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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1851 (Nr. 72-83)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1511#0041
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Wr'e schön, wie reizeud geformt fiud die Pfeilerbundel am kvlncr Dome,
in Blamen- und Blattwerk die Sockcl! Dem mailäoder Dome fehlt diese
leichte, freie Gestaltnog der Sockel «od Säulcnbündel gänzlich, und da
sich daS Mittelschiff wcnig über daS Seitenschiff erhcbt, so ist auch nicht
einmal eine gehörige Bcleuchtong möglich. Diese muß fast ganz von den
Fenstern der Scitenschiffe herkomme», und es liegt daher iu der Natur
der Sache, daß sie schvn deßhalb höchst mangelhafl ist. ES kommt aber
ovch etwas AndereS dazu, was jeuen Mangel noch fühlbarer macht. Sin
vvlleodeteS Werk im Spitzbogeostyle muß auch ohne Seitenwände stehen
könueo; deu» die Gewölbe ruhen auf den Pfeilerbunden oder leiten ihren
Druck auf die Streben hiuüber. Auf jeden Fall fiudet sich iu einem sol-
cheu Werke der Raum für die etwa »öthigcn Fcnster leicht und wie von
selbst. Sie stehen zwischen den Säuleu und Pseilero wie natürlich, sie
dürfe« m'cht erst io die Seitenmauer hineinaebrvchen werden. So sind
die Fenster am kölner Dome fast wciter nichtS alS leichte Füllungen zwi-
schen Gnrt und Pfeiler. Dadurch gibt sich auch ihre Fvrm von selbst. Am
mailänder Dsme aber stehe» die unförmlichen Fenster noch in cincr be.
sonderen Maucr-Eiofaffung, fa, sie kommen einem vor wie in dieselbe
eingebrochene Löcher. Man sollte fast glauben, man hätte bei Erbauung
dcö WerkeS erst später darao gedacht, daß eS doch Licht haben müffe
und diesem Bedürfniffe nur dadurch abgeholfen werdcn könne, daß man
eigcoe Löcher i» die Maoer bräche oder doch für dieselben frei ließe.
Die Feuster sind daher in dem Schiffe sehr schmal «nd gebeu ein hvchst
schwachcS Licht, daS man keineSwegS durch die buntfarbigeu Gläser zu
dämpfe» nothwendig hätte. Nur an den unteren Fenstern deS ChorcS ist
dieü unglücklicher Weise anderS. Denn hicr sind eS gewaltig große Flä»
chen, wie fie freilich durch die Mauer bediugt waren. Aber cS entsteht
dadurch zwische» der äußeren UmfaffungSmauer dcS ChoreS «nd der in.
ncren deS Umgangeü ein gcwaltigeS Mißverhältuiß. Dazu ist der Um-
gang äußcrst schmal, und die vbcrcn Fenstcr find mißgestaltete Dreiccke,
die ein höchst dürftigeS Licht geben; so wird AlleS dumpf und matt. Wie
anderS dagcgen in dcm kölncr Dome! Wie prächtig, schlank und eben-
mäßig schwingt sich hier AlleS hinauf! Wie frei, wie leicht, wie poetisch
sind die cinzelncn Gliederungen! wie schvn die Fenster mit ihrem bun-
ten Farbeuschmelze über den Galerieen stchevd, AlleS erleuchtcnd und ihre
prächtigen Strahlen in daS Allcrheiligste werfend! Hier ist nirgendwo
Schwerfälligkeit, sondern allenthalbcn Leichtigkeit und jener Schwung der
Phaotafie, der auch den strengstcn Forderungen eineS nüchternen Verstan-
deS, so wie einer gesundev Auschauung der Dinge Rechenschsft zu tra-
gcn weiß. Jm mailänder Dome herrscht jener poetische Schwung, jene
gesunde Anschauung nicht so ganz vor. ES ist eine Art von gothischer
Nenaiffance, wie sie sich etwa auch an dem köloer Dome im 17. odcr 18.
Jahrhundert gestaltet haben könnte, wenn der Plan Crombach'S durchge-
gangen wäre und man eü versucht hätte, den gcwaltigeu Bau zu vollen-
den. AllcrdingS war in Mailand daS Uebel solider. ES hatte sich schon
i» seiocm Hauptplane geoffenbart, und wir wollcn nicht rechtcn mit seine»
Fortsetzern, wenn daS Dach so construirt worden, daß mau sich nach ita-
lienischcr Weise darauf ergehen kann, und zwar also, daß man die Kron-
blumen und Statueo auch der Seiteuschiffe über seinen Häupten hat, da
fie ja den Kamm deS DacheS weit überragen. Für Jtalien mag dieS seine
Schöoheiten habeo, für unS Dcutsche geht die Sache »icht!

Wir haben den mailäuder Dom mit dem kölner verglichen, «nd weun
ersterer auch dem letzteren in allcn Dingen nachstehen muß, so ist und
bleibt er darum doch ein bedeutendes Erzeugniß christlicher Kunst und
christlicheu Geistcs, uud wir halten ihn selbst bei seinen großen Fehlern
für cin viel prächtigercS und erhabcnereS Bauwerk, alS den Jnvaliden-
Dom in PariS und so viele andere in Jtalieo, ja, selbst in Rom, die
sich eineS classischen RufeS ersreucn, obgleich der mailänder Dom für
mauche auch sonst bedcutende Kunstforscher, wir nennen nur Quatremere
de Quincy, gar oicht vorhanden ist.

Die Restauration des aachener Münsters betreffend.

Jn Nr. 72 deS DomblatteS ist eine Schrift deS Herrn 0. Debey be-
sproche» worde», welche daS aachener Münster, so wie die projectirte
Restauration deSselben zum Gegenstande hat. Da dieser RestaurationS-
Bau sehr schwierige und complicirte Fragen darbietet, so wird eS Nie-
mauden wnndern, daß die Ansichtcn in mchr als Einem Puncte aus einan-
der geheu, und ist eS gewiß a« und sür sich eine recht erfreuliche Er-
scheinung, wen» jeder Theil das, waS er für daS Rechte erachtet, geltcnd
zu machcn sucht. Ueberhaupt eröffnet wohl nichtS eine beruhigendere Aus-
sicht in die Zukonft der christlich-nationalen Kunst, alS dieseS stetS
wachsende Jntereffe der Bevölkerungen für geschichtliche Denkmäler. Jm
vorliegendeo Falle särchtet ein großcr Theil der Einwohner AachenS, daß
der in AuSsicht gestellte uud stellenweise bereitS begonnenc RestaurationS-
Ba« nicht im rechteo Geiste aaSgeführt werden möge, «nd haben diesel-
Leo, nachdem ihre Vorstellungeu und Bemühungen Ln Aachen selbst un-
Leachtet geblieben find, ihre Befürchtungen in der nachfolgcnden Vorstcl-
laog a» eiue Stelle gebracht, wo fie der gcrechtestc» «nd einsichtSvvllsten
Wurdigung zu begegucn gewr'ß sind. Selbst eine Lbertrieb ene Be-
sorgm'ß auf Seitcn der Bittsteller wird ihneo übrigeoS nicht za verargeo
feiu, wenn man die in dem Oktogon vor cioigco Jahren vorgenommeoen
Restauratiooen inS Auge faßt, uameutlich die modernen Capitäle der
Säulchen iu der vberen Bogenstellung, welche die antiken, voo Karl dem
Eroßen auS weitester Ferne hergebrachten verdrängt habeo, wcil letztere
zufolge ihrcS hoheo AlterS etwas schadhaft geworden wareo. Zu allem
Gläcke liegt im vorliegenden Falle zwischen den strcitendcn Parteien noch
ein aeutraleS Gebict, aus welchem die Einigung hoffentlich Statt fiuden
M'rd — daS Feld der wrssenschaftliche» Forschuag. Beide Theile

mögen daSfelbe uuter Vorbehalt ihrer Rechte «nd Ansprüche betreten.
Ohnehin ist ja keine Gefahr im Verzuge, und im schlimmsten Falle er«
wächst auS solchcr Tranöaction eine Arbeit über eines der iotercffantesten
archäologischen Themate.

Die zuvvr gedachte Bittschrift lautet, wie folgt:

„Hochwürdigster Herr Erzbischof!

„Erlauchter Cardinal!

„Zu wiederholten Malen haben Ew. Eminenz Jhren hohen Antheil an
den wicdererwachten Bestrebungen der Zeit zur Verherrlichung der Got-
teöhäuser durch eine wahrhaft christliche Kunst zu erkenncn gegeben und diese
Bestrebungen Jhrer Anerkennung nicht unwerth crachtet. Von der erheben-
den Bewegung, welche hauptsächlich von der Metropole deS ErzbiSthumS
Köln auSgcgangen, ist bald auch die Stadt Aachen ergriffen worden, und
mit frohem Mnthe und mit Begeisterung hat die Bürgerschast sich um
daS Hochwürdige Collegiatstift geschart zur Wiedcrhcrstellung deS aachener
MüusterS, deS ältesten und i» mehrfacher Hinsicht denkwürdigsten GotteS-
hauseS auf deutscher Erde. ES konnte »icht auSbleiben, daß mit den ma-
teriellen Leistungen von Seiten deS christlichen VolkeS der Wunsch sich
verband, über die Bedeutung deS GotteShauseS in der Geschichte der
Kirche, über den ehemaligen Zustand deSselben, so wie über den Plan,
der bei den Wicderherstellungs-Arbeiten würde bcfolgt werde», fortwäh-
rcnd cine geoauc Kenntm'ß zu gewinncn. Es sind die Bürger AachenS da-
her dem Unternehmcn stetS mit aufmerksamem Auge gefvlgt, in so weit
denselben die betreffendcn Vcrhandlungcn zugänglich gemacht wurden.
Schco seit längerer Zeit haben sie aber auS dem Wem'gen, waS darüber
zu ihrer Kunde gelangte, mit tiefem Schmerze wahrgenommen, daß die
Verhandlungen im KarlS-Bereine eine Wenduug nahmen, die mannigfache
Besorgniffe mußte aufkommen laffen. Zuuächst glaubte man sich überzeu.
gen zu mäffen, daß der ersten Aufgabe, der „historisch treuen Wiederher.
stellung", nicht cntsprochen werde, indem eine sorgfältige Ermittlung dcS
früheren Zustandes, so viel bekannt, nicht einmal versucht wordea.

„Eben so scheint eö, daß i» dcu schon weit gedieheuen AuSschmückungS-
Plänen die historische Bedeulung deS GotteShauseS nicht hinreichend in
Anschlag gebracht ist, und die vorgelegten Ausführungen haben nach dem
Urtheile vvn Sachkondigen m'cht den mittelalterlichen Kirchenstyl, sonder»
den moderne» Charakter an sich getragen.

„Die unterzeichneten Bürger der Stadt Aachen erachten es demnach für
ihre Pflicht, bei Ew. Eminenz die dringende Bitte auözusprechen, durch
eine Commission erprobter Sachkenner, in der etwa die Herreo Profeffor
C. P. Bock in Brüffel, AppellationSrath August ReichenSpcrger und Con-
servator Ramboux in Köln eine Stelle finven dürften, diese wichtige An-
gelegenheit prüscn zu laffen und die gedachte Commisston zur Erstattung
eineS GutachtenS auffordern zu wollen, damit nicht für alle Folge dieses
einzige Ueberbleibsel der großen geschichtlicheu Vergangenheit der Stadt
Aachen durch entstellendc Neuerungen nach so manchen vorangegangenen
Zerstörungen vollendS verunffaltet und in seinem hohen Werthe geschmälert
werde. Wir legen mit vollem Vertrauen diescn Wunsch in die Hände
Ew. Eminenz und verharren in Gehorsam und Ehrfurcht

„Ew. Eminenz unterthäoigste Bürger Aachens.

„(Gez.) I. Laurent. v. Monheim Vater. Victor Monheim Sohn.
Caplan Fey. Pfarrer l). Kloth. LandgerichtSrath Nambs.
v. Debey, Arzt. 0. Voffen, Arzt. Jos. Lingens, Adv.-Anw.
Eg. Bock, Neutncr. P. I. LingenS Vater, Fabricant. Lam-
berty, so wie noch circa 400 Unterschristen von Einwohnern
dcr Stadt Aachen."

Um den Besuchcru deS DomeS jederzeit Gelegenheit zu bieten, Bei-
träge für den Fortbau deSselben abzugeben, sind in dem Langhause deü
DomeS fünf Opferstöcke mit der Aufschrist: „Zum Fortbaue deS
D omeS", angebracht worden, deren Jnhalt in die Dombau-Caffe fließt.

Jndem wir dem Publicnm hicrvon Keuntm'ß z» gebcn u»S bcehre»,
ersochen wir unsere verehrlichen Mitbürger, die etwa in ihrer Begleitong
de» Dom besichtigenden Fremden auf diese Opferstöcke aufmerksam zu
machen «nd hicdurch behülflich zu sein, von der durch den Aoblick deS
DomeS erwecktcn Theilnahme reichliche Früchte z« äroteu.

Kölo, im August 1851.

Der Verwaltungs-Ausschuß
des Central - Dombau - Vereins.

Jm Verlage der GropiuS'schen Buch-und Kunsthandlung in Potsdam
ist erschienen und in allenBuchhandlungen, inKö'ln in derM. Du Mont-
Gchauberg'sche», zu haben:

Zwanzig Gedichte

von

August Schüler.

(Zum Besten des kölner Dombaues.)

8. Sauber broch. Preis 10 Sgr.

Verantwortlicher Herausgeber: I. I. Nelles in Köln.
Commisfions-Verlag des Verlegers der Kvln. Ztg.: Jos. DuMont in Köln.
Dmck von M. DuMvnt-Schauberg in Köln.
 
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