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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0030
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— 26 —

dieses schreckliche Dunkel des Geistes brachte. Was dann
weiter geschah, wie die Kinder Israel nach Egypten und
dann in die Wüste kamen, weisst du ja. In dieser furcht-
baren Wüste, wo nichts wächst und nichts gedeiht, hat-
ten unsere Vorfahren nichts zu essen, und weil Gott
sich ihrer annahm, liess er ihnen Brot vom Himmel reg-
nen, das Man nämlich. Dieses uns gänzlich unbekannte
Brot will uns hier in unserem Verse die Thora näher
beschreiben und sagt: wehojo taamau, dass sein Geschmack
war: kezapichis bidwasch wie Zapichis bidwasch. „So“,
schloss ganz erschöpft der Melammed. „Jetzt habe ich
dir alles vom Anfang an erklärt und hoffe, dass dein
harter Schädel es endlich begriffen hat. Was?“ — „Ver-
zeihen Sie, Rebbe, aber ich weiss noch immer nicht, was
das Wort bedeutet,“ entgegnete der Schüler. „So?“ schrie
jetzt wütend der Melammed. „Du willst also sogar
wissen, was lefonim (vor der Weltschöpfung) war? Dann
bist du ein Apikores (Gottesleugner), und mit einem
solchen habe ich nichts zu schaffen.“ (Nach Vorschrift
des Talmuds ist das Forschen über lefonim und leochaur
d. h. über das, was vor der Schöpfung war, und über
das Wesen Gottes verboten.)

* * *

In einer galizischen „Kehille“ (Gemeinde), wo bis
dahin das Cheder die einzige Bildungsstätte der Jugend
war, fing man an, sich zu emanzipieren und die Kinder
m die „deutsche Schule“ zu schicken. Missmutig ver-
folgte der Rabbiner diese Neuerung und liess es an Er-
mahnungen nicht fehlen. Als nun gar einige der Elemen-
tarschule entwachsene Kinder in die nächste Kreisstadt
aufs Gymnasium, wo sie Sabbats schreiben mussten, ge-
schickt wurden, da war es mit seiner Ruhe und Zurück-
haltung vorbei, und der herannahende Versöhnungstag bot
ihm Gelegenheit, seiner Gemeinde die Verwerflichkeit ihres
Beginnens durch ein Gleichnis näher zu bringen.
Der Jezer-hora (Engel des Bösen), der Verführer
und Ankläger in einer Person ist, hatte sich das Jahr
über redlich Mühe gegeben, sein Geschäft, die Menschen
zum Bösen zu verleiten, auszuüben und kam nun am
 
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