßreißunq Straßburqs
vom deulsch.n Reiche machte allercrst jener Herrschaft ein Ende, weich«
Mainz vergebers an sich zu bringen lrachtete. Ein Reichskags-Bcschluß von
1727 untersagte förmlich jeden Verkehr mik der Hütle zu Straßburg, einst-
mals dem strahlendsten Sternc cm deutschen Kunsthimmel. So geht der
der Verfall der Kunst mit dem drr Nationalität Hand in Hand!
_ (Schluß folgt.)

') S. „Deutschcs Sanstblatt" Nr. 43.

2) Eine nähere Begründung des obigen Vorwurfes, mittels einer inS Ein«
zelne gedenden Parallele zwischen der heuligen und der mittelalterlichen
Baukunst, enthält meine Schrtft: „Die christlich-germanische Baukunst und
ihr Verhältniß zur Gegcnwart. Trier, 1845", S. 13 dt« 37.

^) S. G. Kloß, die Freimaurerei in ihrcr wahren Bedeutung aus den alten
und echten Urkunden der Stetmnetzen u. s. w. nachgewiesen. Leipzig,
Älemm, t846.

s) Eesch. der dildenden Aünste. Bd. IV, S. 3<X> u. folg.

L) 'lbe eruH kislorx vk lreemssonrzr. kondon, 184».

Krchen u. kirchlicheArchitekturzu Münster in Westfalen.

(Schluß. S. Nr. 71 d. Bl.)

Daß mau lange an der Kirche gearber'tet, nrcht bloß an dcm vben er-
»ghnte» Datum sich zu halten hat, sagt schon dik Betrachtung der Kirche

und ihres BausystemS selbst; wir haben aber auch noch ein andereS
bestimmtcS Datum. Jn der 8uriss episeop. mon. heißt eS nämlich: 6irc»
«nirum 1335, ut relert blorsenbroicb, bloclesis praolats 8. l-smdorti aucts e»t
ckoro pssllertium sseorckotum, sck quem ipso suno ckie kvsto 8. ßlagckalenso
prinms lepis posilus ost sub Lpiseopo I-sckovioo cke llsssis. DieseS Chor
hat indessen nvch fast ganz den strengen und cdlen Styl deS dreizehnte»
Jahrhundcrts. Aber zwischen Cdor und Seitenschiff schiebt sich cin eben-
falls polygonartig geschlossencS Nebenwcrk ein, wclches offenbar dem Style
des fünszchnten Jahrhunderts angchört; um der Südseile mehr Länge z»
gcben unv hwr cine Prächtige Fayade zu bilden, ist ebenfallö zwischen
Lhurm und Schiff ein Vicreck eingelegt, so daß sich daS reichverzierte
Portal hier prächug auSnimmt. Abcr dcnnoch hat die Kirche, bei aller
Zicrlichkeit von außen, etwas, waS ihr wehe thut und waü rhr namentlich
ren AuSdruck der Größe benimmt. ES beruht di'es theilS in dem schmäch»
tigen Thurme, IhcilS in dem gar :u hohen Dache.

Wcnn mau in die Nähe von Münster kommt, so hcftet stch daS Auge
zunächst an eincn prächligcn Thunn^ von feinem durchstchtigkm Maß-
werke und der zicrlichsien Form. Seincr Spitze cnllehrend und bloß
mit Fialen gekrönt, erinnert er an Kloster Batalha in Portugal, wcnn
«uch uichk so rcgclrccht unb auS Einem Gusse geformt. Es ist der Thurm
von Ludgeri-Kirche, die frcilich bci gcnauerer Betrachlung ein Conglomcrat
verschiedener Formen bildet und dcr alle senc Anwüchse spälerer Zeit
deS Mitt.lalttrü leidcr weder Harmonie noch den Auödruck der Größe
verleihe» konntcn, weil er ursprüngl ch sehlte. Die Kirche war schon in
ihrer Grnndanlage zu klein. Sie enlstand namentlich alS eine Capelle,
ward dann eine größcre Kirchc, die später zur Pfarrkirche crhoben wurde,
wvrüber wir den Vertrag nvch habc». Sie wurde, wie unS üdeelie-
fert worden, im Jahre 1185 mittels Anfügung eineö Chores erwei'tert
(viellei.ht deff>r fast ganz nea qebaut) unv IM Style jener Zeit mit neuen
Zusähen versrhcn. Sie gcrieth abcr am 22. Novembcr 1383 in Brand,
wo sie daan auch eincn großen Theil ihrcS Thurmes verlor, daS Chor
vielleicht ganz zusammenstürztc. Die Kirche gehört offenbar zu dcn älte-
sten vcn Münster. Sie war ursprünglich im Basiliken-System gebaut,
fast ohne alle weitcren Zierathen. Unmittelbar über dem Kreuze erhvb
sich der Hauptthurm als Kuppcl, unv wahrscheinlich im Westen noch einer
waS schr leicht zu ermitteln wäre. Aber dennoch war daS ganze Werk
nicht bloß klein, sondern hatte auch einen fast rauhen Styl. Wahrschein-
lich hatte die Knche ursprünglich fünfQuadrate in der Länge, deneu ent-
wedcr ein Thurm vder cine Lorhalle vorgesetzt war; über Lem niittleren
erhob sich der noch theilweise vorhandene Thurm. Jetzt sieht der Grund-
riß frcilich eiwaS anders auS. Nach dem Brande vom Jahre 1383 wurde
daS Chor verlängert und im Spitzbogen-Systeme deS füufzehnten Jahr-
hunderts aufgeführt, die Chornische auS einem in den KreiS gelegten Zehn-
ecke gebildet, von dem sieben Seiten nach außcn lirgcn, drci nach innen
hinzn gedacht werdcn müssen. DaS Chor, früher gleichlaufend mit dem
Schiffe und nur in der Rrsche etwaö nicdriger, wurde bcdcutend über
daS Schiff erhoben, daS allerdingS schwer drücktc; auch den KreuzeS-
armen wurde mehr Tiefe gegeben, die Gewölbe an der Nische bildeten
sich in Sterngurten und vom Kreuze ab biS hichin in Zickzack. Die
Kirche muß aber bei allem de rr schwer fcrtig gewvrdcn scin. Denn die
ganze Arbcit ist roh, unvollendct, nicht stylgerccht und schci'nt sich bi'S in
daS sechszehnte Jahrhundert hinübergezogen zu haben. Cs fehlte an rich-
tigen Anstchten der Construction und Allem — kein Wnnder daher, wenn
auch die Fialcn an den L-lreben mangtl».

Nun bliede nur, da wir doch einmal von dcr münster'fchen Architektur
reden, noch das schöne Rathhaus zu erwahnen. O! ein prächtigeres, z,' r-
lichereS Giebelfeld kann wohl nicht gedacht wcrden, wenn auch seine Er-
bauung in jcne Zeit sällt, wo der Spitzbogenstyl bcreitS seine höchste
und schönste Dlüthe erreicht. Daü Ganze seneS prächtigcn GiebelfeldeS
ist so schön, so frisch in stch vollendet, daß man eS nnr mit Freuderr
sehen kanu. Dennoch weiß ich nicht, ob man nicht gegen den Grundge«
danken etwaS einwenden dürfte und ob die Fayade bei all ihrer Schön-
heit ond fo vielem, was an dcn grunddcutschcn und mit dcr christlichen
Cultur übereinstimmcnden Charakter erinncrt, so ganz im Geiste deS
MittelalterS gedacht ist. Denn Lie Wand, welche ihrer Natnr nach bloß
daS Dach zu deckcn und zu füllen hat, steht doch ctwaS zu lustrg, da uud
manche ihrcr Gliedernngen, die im Mittelalter nie ohne ein strengeS Ge-
fttz der iuneren Nothwendigkeit angcwendct wurden, habe» doch so recht
eigentlich keine Bcstimmung, odcr stehcn zu isolirt da.

Zu der in den ersten Tagcn deS MonatS März in BreSlan Statt
findenden

großcn Vtrloosimg

der durch die akademischen Dombau-Vcreine gesammelten

Bücher «nd Kuust-Gegenftände

siud auf dcm Secretariate deS Central-Dombau-VereinS Loose » 5 Sgr.

zu haben.

Verantwortlicher Herausgeber: Zos. DuMont in Köln.

Druck unb Ecmmisstons-Verlag des Verlegcrs der Kölnischen Ieitung,
M. DuMont-Schauberg.
 
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