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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1867 (Nr. 262-269)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1827#0032
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Capellt zu bloß gottesdicnsllichem Gebrauche daraus zu machen, wird mrr von
Tag zu Tage jchwerer. Er slimmt vielmehr jo ganz genau mit den Angaben
des Ademar, als wäre er von Ansang au nur sur die GrabstSlte des großen
Äaijers gebiut. Und doch widerjprechen dem die Worte des Eginhardt. Dieser
jpricht sich nämlich über das Begräbniß Uarl's solgender Maßen aus: „Man
war Ansangs uneinig, wo inan ihn beijetzen sollte, weil er selbst in seinen Leb
zeilen nichlS darüber bestimmt hatte, znletzt aber vereinigten fich alle dahin
nirgends könne cr eine würdigere Grabstätte sinden, als in der Kirche, die er selbst
aus Liebe zu Gott uud zu unserem Herrn Jesu Christo und zu Ehren der

h. Jungsrau in Aachen aus eigene Kosten erbaut hatte. Hier wurde er nun bei»
gesetzt, an demselben Tage, wo er gestorben u. i. w." Diese Worte sind so be-

gesetzt, an demselven Lage, wo er ge,iorvcn u. w. »ne,e -urorie ,ino 10 oe«
stimmt und gewichtig, dast sie allen bisherigen Nachgrabungen nach dem Grabe
Karl's des Großen zuni Führer gedient; aber leider haben dieje Nachgrabunge»
bisher nicht zum gewünschten Resultate gesührt. Denn alle Forschungen naö >
dem Grabe Karl's des Großen und alle jene Nachgrabungen in der hiefigen
Münsterkirche, die n»n zu zwei verschiedenen Malen im Ganzen einen Monat
gewährt, und mit Ausnahme eines kleinen Fleckens den ganzen Boden der Kirchs
durchwühlt, haben auch nicht eine Ipur des Grabes Karl's des Grosten nachze-
wiesen, ja, nicht einmal die Möalichkeit desjelben gezeigt. Wir werdm daher
zuletzt doch genöthiat sein, den Worten des Eginhardt keine so streng« Deutung
« aebkn, sondern sie im Sinne ihrer Zeil zu fassm, wonach auch die Nebmge-
bäude zur Kirche gerrchnet wurden. Mr werdm aber bei Beerdigungm hierzu
um s« mehr genöthigt ssin, als diese in dem eigentlichm Heiligkhume damals
noch nicht gestattet waren. Dies ging so weit, dast selbst die Päpste in den
ersten acht Jahrhundcrlen nur in dem Umgange odrr Vorhofe von St. Peter

innerhalb.. . ,-. W >,

nach unseren gegmwärtigm Begrisfm varaus Anjpmch gehabt. Denn er is
gleichsam ihr zwetter Begründer, er ist der Hersteller ihres rn den Bürgerkrieger
zerruttetm BermSgms «rd eines Glanzes, wclchen die Kirche auster der Persönl
: lichkeit tkorl'S des Grostm nre deseffen. So erwirkt« er unler anderen Dingen
auch von dem Papst« Gregor V. daS Privilegium der VH Cardinalpkicster und
Cardinaldialoiren zur Verherrlichrmg des tirchlichen Dimstes an dem Münster zu
Aachen, das er sich zu seiner Grabstätte ausersehen, während sein Valer in dem
Bvrhose v«r St. Peter zu Rom beerdigt wurde. Auch Otto III. starb, w!e jmer,
in Jtalirn. Es war ein schrecklicher Zug, der Leichenzug vo» Paterno, wo
Ottv U1. verjchied, brs nach Aachen hin, und doch ward er hier nicht in der

«igeiitliche« Kirche begrabm, wi« die letzten Unterfuchungm zur Wiederaussindung
- - ..... GrHen nachgewiesen, sondeni außerhalb der altenChor-

des Grabes Karl's des . . .

nisch«, ganz nach dem Capitulare Theodulj'S von Orleans vom Jahre 813:
krob1b«uäuu> oti»m »oeuuckuiu migoruiu iustitut», ut iu LoLlvsi» uullotenui
»«p«U»o1ur, s«ä iu »trio, »ut io porticu »at «»sclr» Loolesi»«. Intr» eools
»i»u> rero props »It»rs, udi oorpu» äowiui «t »»oguis oooüoitur, uullsteous
l>»b«»ut Iio«oii»u> »«xsUeuäi. Stach Bintrim in seinm Denkivürdigkeilm hat
lmch das «vuoiliuw bi»wst«o»e benselben 6»uou. Hier werdm drei Plätze be-
fiimmt, die zwar außer der Kirche find, aber doch zur Kirche gerechnet iverden,
ttämlich »triuw, portiou», »reär». Es bleiben demnach die Worte Eginhardt's
ausrecht, wenn Karl der Grvste an einer dieser Stellen beerdigt wordm. Dast
«s aber in Rom in imen Ieiten mit den Begräbniffm so gehaltm wnrde, sehen
wir aus Bunsm's Beschreibung der Stabt Rom. Hier heistt es nämlich Band II,
Eeite kl: „BiS ausLeo, dm Großm, wurdm diePäpst« in einem der christlichen
Gottesäcker bestattet, wo nach den beidm Vorgängern Leo's der h. CSlestinus iu
dem Kirchhofe der h. PriScilla an der salarischen Straße und der h. Xystus III.
in der Grotte an dem tiburtinischen Wege, wo der Leichnam des h. Laurentius
ruhte, beerdigt wurden. Leo der Groste war der erste Papst, welcher in der
Vorhalle der Sacristei begraben wurde, von nun an finden wir in der Regel
alle Päpste der nächsten Jahrhunderte hier und in dem nahe liegenden Theile des
Portims bis zur port» zuSivi»ri» bestattet. Namentlich liegen hier, nebm Leo
dem Grosten aus oem V. Zahrhundert, noch Simplicius I. und Gelasius 1. aus
dem VI., SymmachuS Bomsacius II., Johann II., Pelagius 1. uud Johann IU-
Der Rachsolger von diesen hingegm, Benedict I., ward nach Anastasius inner-
halb der Sacristei begraben. Ferner lagm in dem Porlicus Bonisaz III. und
IV., Severinus, Johannes IV., Theodor I. im VII. Jahrhundert, Sergius I..
Zacharias I., Stephanus II. im VIII. Jahrhundert." Und doch warm diese Männer
uach Pagi sämmtlich Heilige! Die weltlichen Großen bauten sich in der nächsten
Umgebung von St. Peter, und zwar miltels eines eigenen Privilegiums, beson-
dere Mausolem. Wir kennm als ein solcheS Grabmal das Grabmal oder
die Todtmcapelle der Anicier in Rom. Das Grabmal Karl's des Grosten, das
Grabmal Otto'S UI. war vielleicht nach analoger Weise errichtet. Das Grabmal
der Anicier, dicht an St. Peter m Rom, war eine kleine Basilika mit Schiff,
Altar und Tribune, und wurden darin beigesetzt: Syxius, Anicius, Pelronius,
Probus, dessen Gemahlin Anicia, Proba Falconia von Augustin, Chrysostomus
und Hieronymus, wegen ihrer besondcren Frömmigkeit und geistigen Aniagen
geprie>en. Erfterer starb 395 und ward in einem mit köstlichem Biidwerk ver-
sehmm Marmorsarge begraben, der jetzt in der neum Peterskirche neben der
Capelle della Pieta steht. Die kaiserliche Grabslätte war an der südlichen Seiten-
mauer der Basilika. Hier ruhten namentlich bie beiden Töchter Stilicho's, Maria
imd Ternantia, Gemrhlinnen des Kaisers Honorius.*) Allcs, was uns die
Echriststeller von diesm Grabstättm erzählm, ist nicht ohne Erbcblichkeit sür die
Grabstätte Karl'S des Grosten, der als römischer Kaiser und Patrizier fich auch
römischm Gebräuchm sügte. Iudcm war ja die alte KrönungStirche in Aachen
das Nachbild der alten Patriarchallirche zu Rom. Sie haüe einen Lateran,
Cardinalpriester und Cardinaldiakone, wie kier, und wir werdm noch weiter
hören, wie vieles man zu Rom findet, was die alten Schriststeller von der Grab-
stätle Karl's des Großen in Aachen derichten. Lelbst der niit Sculpturm ver-
sehene Marmorsarg, worin der oben genannte Probus bestattet worden, erinnert
an dm gegenwärtig noch in Aachen befindlichen antiken L-arkophaa init dem
Raube der Proserpma, deffen Bestimmung im Grabe Karl'S des Grosten unseren
Antiquarm allerdings manche Verlegmheitm bereitet und wahrscheinlich desthaib,
weil man zwei verschiedme Vorstellungen zu vereinigen gcsncht, worin jener dem
alten Kaiser in seinem Grabe zum Schemel gedient, waS wohl das Unsinnigste
ist, das man dmkm kann.

*) Vuisen und Plattner, Beschreibung der Stadt Rom.

Als

Kaiserinnen und wahrscheinlich auch dem Kaiser Honoriüs zum Grabe gedient,
die srüher unter dem Namen des Niausoleunis bekannt, spätcr aber in ein«
CapeUe verwandeit wurde, sand maii Sarg und Gebeine beidec Kaiserinnen mit
unsäglichem <-chinucke und einem Goldblech, worauf die Namen der vier Erz-
mgel Michael, Gabriel, Rasael, Ariel, eingegraben waren. Das ausgebraimte
Gold wog 6V Pfund. Wie viele Analogiem findet man in diesen Dingen, die
be Karl's des Krnüen erräklt!

man sich von dem Grabe Karl's d«S Grosten erzühlt!

Wenu ich mir nun auch gleich nicht verhehlm darf, dast das Zeugnist eines
Schriststellers, wie Eginhardt, in der fraalichen Slngelegenheit von der höchsten
Bedeuluug sein must, wenn die Worte desselbm m dem strictesten Smne zu
nehmen wärm, und nicht in jenem, von dem wir bereits oben Erwähnung ge«
than, so kayn ich mich doch, wenn ich das Gesagte zusammmsaffe, des Gedankens
nicht erivöhren, daß wir in d«m Fnnde vom 16. Februar dieses Jahres das so
lange gesuchte Grab skarl's des Grostm haben. Jch kann mich dieses Gedankens
um so wpiiaer enlschlagen, wemr ich daS ganze Lrchüekturwerk, das ich stündlich
vor Äugm habe uyd aus der Vogel-erspertive betrachte, nach seinem möglichcn
Zwecke prüfe. Es kann dies seinrr ganzm Emrichtung nach kaum etwas AndereS
sein, als ein Grab, aber' keineswegs e!n Grab gewöhnlicher Art. Es ist ein
Kaisergrab nach römischen Analogiem. Aber aus wen kann dieses Kaisergrab
passen» Ständs das Werk in Rom, in Ravenna, in Konstantinopel, so würde
man es nach dem Einen oder Anderm benennen könnm, aber in Äachen kan»
man an keiiien Anderen denlen, als anLarl dm Gresten. Wir wiffen, dast der
gewaltige Mann, dem Europa seine Cultur verdankt und die Völker eine tausend-
jährige Einrichtuug ihres Staatslebms, in Aachm begraben ist, nach den
Worlm Eginhardt's in der Kirche, was nach der obigen Erklärunb auch sür
einen Porlicus, eine Exedra, oder ein sonstiges Anhängsel der Kirche geltm
kann. Wir wiffen a« Ademar, dast s«j» Grab hier.Purch Olto III. eröffnet
und lesen bei der Gkiegenhelt einö Beschreibung, die ein Architekturwerk voraus-
setzt, gerade wie dasjenige ist, das wir rm Febmar dieses Jahres vorgefundm
haben. Wozu soll wohl ein GebSude dienm, das ganz wie eine alte Kirche ge-
ftallst, ein^.Ehornische mit einem erhöhten Chor hat, auf dem auster deui Altar

wohl Tönst keni Platz mehr ist, im Jnneren einen viereckigen vertiesten Raum
wie eiuc GxabkammSr hat, sür den Aiistritt auf das Chor aber einer besonderen

Treppe l Htzrjte. die einen grosten Theil des verliesten Raumes selbst einnähme?
Die alte, eine Zeit läiig wankcnd gewordene Vorslellnng nach dem Berichte deS
Ademar, daist der Kaiser in seinem Grabgewölbe auf goldenem Throne ge-
seffen, mit dem Evangelienbuch auf seinen Knieen, ist wieder zu Ehren ge-
kommm. > u

Jn der Kirche selbst hat man nun allcrdings nach einem solchen Raume

umsonst gesucht, aber wie p^stt die ganze Vorstellung, wenn wir unseren letzten
Funh aniAen? .. ' "

_i. - - Wenn wir uns hier das Grab Karl's des Grosten denkm, dann

ließe es stch auch leicht erklären, wie das Andenken an dasjeibe allmählich ver-
Loren gehen konnte, besonders wenn wir aus die Worts der Schriftsteller achten,
wclche inelden, dast erst von dem Tage der etwas bedmklichen Canonisation duv

einen Gczenpavst, einen schismatischen Kaiser und einen jchismatischen Erzbischo
das Grab Karl s des Grosten ansing 1ä.

___^... täglich berühmter zu werden, und dast diese

Berühmtheit üiel von ekuer politischm Tendenz hatle, die später ihre Bedeutung
verloren. Man wird gewiß nach der ganzen kjrchlichen Praxis bei der Erhebung
der Heiligen auch auf die Erhailuna und Ausschmückung des GrabeS Kari's deS
Großm Bedacht genommen haben, besonders im Ansange. Es wäre dieses ganz
leicht gewescn, wmn es inüerhalb der Kirche sclbst stand, ganz anders cwer,
wenn es sich au dem Orte unseres gegenwärtigen Fundes befand. Hier war es
dem Einslusse der äusteren Luft und sonstiger Verheerungm PreiS aegeben und
konnte um so eher in fich zersallen, als es von Ansang an mit besonderer Eil«
sertigkeit gedaut wan Aber was ist noch außerdem seit jenen Tagen nicht AlleS

um den erhabenen Münster henim zusammengesiürzt, was, wie jener solide Bau.
nicht Stand halten konnte, vor Feuer, Lust, Erdbebm und sonstiger Verheerung l

Der Schutt selbst, deu Brand und sonstiges Ünglück von dem Hauptgebäude auf
das Nebengebäude warfen, mußte dreses erdrücken und begraben.

Wenn sich nun in den srüheren und sehr sorgsältig durchgesührlen Nach-
arabungen in dem hiefigen Münster auch keine Spur von einem Grabe des großen
Kaisers gsfunden, der Bericht des Ademar selbst über die Eröffnung unter Olto III.
in Zweisel gestellt worden, so wird durch den letztm Fund Alles leicht crllärlich,
ja, der ganze Context des angegriffenm Schristjtellers setzt sogar ein Architektur-
werk voraus, das nicht anders sein konnte, als wie wir es gegemvärtig habm,
ein Grab mit einem Gewölbe, ein Grab in dem der Kaiser auf dem Stuhle saß,
em Grab, in wekches der Kaiser mit semem Bealciter hineinsteigm konnte. Wo hätte
ein solches Grab in der Kirche stehen können? Wir haben daher lange Zeit den
Bericht des Ademar für avokryph gehalten. Aber sein Bericht paßt so genau
mit dem letztm Funde, daß, wenn ein Baumeister die Ausgabe gehabt hätte, nach
demselben ein eigenes Werk zu errichlen, er dieses kaum anders gekonnt
hätte. Auch ist Aoemar in seinm Worten noch viel bestimmter als Eginhardk,
er sagt: 1» äexlro MLmkro eoolosiso rotro Lltsrs 8. ckoaorii» Il»ptist»v. Er
sagt nicht einfach Kirche, sondern mswbriuv eoolesiae, und bestimmt zu gleicher
Feit einen Altar, der gerade an der Stelle unseres Fundes gestanden, wenn auch
ier ein Jrrthum in der näherm Bezeichnung Statt gesunden hat, der auf einer
Berwechslung beruht und leicht erllärlich ist. so wie die Ausdrücke links und
rechts sowohl nach ver mittelalterlichen Stellung der Altäre, als auch hier mS-
besondere nach dem Eingange von dem Palaste zu deuten find.

Wenn es aber in den mittelalterlichen Schriftsiellern hiest, dast von dem
Tage der Canonisation das Grab Karl's des Großen anfing glänzmd zu wer-
den, so finden wir diesen Ausdruck auch durch den architektonischen Schmuck er-
klärlich, der in den Tagsn eines anderen Hvhenstaufen, nämlich Philipp's von
Schwaben, mittels eines schönen Porticus vem Grabe Karl's des Grosten beige-
ügt worden, den wir noch gegenwärtig bewundem, obgleich das Hauptwerk
ängst in Schutt versunken, einen Schnmck, der mit zn dm inleressantesten Archi-
tekturwerken am Rheine gehört.

Verantworüicher Herausgebcr: I. I. NelleS in Köln.
Commijfions-Vcrlag und Druck von M. DuMont-Schauberg m Kövl.
(Expediüon der Kölnischen Zeitung.)
 
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