49. TRAPEZUNTIUS, GEORGIUS (Orator clar. et doctiss.) GEOR // GII
TRAPEZONTII VI / ri aetatis suae doctissimi Dialectica / breuis, sed
iudicio omnium erudi / torum absolutissima, in / gra- / tiam studiosorum
denuo / nuper excusa. // BASILEAE // apud Valent. Cur. // (Fol. 38r.° expl.:)
BASILEAE APVD VALENTINVM / CVRIONEM MENSE IVLIO, / ANNO
M.D.XXII. // (1522.) 8°. Char. rom. et ital., 38 ff.n.n., c. sign. et marg., 26 ll.
Mit dem seltenen Lucretia-Titel, dem 1. Signet des Curio, 1 Initiale von Hans
Holbein und mehreren mathem. Textfiguren. Schwsldrbd. 110.—
Äußerst seltene Ausgabe dieses „Leitfadens der Logik und Dialektik“, als einer
der ersten Drucke der neu eröffneten Offizin des Valentin Curio erschienen und mit Ausnahme
von Panzer weder in den gedruckten Bibliotheks-Katalogen noch in den entsprechenden
Bibliographien ausweisbar (selbst Panzer, Freytag, Ebert, Buisson, vor allem
die Lokalbibliographie von Heckethorn, die überhaupt nur 5 Drucke des Curio anführt,
verzeichnen diese Ausgabe nicht).
Georg von Trapezunt, ein geborner Kreter, Mitglied jener zahlreichen hellenistischen
Kolonien, die in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts vor dem Andringen der Türken nach
Italien sich retteten, ist ein interessanter Typus des Wandergelehrten jener Zeit, der es ver-
stand, gar bald einer der bekanntesten und geschätztesten Lehrer des Griechischen, der Dialektik
und Rhetorik zu werden, in Venedig als Kollege des Filelfo, in Rom als der des Valla. Seine
'Dialectica’ hat er als Fundament für seine Lehrvorträge an der hellenistischen Akademie zu
Florenz um 1440 geschrieben, ob ihrer geschickten und prägnanten Formulierung sehr rasch
Ansehen und Verbreitung findend. Im Gegensatz zu seinen humanistischen Vorläufern von
Petrarca bis Valla, die Aristoteles und die scholastische Dialektik verspotten und mehr an
den gesunden Menschenverstand appellieren, verschmilzt dieser eifrige Antiplatoniker (be-
rüchtigt seine „Comparatio philosophorum“) die ciceronianisch-rhetorische Auffassung mit
der üblichen aristotelischen Schultradition zu einem neuen Lehrgebäude, das in der Folgezeit
nachhaltigen Einfluß auf Schulen und Universitäten ausübte.
Auch in Deutschland gehörte für den Humanisten die Ausbildung in der Dialektik zu den wich-
tigsten Aufgaben. Zu einer Zeit, als in Italien die praktisch-oratorische Bildung im Anschluß
an Cicero und Quintilian den sophistisch-dialektischen Unterricht fast ausschließlich verdrängt
hatte, hielten sich die deutschen Humanisten im wesentlichen (trotz Ausnahmen wie Rudolph
Agricola) an' die aristotelisch-dialektische Richtung der Scholastik ihrer Konsequenz und ihrem
logischen Aufbau zuliebe. Diesem Bedürfnis kamen gerade die Lehrbücher des Georg von
Trapezunt entgegen, die denn auch seit Ende des 1. Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts in zahl-
reichen Ausgaben in Deutschland kursierten. Neben der ‘Rhetorica’ war die ‘Dialectica’ das
am meisten gelesene Handbüchlein, um dessen Einführung in Deutschland sich Beatus
Rhenanus (Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des B. Rh. p. 2 ff., 20—22, 600)
verdient gemacht hat, indem er es 1509 in Straßburg bei Lazarus Schürer drucken ließ mit
der Widmung an Johann Hierher auf Grund der von Jakob Faber Stapulensis besorgten Pariser
Ausgabe von 1508 (K n o d , Aus d. Bibi. d. Beatus Rh. Schletst. 1889 p. 83, Nr. 14; s. a. G r a f ,
in: Ztschr. f. hist. Theol. 1852, p. 230); bis zum Jahre 1544 folgen dann eine Reihe von Neu-
auflagen — wir selbst zählen im ganzen 8 —, von welchen nur die wenigsten bei Buisson
und Freytag verzeichnet sind. Bezüglich der weiteren Schicksale des Georg von Trapezunt
sowie der Bedeutung seiner Schriften im allgemeinen sei auf Legrand, Bibi. hell. III, 249,
H o d i u s , de Graecis illustribus, Boerner, de Doctis graecis, V o i g t II, 138 ff., 363 ff.,
Geiger 111, 132, Burckhardt I, 269, 385 verwiesen.
Bezüglich der schönen Lucretia-Bordüre bemerkt Butsch 1. c.: „Auch der Tod
der Lucretia (P. 93), eine Einfassung, die wohl in Curio’s Drucken vorkommen muß und die
Weltmann nicht zitiert, ist sicher HANS HOLBEIN’s Schöpfung. Wir finden zwar dieses
schöne Blatt nur in Münster’s Kosmographie von 1578. Daß aber der Stock früher Curio’s Eigen-
tum gewesen ist, ersieht man aus der auf dem Titel befindlichen Tafel des Parrhasius (Signet)“.
Wir haben hier also einen Abdruck der von Butsch nicht gekannten Originalfassung; im übrigen
tut Butsch Woltmann unrecht; dieser zitiert nämlich unsere Bordüre unter II, 219, bemerkt
aber hiezu, daß sie kein echter Holbein ist, obwohl Basler Arbeit, sondern die Nach-
ahmung eines weder von Bartsch noch von Passavant beschriebenen Holzschnittes
von H. BURGKMAIR, bez. HB — die Kopie kleiner, von der Gegenseite und mit Fortlassung
einer Figur. Im übrigen taucht eine veränderte Nachahmung der Lucretia-Bordüre von 1527
an in Wittenberger Drucken auf. Die beiden HOLBEIN-Experten Schmidt und Koe g le r
nehmen zu der Woltmann’schen Angabe keinerlei Stellung. — Das schöne Signet ist auf jeden
Fall von HANS HOLBEIN (Pass. 140, Woltman n I, 201 u. II, 196,240). Die hübsche Initiale
‘D’ stammt aus dem Papageienalphabet (Schneeli-Heitz Nr. VIII, Tfl. XVIII, Schmidt
p. 251, Z. 7 u. Koegier p. 92). — Die Titel-Bordüre am äußeren Seitenrand scharf beschnitten.
Buch- und Kunstantiquariat des Verlags Jos. Kösel & Friedr. Pustet München I. 33
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TRAPEZONTII VI / ri aetatis suae doctissimi Dialectica / breuis, sed
iudicio omnium erudi / torum absolutissima, in / gra- / tiam studiosorum
denuo / nuper excusa. // BASILEAE // apud Valent. Cur. // (Fol. 38r.° expl.:)
BASILEAE APVD VALENTINVM / CVRIONEM MENSE IVLIO, / ANNO
M.D.XXII. // (1522.) 8°. Char. rom. et ital., 38 ff.n.n., c. sign. et marg., 26 ll.
Mit dem seltenen Lucretia-Titel, dem 1. Signet des Curio, 1 Initiale von Hans
Holbein und mehreren mathem. Textfiguren. Schwsldrbd. 110.—
Äußerst seltene Ausgabe dieses „Leitfadens der Logik und Dialektik“, als einer
der ersten Drucke der neu eröffneten Offizin des Valentin Curio erschienen und mit Ausnahme
von Panzer weder in den gedruckten Bibliotheks-Katalogen noch in den entsprechenden
Bibliographien ausweisbar (selbst Panzer, Freytag, Ebert, Buisson, vor allem
die Lokalbibliographie von Heckethorn, die überhaupt nur 5 Drucke des Curio anführt,
verzeichnen diese Ausgabe nicht).
Georg von Trapezunt, ein geborner Kreter, Mitglied jener zahlreichen hellenistischen
Kolonien, die in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts vor dem Andringen der Türken nach
Italien sich retteten, ist ein interessanter Typus des Wandergelehrten jener Zeit, der es ver-
stand, gar bald einer der bekanntesten und geschätztesten Lehrer des Griechischen, der Dialektik
und Rhetorik zu werden, in Venedig als Kollege des Filelfo, in Rom als der des Valla. Seine
'Dialectica’ hat er als Fundament für seine Lehrvorträge an der hellenistischen Akademie zu
Florenz um 1440 geschrieben, ob ihrer geschickten und prägnanten Formulierung sehr rasch
Ansehen und Verbreitung findend. Im Gegensatz zu seinen humanistischen Vorläufern von
Petrarca bis Valla, die Aristoteles und die scholastische Dialektik verspotten und mehr an
den gesunden Menschenverstand appellieren, verschmilzt dieser eifrige Antiplatoniker (be-
rüchtigt seine „Comparatio philosophorum“) die ciceronianisch-rhetorische Auffassung mit
der üblichen aristotelischen Schultradition zu einem neuen Lehrgebäude, das in der Folgezeit
nachhaltigen Einfluß auf Schulen und Universitäten ausübte.
Auch in Deutschland gehörte für den Humanisten die Ausbildung in der Dialektik zu den wich-
tigsten Aufgaben. Zu einer Zeit, als in Italien die praktisch-oratorische Bildung im Anschluß
an Cicero und Quintilian den sophistisch-dialektischen Unterricht fast ausschließlich verdrängt
hatte, hielten sich die deutschen Humanisten im wesentlichen (trotz Ausnahmen wie Rudolph
Agricola) an' die aristotelisch-dialektische Richtung der Scholastik ihrer Konsequenz und ihrem
logischen Aufbau zuliebe. Diesem Bedürfnis kamen gerade die Lehrbücher des Georg von
Trapezunt entgegen, die denn auch seit Ende des 1. Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts in zahl-
reichen Ausgaben in Deutschland kursierten. Neben der ‘Rhetorica’ war die ‘Dialectica’ das
am meisten gelesene Handbüchlein, um dessen Einführung in Deutschland sich Beatus
Rhenanus (Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des B. Rh. p. 2 ff., 20—22, 600)
verdient gemacht hat, indem er es 1509 in Straßburg bei Lazarus Schürer drucken ließ mit
der Widmung an Johann Hierher auf Grund der von Jakob Faber Stapulensis besorgten Pariser
Ausgabe von 1508 (K n o d , Aus d. Bibi. d. Beatus Rh. Schletst. 1889 p. 83, Nr. 14; s. a. G r a f ,
in: Ztschr. f. hist. Theol. 1852, p. 230); bis zum Jahre 1544 folgen dann eine Reihe von Neu-
auflagen — wir selbst zählen im ganzen 8 —, von welchen nur die wenigsten bei Buisson
und Freytag verzeichnet sind. Bezüglich der weiteren Schicksale des Georg von Trapezunt
sowie der Bedeutung seiner Schriften im allgemeinen sei auf Legrand, Bibi. hell. III, 249,
H o d i u s , de Graecis illustribus, Boerner, de Doctis graecis, V o i g t II, 138 ff., 363 ff.,
Geiger 111, 132, Burckhardt I, 269, 385 verwiesen.
Bezüglich der schönen Lucretia-Bordüre bemerkt Butsch 1. c.: „Auch der Tod
der Lucretia (P. 93), eine Einfassung, die wohl in Curio’s Drucken vorkommen muß und die
Weltmann nicht zitiert, ist sicher HANS HOLBEIN’s Schöpfung. Wir finden zwar dieses
schöne Blatt nur in Münster’s Kosmographie von 1578. Daß aber der Stock früher Curio’s Eigen-
tum gewesen ist, ersieht man aus der auf dem Titel befindlichen Tafel des Parrhasius (Signet)“.
Wir haben hier also einen Abdruck der von Butsch nicht gekannten Originalfassung; im übrigen
tut Butsch Woltmann unrecht; dieser zitiert nämlich unsere Bordüre unter II, 219, bemerkt
aber hiezu, daß sie kein echter Holbein ist, obwohl Basler Arbeit, sondern die Nach-
ahmung eines weder von Bartsch noch von Passavant beschriebenen Holzschnittes
von H. BURGKMAIR, bez. HB — die Kopie kleiner, von der Gegenseite und mit Fortlassung
einer Figur. Im übrigen taucht eine veränderte Nachahmung der Lucretia-Bordüre von 1527
an in Wittenberger Drucken auf. Die beiden HOLBEIN-Experten Schmidt und Koe g le r
nehmen zu der Woltmann’schen Angabe keinerlei Stellung. — Das schöne Signet ist auf jeden
Fall von HANS HOLBEIN (Pass. 140, Woltman n I, 201 u. II, 196,240). Die hübsche Initiale
‘D’ stammt aus dem Papageienalphabet (Schneeli-Heitz Nr. VIII, Tfl. XVIII, Schmidt
p. 251, Z. 7 u. Koegier p. 92). — Die Titel-Bordüre am äußeren Seitenrand scharf beschnitten.
Buch- und Kunstantiquariat des Verlags Jos. Kösel & Friedr. Pustet München I. 33
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