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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1860 (Nr. 179-190)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1806#0032
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Gefialt iheilS eingebüßt, theilS weseitilich verändert. Die fiolzen Kirchthürme,
die fie schmückten, find unter den Streichen einer anderen, weit schrecklicheren
Revolution, der franzöfischen, biS auf etwa ein Fünftel ihrer früheren An-
zahl in den Staub gefunken Mancher von unseren Vorfahren, der die heilige
Stadt noch sah, wü'rde sein alteS thurmgekröntes Köln in dem jetzigen nicht
wiedererkennen. Doch der Krahn dcS DomeS fchaut noch immer in dag weite,
aessgnete Land, unser heimatlichcS Vaterland, Die Slürme der Vergangenheit
find spurloS an ihm vorübergegangcn! Bauen wir an dem Dome, daß die
Thürme himmelhoch emporwachsen! KSlns Ruhtn ist sein Dom. Ruhen wir
nicht, biS er vollendet ist, Gott zu Ehren, seiner heiligen Kirche zum Echmucke
und zur Verherrlichung! Möge GotteS Segen auf dem Werke ruhcn und auch
auf unserem heimatlichen Vaterlande!"

Da inzwischen die Neuwahl drr VorfianLS-Mitglieddr Statt gefunden
hatte, verkündigte Herr Prof. v. Floß deren Ergebmß. Die Wahl fiel auf
die Herren: Bongartz, swck lkeob, Jülich, slufi. ldeol., Josten, swck.
jur., Schall, Worringen, M. G chmitz, slvci. tkeol,Ruland, sluci.pdil.

Echließlich dankte der Ehren-Präfident Herr Prof. v. Dieringer den Red-
nern für ihre Ansprache, insbefondere dem Herrn Prof. v. F l o ß, daß er die
Gefälligkeit gehabt habe, die Versammlung mit seinem Vortrage zu erfteueu,
der ein Bild aus der Geschichte unserer Nachbarstadt Köln vor Augen führte,
und schloß kurz nach 4 Uhr die Versammlung.

Die Vesteigrmg des DomeS.

Gerade im gegenwärtigen Momente, wo die Bedeckung des eiftrnen
Dachgerippes auf dem Lang- und Querschiffe deS Domes nahe bevvrsteht,
erscheint es zeitgemäß, die Mitburger auf den unvergleichlichen Genuß von
Neuem aufmerksam zu machen, welchen die Besteigung deS herrlichen
Bauwerkes gewährt. Biele, sehr viete Kölner haben dies bisber versäumt;
fie kennen nur die gewaltigen und erhebenden Eindrücke, welche der Rieftn-
bau von außen wie von innen in ftiner Totalität anf das Gemüth ausübt,
nicht aber auch deu Hochgenuß, welchen die genaue Betrachtung der einzelnen
Theile in unmittelbarer Rähe gewährt, wo man die Schönheit, den Reich-
thum der architektdnischen Formen und Eonstructionen, so wie die Sorgfalt
dcr Ausföhrung erst recht erkednen und die Trefflichkeit unftrer Bauhütte
würdigen lernt. Da nach der Bedeckung des Daches die jetzt noch ziemlich
sreie Ueberficht in der Höhe nicht mehr vorhanden sein und der Genuß da-
durch in etwa eine Schmälerung erleiden wird, so dürfte eben jctzt, wo wir
uns auch noch in der Mitte der schönen Jahreszeit befinden, der Besuch be-
sonders anzucmpfehlen ftiu. Zu dem Schönen und Jntereffanten, welches
man daftlbst antrifft, muß ferner der in kühner Zusammenfttzung begriffene
Dachretter oder Mittelthurm gezählt werden, welcher in schlanker Form fich
um lSO Fuß über die First des Daches erheben wird.

Für die Mühe des Hi'naufsteigens wird Ieder ffch reichlichst belohnt fin-
den und fich (deffen findwirüberzeugt) mit gesteigerter Begeisterung
für die Förderung des hehren Tempelbaues erfüllt fuhlen. Neue
und bequeme Wendeltrcppen führen hinauf, und täglich ist die Gelegenheit
gegsn eine sehr geringe Abgabe geboten, da, gemäß dem Reglement, fünf
Personen mit einer Karte von fünfzehn SilSergrofchen Zutritt erhalten.

I. I. M.

No« Paris nach Marseille.

Bon Prisac.

IV

Zch bin nun in dem yrlande aller Lauren und der romantischen Schäfer-
Poefie der mittleren und neueren Zeit, dicht an dem weißen Haupte jener
blsuen und schönen Gebirge, worin Baucluft liegt, nicht wekt »on Lisle und
Carpentras, wo fich einst die CardinäH zur Wahl Johann's XXV. versam-
melten; aber die gütigen Leser mögen es mir verzeihen, wenn ich mich hier
in Schäfereien nicht einlasse und, wie es zur Zeit Mode war, gar keine ver-
liebten Canzonen girre, wie das manche Schriftsteller so prächtig können,
denen die Bedentung des Lebens abhanden gekommen: fondern beim Anblicke
der Durance und der halb in Trümmern liegenden Brücke von Avignon, die
so voll Romantik ist, einer christlichen Liebes-Genoffenschaft gedenke, die
wohl in sonstigen Ländern keine ihres Gleichen hatte und an chrißlicher Poefie
nur von dem heiligen Christophorus, der Zierde aller christlichen Dome,
übertroffen wird. Es ist dies jene fromme Brüderfchaft und Genoffenschaft
der Brückenbauer, die in der Provence einen besondercn religiöftn Orden
gebildet, und durch deren Liebeseifer sowohl die malerische Brücke über die
Durance bei Avignon, wie über die Rhons bei St. Esprit ins Dasein ge-
rufen. Die Geschichte jener beiden Brücken, die der christliche Liebeseifer als
Almosen erbaute, rein um Gotteslohn, ohne irgend einefonstige Bergeltung,
liefert uns den Äeweis, daß wir uns hier in dem echten Lande der Roman-
tik befinden. Und wie viele Romanzen mögen allaiendlich vor dem Stadt-
hause zu Avignon gesponnen werden, wenn fich hier die Menge Kspf an
Kopf, in lebhafter Unterhaltung über die Ereignisse des Tages, wie der
Vergangenheit auf- und abwandelnd, ergeht und cin Schauspiel bietet, wie ich
dies bis dahin wenigstenS noch in keiner anderen Stadt gefthen. Daß ein
solches Bolk der franzöfischen Revolution und ihrer prosaischen Gleichmachsrei
hold gewesen, kann man nur denen einreden, welche keinen historischen Sinn
haben; auch liefern die Eiskeller von Avignon davon ganz anderen Beweis. Jch
glaube nicht, daß Avignon je bonapartistisch wcrden kann, wenn ihm auch
rist und Gewaltthat einen solchen äußeren Stempel aufgedrückt. So viel

fich aus einer mehrtägigen Beobachtung schließen läßt, ist das Vvlk von
Avignon religiös, und Religion und Bonapartksmus vertragen fich nur bei
denjenigen mit einander, bei denen der Bonapartismus selbst eine Religion
ist. Dann leistet aber auf das Christenthum, seine Civilisation und Berhcißun-
gen Berzicht!

Mit neuer Wärme erwacht aber die Romantik, wenn man bei der Wei-
terreise die mittelaltcrlichen Thürme von Beaucaire und Tarascon erblickt,
an die Hofhaltung des Königs Renö von Provence denkt und das Regiment
jener Liebeshöfe, welche der dortigen Gegend so eigenthümlich, und die in
dortigen Erinnerungen das find, was bei uns Eiftnach und die Wartburg.
Auch gibt die Architektonik von Beaucaire und Tarasco» ein herrliches,
prächtiges Dild, woran die Gegenwart mit ihren Zerstörungen, ihrcr Flach-
heit und ihrem ordinären Sinn noch nicht in der Weise gearbeitct hat, wie
dies bei so vielen anderen Bauwerken und städtischen Anfichten der Fall.
Wer würde dann aber auch glauben, daß man hier im eigentli'chen Bater-
lande der Troubadours wäre! Der steiflederne Philisterfinn hat es wenigstens
noch nicht ganz hier zur Herrschaft gebracht, wenn auch Manches von dem
Bolksthümlichen durch den Druck der Rcvolution untergegangen sein mag.
Jch will aber nur Eines erzählen, was die Annalen von dem Hofe des
Königs Renatus von Provence berichten und was ganz geeigvet ist, einen
Blick in das phantastische Leben jener Tage zu werfen, gerade so, wie es
auch auf mancher unserer Ritterburgcn vorkam, und von dem uns EinigeS
mit ziemlicher Bestimmtheit von einer unftrer berühmtesten Burgen, von der
Wartburg, gemeldet wird. Es ist aber jenes für diesmal kein Sängerkrieg,
fondern ein cigenthümliches, im Jahre 1449 gehaltenes Turnicr. Der König
feierte diefts Turnier in Gegenwart und unter Theilnahme seiues ganzen
Hofes. Es war eines dcr sonderbarsten, von denen uns die Annalen der
Chevalerie melden, und dauerte, freilich ohnc Blutvergießen, wie das sonst
wohl der Fall war, einen ganzen Tag. Alle Ritter, die Theil nehmen wollten
an dem feierlich angekündigten Turniere, erschienen in dcn Schranken mit
ihren Wappen und Herolden auf prächtigen Pferden, ganz bewaffnet, mit
dem Cuiraffe und Helm, der mit purpurrothen Straußfedern geschmückt war,
aber fie waren zugleich auch als Schafer gekleidet und führten den Schäfer-
stad, die Sackpfeife, eine Flöte, ein Brodkörbchen und ein Wafferfäßchen bei
fich. Der Dauk wurde von einer vornehmen Dame ausgetheilt, die auch im
Schäfer-Costume aufeinem mit Goldstoff bedeckten Pferde mit einem carmoifin-
rothen Stirnblech erschren, das zwei zu Fuß gehende Jünglinge führten;
eine Herde Schafe ging ihr voran; jene trug ein Kleid von graucm Damast,
das mit Pelz gefüttert und am Rande besetzt war, einen kleinen mit Blumen
bedeckten Hut und cincn mit Silbcr verzierten Schäferstab. Auf der einen
Seite hatte fie ein filbernes Wafferfäßchen am Gürtel hangen, auf der an-
deren ein Brodkörbchen. Sie hatte ihren Platz während dcs Turniers in ei'ner
Laube, die von Baumzweigen geflochten und mit Blumen geziert war und
an einem Ende dcs Turnierplatzes neben einem Baume stand, an dem die
zwei Hirten-Ritter, die das Turnier hielten, ihre Schilde aufhängten. Der
Sieger in dem Turnicr hieß Louis de Beauveau. Außer der Laubhütte der
Schäferin war oben auf dem Turnierplatze noch ein Gerüst für den Äönig
Renatus, die Königin und ihr Gefolge nnd ein anderes für den Kampfrich-
ter erbaut. Ferri de Louvraine brach vier Speere und erhielt auch den Preis;
er nahm abcr den goldenen Zweig mit dem Strauße nur, um das Haupt der
schönen Schäferin damit zu schmücken, worüber die ganze Versammlung in ein
lautes Freudengeschrei ausbrach. Wir müffen gestehen, daß die ganze Erzäh-
lung allerdings eine Lücke hat und manches darin nicht verständlich scheint,
was wir dcn Kritikern überlaffen, eben so wie die Meisterschaft von König
Renatus in der Malerei, wie wir das schon bei Gelegenheit eines Bildes
in dem Hospital zu Villeneuve, Avignon gegenüber, geäußert. So viel ist
gewiß, die Volksfeste um Tarsscon hcrum haben fich bis in die spätereu
Zeiten erhalten. Sie hatten abermehr einen religiösen Charakter und waren
mit einem großen berühmten Jahrmarkte verbunden; man seierte nämlich
das Fest der heiligen Magdalena und ihrer Schwester Martha, die hier ge-
storben. Denn der Tradition zufolge hatten dieJuden nach der Auferstehung
deS Heilandes, so wie der Auferweckung des Lazarus, auch gegen dieft Fa-
milie ihren besonderen Haß gerichtet. Sic wurde daher zn Jaffa in einem
Kahne ausgefttzt und den Wellen des Meeres Preis gegeben. Diese aber
brachten Alle wohlbehalten nach Marftille, wo fie die erken Verkündiger des
Christenthums wurden und durch Lehre und Beispiel di'e Macht der Abgötterei
nnd des höllischen Drachen brachen. Man scheint das Leben dieser berühmten
Heiligen in der Provence mit großen dramatischen Vorstellungen, worrn fich
die Bolkspoefic zuerst entwickelte, gefeiert zu haben. Man zog mit einem
großen Drachen umher, der durch das Kreuzeszeichen u»d durch das Gebet
der gefeierten Freundin dcs Heilandes überwnnden wurde und Tausende von
Zuschauern wie von Theilnehmern um fich versammelt hatte. Es kann in-
deffen hier nicht der Ort sein, jene Festlichkciten, in wclchen man zugleich
auch die ersten Anfänge der christlichen Kunst in jenen Gegenden suchen muß,
näher zu beschreiben, um so mehr, als uns der Zug gar bald weiter bringt.

Die Kirche der heikigen Martha in Tarascon ist ein Gebäude von fthr
schöner Construction und malerischer Wirkung, und ist ihren Hauptbestand-
theilen nach ein Werk der frühercn Gvthik, obgleich man nach den vorhan-
denen Nachrichten bis gegen Endiffdes 14. Jahrhunderts daran gebaut. Man
fttzt nämlich den Beginn derselben in das Jahr 1187. Sie hat ein ehrwür-
diges schönes Portal und einen prächtigen Thurm, so wie im Ganzen, selbst
an den jüngeren Theilen, eine edle Architektonik. Die Straße der Hallen in
Tarascon mit ihren malerischen Marktgewölben gewährt einen prächtigen,
fast oricntalischen Eindruck. Man glaubt einen afiatischen Bazar zu erblicken,
der fich besonders zur Zeit des grvßen Marktes mit Costumen und Phpfio-
gnomieen aller Art füllt.

Auch die Schloßruine von Beaucaire, auf dem Plateau eines nach der
einen Seite jähen Felftns,macht einen romantischen Eindruck und ist ein Bau-
werk von Bedeutung. Wie vicle Völker haben hier gehaus't und theilweift
auch für eine Zeit lang ihren Stab niedergeftßt! Griechen, Gallier, Römer,
Gothen, Sarazenen, Deutsche! Fast alle haben ihre Erinnerungen in jenen
Landestheilen zurückgelassen und ihren Stempel auf die Gegend gedrückt.
Dies ist jedoch nirgendwo bestimniter ausgesprochen als in Arles, wo auch
der Menschenschlag von einem eigenthümlichen griechischen und sarazenischen
Typus ist. Die Stadt selbst trägt einen römischen Namen, Xra lata, und
fie war lange Zeit hindurch di'e Hauptstadt des mit dem deutschen Reiche
verbundenen arelatischen Reiches. Man fieht hier ein römisches Theater und
 
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