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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0033
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— 29 —

Einem Krakauer Dajan (Rabbinatsassessor) wurde
mitgeteilt, dass sein Verwandter als Erster in der Chris-
tenstadt seinen Laden am Sabbat offen halte. Er wollte
es nicht glauben und ging selbst hin, um sich davon zu
überzeugen. Als er hinkam, war der Laden gerade leer.
Er ging hinein und sagte zum Besitzer: „Du Schaute
(Narr), was hältst du den Laden offen, verkaufen darfst
du ja doch nichts.“
♦ ♦ ♦

Als an einem kühlen, ungemütlichen Sommertage
Rabbi Jonatan Eibenschütz sich in einen warmen Winter-
mantel hüllte, wurde er von einem talmudkundigen Be-
kannten gefragt, ob er denn nicht fürchte, dass man den
Ausspruch des Talmuds: Chamaur bitkufas ta-
rn u s kerire le (dem Esel ist auch bei der grössten
Sommerhitze kalt) auf ihn anwenden könnte? — „Nein,“
erwiderte E., „weil ich in der Gemoro (Talmudstelle)
einen anderen Peschat (Erklärung) habe. Ich übersetze:
Chamaur! (ein Esel!) bitkufas tamus keri-
re le (wer sichs im Sommer kalt sein lässt), da man
sich, wie ich, dagegen schützen kann.“

♦ ♦ ♦
Auf seiner Wanderschaft kam ein Bachur in ein
Städtchen, wo er den Sabbat verbringen wollte. Wie es
in jüdischen Gemeinden üblich ist, wurde der Bachur
vom Vorsteher einem „Balbos“ zugewiesen, der ihn mit
Kost und Logis zu versorgen hatte. Sein Pech wollte
es, dass er gerade an einen Knicker geraten war, und
so gab es am Freitag abend nur ein sehr mageres, gar
nicht sabbatmässiges Abendessen, nach welchem der Ba-
chur sofort zu Bette geschickt wurde. Die Eile, mit der
dies geschah, machte ihn stutzig, und er vermutete so-
gleich, dass nach seiner Entfernung ein zweites Abend-
brot in verbesserter Auflage auf den Tisch kommen wür-
de. Seine Vermutung bestätigte sich bald. Nachdem der
Hausherr durch einige Anrufe, die er, sich schlafend stel-
lend, unbeantwortet liess, überzeugt zu sein glaubte, dass-
 
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