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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1867 (Nr. 262-269)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1827#0015
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Ndanar's Schrift in der »weiten Hälfte des zwSlsten Jchrhunderts interpolirte.
Erst nach dreitägigem Fasten zeigte ein Trmimgesicht dem Kaiser die Stelle, wo
fich das Grab befand, und nachdem dann Karl aufgefunden, „fitzend auf golde-
nem Stuhl unter dem Bogen des Grabes unter der Marienkirche, gekrönt mit
ein->r mit Gemmm befetzten goldenen Krone, haltend das Schwert und das
Scepter von reinstein Golde", wurde der unversehrte Leichnam erhoben und dem
Boire gezcigt.

Noch ausführlicher weifi die (zwifchen 1030 und 1048 entstandene) Chronik
von Novalese die Eröffnung des Grabes darzustellen; sie legt die Erzählung
einem Begleiter Ltto's, dem — sonst nicht genannten—Grafen Otto von Lomello
in den Mund. Unsere Abhandlung gibt alle diese Stellen in treuer Uebersetzung;
die lateinischen Texte sind in den Noten an einandcr aereiht. Genaue AbwäMing
drr Glaubwürdigkeit jedes einzelnen Zeugmsses, der Wahrscheinlichkeit der berich-
teten Thatsachcn, sührt den Verfaffer schliefilich zu einer Ansicht, der wir nur
zustimmen können. Jn den ausführlichen Benchten deS Ademar und seines Jn-
terpolators, so wie des Novaleser Chronisten, habcn wir nur Ausläufer jener
Sagrnbilduna zu sehen, die sich schon so ftüh der grofiartigen Erscheinung Karl's
bemilchtigte, die immer wunderbarer, immer phantastifcher >ein Leben und Thun
gestaltcte und die nur in dem geheimnißvollen Grabgewölbe des aachener Münsters
eine ihres Helden würdige Ruhestütte zu finden vermochte. Nicht blofi die la-
teiuisch geschriebenen Klostergeschichten enthalten die phantasttsche Bejchreibung des
Grabes, auch die populäre Pvefie der fraszösischen üttansoiiL äs §este kennt sie,
und so heifit es im Oouronnement öe I-ouis:

lel ssxulturs n'ara w»i» rois en tsrro:
ll os ßist inis, aingois i sist aosrtes....

8us sss xsnolr, I'sspss sn son xoing ttestrs:
klncors menses Is puts gent avsrse.

Hat doch die poetische Ausschmückung des Stoffes noch im verfloffenen Jahre
ihre Niederschlüge in dem Werke eines nassauijchen Ober-Schulraths und in dem
neuesten Handbuch deutscher Alterthümer abgesetzt. Auch Thiers läfit, wie aus'm
Weerth in den Jahrbüchem des Bonner Alterthums-Vereins, Heft 39 und 40,
S. 267, hervorgehoben, Napoleon in das Tvdtengewölbe Karl's d. Gr. hinab
steiaenl

Was jene ausländischen Quellen berichten, enthält aber unzweifelhaft den
Kem geschichtlicher Wahrheit, den wir aus den einheimijchen Annalen kennen,
und so mögen sie uns immerhin sogar einzelne Wiuke geben, die für die Be-
stimmung der Localitäten von Bedeutung find.

Nach ihrer Auffindung durch Otto ruhten die Gebeine des Kaisers von
Neuem über anderthalb Jahrhundert, bis Friedrich der erste fie für immer aus
der Stille des Grabes erbob.*)

Jn Bezug auf den Bebälter, der unmittslbar vor und nach der letzten Er>
hebung die Gebeine umschloß, gchen die Nachrichten der Oucllen aus einander
und laffen verschiedener Deutung Raum. Der Verfaffer entscheidet sich (S. 26)
für die Ansicht, daß die Ueberreste Karl's durch Friedrich I. dem bekannten, mit
der Darstellung des Raubs der Proserpina geschmückten Sarkophag entnommen,
vorläufig — wie eine Quelle berichtet — in eine hölzerne Lade, und dann, nach
der Krönung Friedrichs II., in den Reliquienschrein gelegt worden seien, der sie
noch heute virgt. Der ersteren Annahme wird unbedenklich zuzusttmmen sein;
fraglich bleibt dann nur, ob erst Otto III. die Gebeine in den Marmorsarg ver-
schloß, oder ob die Leiche Karl's schon814darin beigesetzt wurde. Für die Be-
nutzung des antiken Sarkophags gleich bei dem Begräbnifi spricht die Parallele,
welche v. Ouast in einem unten zu nennenden Ausfatze beibringt. Ludwig der
Fromme wurde zu St. Arnulf in Metz in einem alterthümlichen Sarkophage
veiaesetzt. Gegen die Benutzung würde, meines Erachtens, der Umstand streiten,
dafi der aachener Proserpina-Sarg für die Leiche des Kaisers zu kürz und zu
eng erscheint.

Was den Karlsschrein betrifft, so haben die kunsthistorischen Untersuchungen
von aus'm Weerth: „Kunstdenkmäler des christlichenMittelakters" (II. I08ff),
denen fich Bock: „Karl's des Großen Pfalzkapelle" (l. 99), im GanM an-
schließt, durch genaue Vergleichung der technischen und ornamentalen Elgettthüm-
IWeiten festgestellt, daß dieselben durchaus der Zeit Friedrich's I. enffprechen
und demgemafi das Reliquiar höchst wahrscheinlich mehrere Decennien vor Frie-
drich II. ferttg geworden ist. Der crstgenannte Gelehrte glaubt denn auch an-
nehmen zu können, es fei bei dem von fast allcn Ouellen gerühmten prächtigen
Gefäß der Karlsschrein gemeint, in diesen habe Barbarossa sofort die Gebeine
gelegt. Zwar sei der Schrein vielleicht nicht ganz ftrtig aewesen und man habe
daher mit der seierlichen Uebertragung und endgülttgen Äusstellung — vielleicht
auch nur mit letzterer — gewartet, bis Kaiser Friedrich II. nach Aachen ge-
kommen sei.

Es dürfte nun unzweifelhast sein, daß der Schrein Ende des Jahres 1165
vei der Canonisatton nicht sertia war — find doch auf seinem Rande die Worte
des falschen Freibriefs Karl's ves Großen angebracht, welche erst durch die
Bestätigung Barbaroffa's am 8. Januar 1166 Bedeutung und äußere Gültig-
keit erhielten. -

*) Die einschlägigen Stellen sind Seite 32 abgedruckt; es sei gestattet, ihre
Reihe noch durch folaende zu vervollständigen:

slirasulü 8. Ilsinrioi, Llon. (Isrm- 8. 8. IV. S. 615. „suwqus
(den Bischos Werner von Ploch) oum ckoniö re§ism msZnitiosutiLm cksesntidus
äck imperatorem Xguisgrani morantsm (1165 vee.) st osss Laroli msZni
levst» in tbeei« anro gemmisgus eontsotis rsooncksntew, ckirsrsrunt."

^.nnales Rsmsnsss st Oolon. eoä. XVI. S. 733. „1166 Imps-
rstor oorxus Xaroli magni ^.guis cks tumulo levavit."

^un. Lamsrsosnses eock. 8. 588 »ck 1165. „Domnus k'reckerious
semper ^ugustus äomni 6voli Llaxni corxu» cko ssrtopbsxo sustulit st in
vsso sureo äiligentsr st bonoriües restituit."

Kaulreckus oosnobit». Iskkö Xov. bidl. II, 314, krsstsre» I'rs-
ckerieus eorxus Lsroli blsgni slsvans » tsrr», in o»ps» »ure» inttniti pretll
lapickibus ckscorst» collocsvit. Ilrtune sutboritats metropolitsni 6oloniensis
^guisgrsni solemnitss cke socksm 6»essre ^.ugusto ortbockoro, »icut cks ssncto.
I^xitur, ouss xrins üeb»t äe- Lckeli ckeluncto.

Di« lakonischen Xnnalss ^.quenses haben nur die dürstigeNottz: „1166.
ksct» sst trsnslstio ssnottssimi klsroli impsrstoris, V ckie post nstsls ckoniini";
der sonst gut unterrichtetr 6isilbsrtus üsnnonisnsis hat kein Wort.

Dann ,st aber auch anzunehmm, dafi er nicht sofort in Benutzung «.
nommen, dafi vielmehr zur prvvisorifchen Unterbringung der Gebeine ein ,v!ytt«s
wurdiges Gefäfi bcschafst wurde, und auf dieses letztere würen dann die Stellen
zu bezlehen, die von einem lovellum liZnsum oder leretrum »rxsnteum reden.
^ - 'cht gesäumt,

> der Verfst

- . . - . - --. auftufaffen ___

Dle Zeitgenoffen aber kannten dann nur das noch eristirende grostattige Kunst»
wett, und diefes allein wurde von den meisten Geschichtsschreibern gleich bei der
Erzählung der Erhebung und Cansnisation srwähnt.

Die verschiedenm leitdem vorgekommenen Eröffnungen des Reliquiars er-
wähnt Herr Haagen S. 27. Näheres über die, welche 1861 Stalt sand. ist
von Bock, „Karl's des Großen Pfalzkapelle" S. 110, mitgetheilt. — Und wenn
uun auch das Grab des Kaisers nicht das grofie kunstreiche Gewölbe gewesm
ift, das die Bettchte des französischen und des italienischen Chromsten nothwm-
dig voraussetzm, gegen deffen Dasein aber schon die architektonische Anlage der
Pfalzkapelle zu sprechen scheint, — ist denn auch jede Svur einer bescheidmerm
Construction, eincs minder aufiergewöhnlichm Grabes verschwunden? Die ver-
schiedmen mit Ausdauer wiederhostm Nachgrabungm in der Kirche selbst haben
andere Resultate crgeben, welche der Verfaffer S. 26 ff. kurz andeutet; zur
Lösuna diejer Frage haben sie nichts beigetragm.

Erst im verfloffenm Jahre find Entveckungen gemacht worden, die zu dm
alten Räthseln neue fügen, die aber doch auch neue Gesichtspuntte bittm, nmm
Combinationen befferm Anhalt geben. Diesen sind nun die letztm Sciten Her
uns vorliegmden Schttst gewidmet.

Nördlich von der an der Nordseite des Octogons angebautm Krmzkapclle,
hinter der Armenseelenkapelle, die westlich ihren herrlichm romanischm Abschlufi
nach dem Kreuzgang; des MünsterS hin bat, an ttnerStelle, welche der Süulm-
gang höchst wahrschemlich berührte, der m karolingischcr Zeit die Pfcffz mit dem
Biünster verband, haben umfangreiche Ausgrabungm die schweren aus verschie-
denen Pettoden herrührendsn Fundamentinmgen ttner viereckigm Anlage und die
Reste eines hierüber liegenden jüngerm Bauwetts bloßgelegt. Die Breits des
Vierecks, in oeffcn Mitte sich auch noch Mauerreste vorfinden, beträgt 21, jcine
Länge 16 Fufi, eine spätere halbkreisförmige Msche von 6 Fufi, 6 Zoll Halb-
meffer schließt sich daran an.

Man hat gleich nach der Entdeckung dm ftühm Ursprung des tiefer liegm-
den Mauerwetts angenommen, und die Ansicht, daß hier das Grab Karl's sich
besunden haben könne, wurde bald ausgssprochen. Was fich sür diefe Ansicht
ansühren läßt, hat Herr Haagen kurz zusammengeftellt. Sie findet ihre Haupt-
stütze in den Worten des Znterpolators des Ademar, dem eine gewiffe Kemstnifi
ver Oettlichkeit wohl kaum abzusprechen ist: „6orpus vero Laroll couckituw iu
cksxtro mswbro basilloae ipsius rstro »ltare s»uoti ckoanni» baptistas." Die
Bezeichnung der Localikät ist in so sern passend, als diese Nebenkapelle treffend
wswbruw b»sillo»o genannt werdm kann und die Evangelienjeite die rechte
Seite der Kirche ist; nur zwingt sie zu der Annahme, der Geschichtsschreiber
habe dm Altar der Armenseeleukapelle, den ein Ritualbuch des I5.Jahrhuiiderts
aufführt als dem h. Johannes dem Evangelisten geweiht, entweder irrthümlich
als dem h. Johannes dem Täufer gewidmet bezeichnet, oder der ursprüngliche
Titel sei im Lause der Zeit vrrandert worden. Die Darsteüung des Jnterpola-
tors zwingt jedoch, meines Erachtens, durchaus nicht zu der Jnterprelcstion,
Otto 111. habe die Ueberreste Karl's des Grofien an einer anderen Stelle bei-
gesetzt, als an der, wo er sie gesunden. Eine einheimische, gleichzeitige Ouelle
— denn nur so kann ich Thietmar's Bericht verstehen — und daS Chromto»
Novalittense sagm ausdrücklich, Alles sei an Ort und Stelle belaffen woxden.
Dem Jnterpolator ällttn gehött die iltachricht an, cs stt auf Olw's Geheifi cine
„cript» »ure» wiriüc»" über dem Otte hergestellt worden, wo Karl's Gebeine
ruhten. Von einein solchen Prachtbau weifi die solgmde Zeit uicht das Mindeste;
keiner der Bettchte über die erneute Erhebung unler Friedrich I. erwähnt ein
aus srüheren Jahrhunderten stammendes Monument. Der prachtliebende Iüng-
ling mag auch wohl in den letzten rastlosm Jahren seiner kurzeu Laufbahn nicht
meyr die Muße gesnndm haben, einen seium grofiartigen Neigungm entsprechen-
den Bau über dsr <stelle zu errichten, wo er das Grab seines grofien Por-
gänaers entdeckte. Das jchliefit aber nicht aus, daß in irgend einer anderm
Weise dieser merkwürdige Ort bezeichnet, das Andenken an den dvrt nchcnd^n
Karl aufgeftischt wurde. Dürfen wir glaubm, eine glückliche Fklgniig häbe mis
ein solches (vielleicht nur provisottsches) Zeugniß aufbewahrt und merde diese Ent-
deckung als neuen Ring in die — übrigens durchaus von ihr unabhängige —
Kette von Jndicien fügm, welche uns dem Kaisergrabe immer näher zu bringm
schttnen?

Unmiüelbar hinter den obm besprochenen Constructionen wurds am 26. (die
nmeren Bettchte nennen dm 27.) Februar 1866 als Deckplattc eines Canals
ein Stnn aesunden, deffen Matettal mit dem des Octogons übereinstimmt, deff»>
Form aus frühere Einsügung in einen Bogen hmweist, deffen flüchtig und nach-
läjfig eingegrabene Jnschttst einer beftiedigenden Lesung arofie Echwiettgkeitm
entgegensetzt, unzwttjelhast aber stmf Karl's des Großm Gedcine fich bezieht.

Gegm die Echtheit dieser Jnschttst hat sich sehr bald in Aachen ttnc Agi-
tation entwickelt. So wenig man des Steins bedurfte, um die oben kurz inilge-
theilte, an das doch unzweiselhaft echte Mauerwerk sich anschliefiende, Hypotheje
von der Lage des KaisergrabeS zu stützen, so sehr schien er doch dieftlbe zu be-
stättgen und der Stelle, wo er gefunden, einen Anfpruch auf unverändette Er-
haltung zu gewähren. Mit einem Wort, das Resultat der Nacharabungen, z«
denen man stch spät genug bequemte, legte dem Project eines Ausbaues der
Kreuzkapelle nach Nordcn im wahrstm Sinne des Wortes einen Stein in dm
Weg Es scheint nicht überflüssig, anzudeutm, auf welcher Sette das Jntereffe
am Nachweift ttner Fälschung timt, und es bedars kaum der Bemerkung, dafi
von dieser Seite auch zuerft die Verdächtiguna des Fundes ausgmangm i,t.

,Herr Haagen hat (S. 29) mit der Gewifftnbasttgkest und Borstcht, welche
der Forscher in histottschm Dmgen sich zur Psticht machm mufi, die nölhigm
Mittheilungm über die Jnschttst gemacht. Er hat über ihre Echthest seme An-
sicht nicht airsgesprochm, nicht einmal ihre Lesuna, sondern nur d,e Feststellung
ihrer Entstehungszeit durch Prüfung der Buchstabenformm versucht.

Seitdem haben sich gewichttge Sttmmm gegen die Echthest ausgesprochm.
So lange die betreffendm in d-r berliner Akademe gehaltme» Borlrage dmi
srößeren Publicum nicht zugänglich gemachl find, rst es auch mcht möglrch, ore
dort vorgebrachten Gründe zu prüfen. Anderersests hal-naber doch auch be-
sonnene und erfahrme Männer ihre Ansicht von der Echtheit der Fnjchnst jest.
 
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