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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1860 (Nr. 179-190)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1806#0004
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eincr GenSd'armerie Escsrte degleiteien Wagen erblickten, der wie eine Art
»on Msnagerie Wagen rundum geschloffe» war und sein Licht von oben er-
bielt. ES ist dieS eine Sorte von Wagen, die vor den Tagen der navoleoni-
schen Freiheit und der engeren Allian; zwischen Frankreich und Rußland znr
Beförderung der Civilisation in Jtalien und sonstwo bloß ia jenem
ilande bestand und hier unter dem Namen Kibitke bekannt iff, besonders als
Befördernngsmittel der unglücklichen 'dolen zur Cultur SibirienS. Jn Frank-
reich dient dieser gräßliche Bau zur Spedition nach Cayenne. Welch ein Auf-
enthalt tst ein solcheS Haus, das ssinen Finwohner nicht einmal ahnen läßt,
wo er 8ch besindet, das ihn zur Nachtszeit ans dem Schooße seiner Familie
hokt, ohne daß er au w etwaS nur dsnkt, von aller sonstigen Commu»icaiion
mit der Welt abschneidet und bloß aus den BerhLltaiffen des Klima's errathen
läßt, ob er fich im Norden oder Süden befindet! Und wem ist eine solchs
Wohnung wenigstens temporär bis an den nächstsn Ort seiner Bestimmung
angewieseu? Etsa einem notorischen Verbrecher, einem italienischen Banditen,
Leuten von der Sorte Kossuth's oder Mazzini's, die fich, wenn es sein muß,
gan; qut mit gewisssn Herren vertragen? Nein, auch denjsnigen, die bloß
den Berdackt eine» gewiffen Lerdachtes auf fich geladen und dem Präsecten
unbequrm find, wsil fie fich etwa in die neue Freiheit nicht sügen können,
oder doch darüber eigene Gedanken zu habcn wagen.

Das Bahubof-Gebäude der Südbahn, die von Paris nach Maiseille führi,
liegt in einem fernen Thcile der Stadt, nach Cbarenton hiv. Jenes wurde
nach einsm Plane cines Herrn Nicolle erbaut. Es hat 220 Meter Länge und
42 Meter Breite und liegt ungefähr 39 Meter über der Mecresfläche. Jch
kann nicht sagcn, daß mich das Gebäude besonders anspricht. Es ist bei all
semcr Größe dsL immer ordinär, und ich glaube, man hätte sowohl in dm
Zeiten der alten Römer wie des Miltelalters ctwsS ganz Anderes hingesetzt.
Ungeachtet man e» auch hier und da versucht hat, die Bahnhsf-Architektur dem
alten Bastlikenbau anzuschließen, der auch hier am meisten dem praktischen
Bedürfniß entspricht, ss ist doch der ganze Charakter der bishcrigen Bahnhof-
Architektur cin mebrprsvisorischcr. Er hat nichtS StetigeS, waS allsrdingS mit
der Natur der Sache übercinstimmt, aber keine günstige Aufgabe stellt für dcn
Baumeister. Die Bahnhof-Architektur besteht dahsr meist aus Brctterbau, und
selbk die masfiven Sieinbauten tragen bet aller materiellen Größe msist nur
einen Ueinlichen Cbarakter. Wenn jedsch in jeuen irgend etwas geleistst wor-
den, so ist e« im südlichen Deutschland geschehen, wo allerding« die Bahnhöfe
mitunter einen Anstrich von poettschem Charakter in ihren Holzbauten ser-
rathen. Es entspricht aber auch der Holzban gaaz der Natur unserer Bahn-
höfe, unb wenn man auch hier und da in Stein großartige Maffen aufgeführt,
so ist doch gerade in dtesem Material ein wahrhast imposanteg Gebäude eine
grsße Seltenheit.

Die nLchste Nmgebung von Paris, um daS Seinethal herum, ist reizend.
Da liegt, gleich wenn man auS dem Bahnhofe kommt, zur Linken daS Schloß
Bercy; dann kommt Charenton auf der ersten Station an der Marns, in
seinen Bauwerken nicht ohne Reiz; asf der fünsten Station Brunop, rm Seine-
uad Oise-Departement, mit einer schönen Kirche und einem Viadnct über die
IereS; auf dcr neunten Station Melun, das alte Uelcxiunum, oppjckum
SenvQum in insuis Seqnsnse po5ilum, mit seiner alten Kirche Notre Dame,
deren Bau mau noch ins 11. Jahrhundert setzt. Die Hauptkirche St. NrpaiS
daselbst gehört einer viel späteren Periode an. Nicht weit von Mclun kß das
schöne Schloß der Baur de Praslin mlt seinen Gemälden von Lebrun und
Mignard, alS Bauwerk zwar einer neueren Zett angehörig, aber »oll histori-
scher Erinnerungen aus der Zeit Ludwig's XIV. Es ist lusttg zu sehsn, wie
alle dtese freundlichen und nett aufgeputzten Städtchsn um die Seine hcrum
liegen, theilS dis sanfi abhangcnden Hügel, theils auch die User kronen. Dann
kommt auf der silsten Statiön das Schloß Fontaineblsau. ein Capitalstück
aus der Rsnaiffance, von dem man aber von der Eisenbshn-Staiion auS nichts
fieht als seinen berühmten Park. An Fontaineblea» knöpsen fich Erinnerungen
Ler mannigfaltigstsn Art, nicht bloß franzöfische, sondern such weltgeschtcht-
liche. Es ist etns Schöpsung Franz' I. und theilweiss auch Heinrich's IV., und
sowohl durch die Haft Pius' Vll. als die Abdankung des ersten Rapoleon in
der neueren Geschichte vielfach genannt. Fontaineblean tst, wte die meisten der
franzöfischen Lustschlöffer, im sogenannten Kamtnstyle erbaut. Dieser Stpl ist
nicht meine besondere Pasfion, und da tch auch sonst kein Verehrer bin son
manchen Geschichten, die hier ihren Schauplatz gehabt und ein Wesentliches
mit betgetrazen zur Zerstörung der christlichen Gessllschast, so habe ich bis
dahin wenigstens noch nte besondere Lust gespört, tn Fontalnebleau abzustei-
gen. Die Leser werden von mir umsonst eine Geschichte der Dtana von
Poitiers sder anderer Courtisancn erwarten. Mir ist Fontainebleau aber doch
rn so fern noch merkwürdig, als daSselbe einen besonderen Abschniti in der
Kunstgeschtchte, wenn auch einen keinesweges ganz erfreulichen, bildet. ES ver-
einte cinst auch in diesev Beziehnng bedeutende Männer in setnen Mauern,
wie Primaticcto, Vignola, die eine eigeoe Schule unter dem Namen der von
Fontainebleau gegründet, und selbst Levnardo, der in Allem einer ernstcren
Richtung angshörts, hat sür Franz I. und seinen Hof gearbeitst. Aber fort
mit Zönig Franz und seinem ireulofen Weiberregimente! Gehe» wir zur
zwölften Statton, nach Chomerv, nnd von da nach Msret an dsr Seine.
Maret tst eine alte Stadt und hat auch noch gegemvärtig etwas von diesem
alten Charakter bewahrt. Es kommt in allen Perioden der Geschichte vor, und
seine Kirche wird für elne der schönsten in der Diözese Meaur gehalten. Man
setzt ihren Bau in das Jahr 1166. Thomas a Becket, der berühmte Kanzler
und Martyrer vsn Canterbnry, hat fis nsch eingeweiht. Nuch Montereau aus
der vierzehnten Station, am Zusammenfluß der Setne und der Ionne, hat
eine schöne Ktrche und einen malerischen Brückenbsu.

Auf der fiebenzehnten Station kowmt man nach Sens, der alten Haupt-
stadt der senonischen Gallier, mit etner schönen Ksthedrale. Sie ist dem heiligen
Stephan gewetht, und ihr Bau fällt thsilweise in eine frühe Zeit, nämlich ge-
gen das Ende deS 12. JahrhundertS. Sie hat noch vieleS, was an den stren-
gen Styl von Rotre Dame in Paris erinnert, aber auch vieleS, was einer
späteren ausgearteten Zeit in der Gsthik angehört. Rach eintgen Schriststel-
ler» hätte schon König Philipp Nugust, nachdem die alte, in den Jahren 999
und 1114 gegröndete Ktrche durch einen Brand vernichtst wvrden, den Bau
begonnen, der aber erst nach 153S vollendet worden wäre, wena man den Zu-
stand, in welchem man gegenwäriig dte Kirche erbltckt, s- nennen will. Aber
genug, die Syureri verschiedener, fern aus einander liegender Zeiten verrathen
fich auch in der Kathedrale von Sens aus den ersten Anblick so deutlich, daß
darüber wetter ketn Zweistl setn kann. Eine etgenthümltch« Confiruction hat

die von zwet Thürmen flankirte Fayrde. Ste bestsht aus drei Hauptabthei-
lungen, ders» untere Gliederungen sämmtlich mehr in die Breite gehalten
find, als dieS sonst bei gothischen Kirchen gewöhnlich. Das miitlere Portal
hat nämlich 14 Meter Höhs und 13 Meter Äreite, und die Rose, die sich in
einer dritten Etage befindet, ist mit einem besonderen Baldachin umsteüt.
Der berühmte französtschc Antiquar Viollet-le-Duc sagt von der Kirche zu Sens
in seinem victionliLiro rsisoooe: „Das, was die Kathedrale vo» Sens
charakterifirt, ist die Größe und Einfachheit dsr allgemeinen Dic-pofition. Das
Schiff ist weit, das Chor ist geräumig und tief. Der Architeit hat es verstan-
den, die männliche Gcöße der burgunder Kircheu des 12. Jshrhirnderis mit
den neuen, in ZSle de France adoptirten, Formen zu verbinden. Aber man
darf nicht glauben, daß dieses Monument uns so erhalten ist, wte es Hugs
de Toucy Hinterlaffen. Die Ktrche von Sens tst eine Aathedrale ganz für
fich. sowohl waS Plan, als was Lrchitekiur betrifft; gleichzeitig mit der Ka-
thedrale von Noyen, -at fie weder die Feinheit noch Eleganz derselben. Man
trifft hier. ungeachtet der Annahme des neuen Systemes, die Größe der Con-
struction deS Romanischen, Burgundischen in dec Kirche von Langres, gleich-
sam als letzteu Refler römischsn Mertbmns. Das, was die senonische Kathe-
drale charakterifirt, ist die durchaus vereinzelte Caprlle in der großen Abfidc
und den beiden kteinen Abfiden des Transeptes. Wiewohl Sens und Langres
zur Champagne gehören, so gehören diess beiden Kirchen doch weniger dieser
Provinz als Burgund an, sowohl wa« DiSpöfition als architektom'schen Stpl
betrifft." Jch übergehe dis sonstigen Merkwürdigkeiten von SenS, die Kirche
von St. Savinian, das Officialat und das alte Hospital, so wie das be-
rühmte Diptychon, worin fich daS Rituale des sogenannten Esels oder Narren-
festes befand, eines Scandals, wsmit die Kirche nie zu thu» gehabt, gegen
welches fie stets durch erleuchtetr Männer, wie Grrson, nnd durch Concilien-
beschlüsss geeifert, deffen fie ader deßungeachtet hier und da ntcht Metster
werden konnte, wie fie eben so wemg die Erde in ein Himmelreich umschaffen
kann, weil die Menschen vsn ihren Thorheiten und Lastern nicht ablaffen
wollen. Jch wende mlch weiter nach dsr Strecke aufTonnerre und Dtjon zu.
Der Zug folgt nun in einer sanften Biegung fast nach den Weinbergen von
Hochburgund hin, nachdem man noch lange die Kathedrale von Sens im
Anblick hat. Als nächst bedsutsamste Kirche kommt dann auf der dreiundzwan-
zigsten Station jene von St. Florentin, eia Bsuwerk aus dem 15. Jahrhun-
dert, das aber an seiner Hauptfaqade vrel von Renaiffaace hat. Die Reiss
geht dann eine Zeit lang aa dem Canale vorbei, welcher Geine, Rhone und
Saone verbindet, durch die reichea Weinberge Burgundiens auf das roman-
tische Montbard zu.

An auswättige Bereins-Mitglieder.

Unsere auswärtigen Vereins-MLtglieder und Dombau-
Freunde, welche ihre Jahres-Beiträge zum Fortbau des kölner
Domes unmittelbar an die Vercins-Casse einzahlen und die-
selben pro 1859 bisher noch nicht entrichtet haben, ersuchen
wir hiermit ergebenst, die Einsendung baldgefäüigssl be-
wirken zu wollen, damit diese Beträge noch Ln die Rechnung
von 1859 aufgenommen werden können.

Köln, den 27. December 1859.

Der VttMltUligs-Illsschuß
drs Ceutral-Dombau-Verrius.

Extra-Abonnement

auf das

KöLner D o m b l a t t.

Die Bestellungen auf das Extra-Abonnement für den
Jahrgang 1860, welche auswärts bei allen königl. preuß.
Post-Anstalten entgegengenommen werden, wolle man baldlgst
machen. — Der Pränumerationsprer's, dessen Brutto-
Ertrag in die Dombau-Vereins-Casse siießt, beträgt hier
wie auswärts 1« Sgr. für den Jahrgang.

Verantwortlicher HerauSgeber: I. I. NelleS in Köln.
CommissionS-Verlag deS VerlegerS der Köln. Ztg.: Jos. DuMont in Köln.
Druck von M. DuMont-Schauberg in KSln.
 
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