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Könnecke, Gustav [Bearb.]
Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur: eine Ergänzung zu jeder deutschen Litteraturgeschichte — Marburg, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.4108#0095
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XIII. Jahrhundert, Anfang.

—62 -H

Hvchfte Bliite der hvfischen Tichtung.

Walthcr von dcr Vogclwcidc (7 um 1230).

Der obere Vogelweidhof bei Bozen, die wahrscheinliche Heimstätte Walthers von der Vogelweide.

Wallher von der Vogelweide.

Miniatnr aus der Weingartner Liederhandschrist. Walther ist dargestellt, wie es in
seinem Liede heißt:

Ivll 8L2 Ul 61M6 St6la6

unä äallte ldeckle) I)6ill mit Iiein^,

äar llck satLt ioll äell ellslldossell:

loll Ii6t6 ill mill6 Imllä A68M0A6ll (geschmiegt)

äri.2 Xill llllä 6ill mill ivall§6 . . .


Das einzige gleichzeitige urkundliche Zeugnis über Walther
von der Vogelweide.

Jm Originale steht die obere Zeile mehr nach rechts.

Die 1883 freigelegten altromanischen Arkaden des Kreuzganges am Lusem-
garten des Neumünsters zu Würzburg, wo Walther begraben sein soll.

Sie sind kurzer Hand adgerissen, um Platz fnr ein Geschäftshaus zu schaffen, in dessen Kellern die Steine
dieser Arkaden jetzt liegen sollen. — Nadollt sna kata 6t la^iäos!

86<iAellti äi6 apAc! 26i2(6llmllram) ^Valtllero eantori ä6 Vo§6Uv6iä6 xro xollieio ' V' Lol(jäos) lorissos. d. h. am
andern Tage (nämlich am Tage nach Martini) bei Zeiz senmures (bei Wien) dem Sänger Walther von der Vogelweide für
einen Pelzrock 5 schwere Solidi sgegebens. Diese Noti; aus Neiserechnungen des Bischofs Wolfger von Passau
ist die einzige gleichzeitige urkundliche Aufzeichnung, die wir über Walther besitzen. Erst seitdem
diese Notiz bekannt ist, steht es fest, daß unser größter Dichter dcs Mittelalters wirklich Walther von der Vogel-
weide heißt, daß dieser Name nicht etwa ein angenommener ist, hinter dem sich irgend ein anderer verbirgt. Diese
Rechnungen wnrden 1874 durch Prof. A. Wolf iu Cividale gefunden nnd 1877 von Prof. Zingerle veröffentlicht. Diesem
Werke ist auch obige Nachbildung entnommen. — Es steht jetzt fest, daß obiger Rechnungseintrag in das Jahr 1203
gehört. — Die Nechnungen sind in zwei Ansfertigungen erhalten, und kommt dieser Eintrag auch in dem andern Exemplare,

jedoch etwas verändert, vor.

Walthers von der Vogelweide Heimat ist, wie jetzt vielfach angenommen wird, der obere
der Vogelweidhöfe bei Bozen (im Layener Riede am Eisackthale). Er gehörte dem niederen Adel
an. Noch 1431 gab es ritterliche Vogelweider, wie durch eine neuerlich im Statthaltereiarchive
zu Jnnsbruck aufgefundene Urkunde erwiesen wird. — Sein Geburtsjahr wird um 1170 anzu-
setzen sein. Jn Österreich hatte er „singen und sagen" gelernt, am Hofe Herzogs Friedrich I. in
Wien; Reinmar der Alte (von Hagenau) mag sein Lehrer in der Sangeskunst gewesen sein. Nach
Kaiser Heinrichs VI. Tode (1197) war er entschieden auf Seiten von dessen Bruder Philipp

von Schwaben und auch zeitweife in deyen per-
sönlicher Umgebung. Jn den traurigen Wirren,
in welche damals Deutschland durch die Politik
Jnnocenz III. gestürzt war, läßt Walther uner-
schrocken seine gewaltigen Sprüche für die von
Pyilipp vertretene nationale Sache ertönen. Nach
Philipps Ermordung (1208) hielt er zeitweise
(1212—13) zu Otto IV., dann trat er wieder auf
Friedrichs II. Seite, weil sein Herz und sein Lied
demjenigen gehört hat, welcher in einer Zeit der
Verwirrung und des Bürgerkrieges die deutsche
Sache am kräftigsten vertrat. Walther hat, nach-
dem er den Wiener Hof verließ (1198), „der lande
vil gesehen", er hat ein Wanderleben geführt.
Wiederholt war er am Thüringer Hof bei Landgraf
Hermann, wo er wahrscheinlich persönlich mit
Wolfram von Eschenbach zujammentraf, dann bei
Markgraf Tietrich von Meißen (1210—12). Auch
nach Österreich ist er mindestens einmal zurück-
gekehrt; zn den Höfen von Kärnten, Bayern, Aqui-
leja hatte er Beziehungen. Kaiser Friedrich II. ver-
lieh ihm (1220) ein in Würzburg belegenes, aber
wohl wenig einträgliches Lehen. Jn nüherem Ver-
hältnisse als zum Kaiser selbst aber stand er zu dem
Reichsverweser Engelbert von Köln. Für den Kreuz-
zug 1228 ist er als Dichter eingetreten, konnte ihn
aber selbst nicht mehr mitmachen; gegen 1230 ist
er wohl gestorben, und zwar wahrscheinlich in
Würzburg, wo er die letzten Jahre auf einem
Lehen, dem nach ihm später genannten Vogel-
weider Hofe (?), meist gelebt zu haben scheint. Er
soll in Würzburg im Lusemgarten des Neumünsters
bestattet sein. — Walther ist der größte dentsche
Lyriker vor Goethe.

Der bei Freilegung dieser Arkaden 1883
gefundene Steinsarg, welcher Walthers
Sarg seiu könnte.
 
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