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Deutsches Archäologisches Institut / Römisch-Germanische Kommission [Hrsg.]
Korrespondenzblatt der Römisch-Germanischen Kommission des Archaeologischen Instituts — 1.1917

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Heft 6 (November/Dezember 1917)
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https://doi.org/10.11588/diglit.24883#0210
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Dem stattlichen Band, der in neun Ka-
piteln das Altertum behandelt, soll ein zweiter
(als solcher, wie es scheint, nicht bezeichnet)
gefolgt sein mit dem Untertitel: Les Francs
de VFst. Frangais et Allemands.

Man wundert sich, daß ein Buch mit diesem
verlockenden Inhalt nicht längst erschienen
ist; aber man bedauert bald, daß es nicht
von einem Deutschen verfaßt ist — oder von
einem Franzosen vor dem Ausbruch der
Kriegspsychose.

Norden hat oben S. 162 die Meinung aus-
gesprochen, daß auf Birts Germanenbuch
„patriotisches Empfinden1' allzugroßen Ein-
fluß geübt habe. Ich weiß nicht, ob man
von „patriotischem Empfinden“ sprechen
soll, da ja die „Echten“ doch die echten
„G a 11 i e r“ wären, was im Mund der Römer
ein Ruhm gewiß nicht gewesen wäre, viel
weniger noch in unseren Ohren heut als
solcher klingen könnte. Aber die Freude
an dem Humor, der darin läge, daß die von
den heutigen Galliern so gehaßten und ver-
achteten Germanen von den Römern als
die „echten Gallier“ bezeichnet würden, ist
freilich auch etwas, was die wissenschaft-
liche Erörterung nicht beeinflussen sollte.

Wohin „patriotisches Empfinden“ — in die-
ser krankhaften Hypertrophie nennen wir es
„Chauvinismus“ — einen Forscher führen
kann, sehen wir mit Schaudern an Babeions
Buch.

Auf dem Titelblatt steht als Motto das
in begreiflicher Entrüstung über die Kata-
strophe des Varus geschriebene Wort des
Velleius: Germani, natum mendacio genus,
und auf S. 230 nennt das der Verfasser:
definition justifiee, qui reste leur stigmatc
indelebile. Das sagt ein Angehöriger der
„Entente“ mitten in dem schändlichsten
Lügenfeldzug, den je die Welt gesehen hat.
Man ist in Versuchung zu fragen: „Wer
lacht da?" Aber zum Lachen ist es wahrlich
nicht, zum Lachen ist unsere Zeit über-
haupt nicht.

Wir wollen hoffen, daß Babeion aus der
Zeit, da er ein ernsthafter und angesehener
Forscher war, doch noch manches in dieses
Buch herübergerettet hat. Feststellen kann
ich es eben nicht, da das Buch erst gestern
in meine Hand gelangt ist; darlegen könnte
ich es auch nicht, da hier nur ein be-
schränkter Raum zur Verfügung stand. Gern
aber werde ich, wenn es so ist, hier oder
anderswo noch einmal ausführlicher auf das
Buch zurückkommen.

F. Koepp.

K. Hörmann, Die Hallstatt- und die be-
ginnende Latenezeit in der Umgebung
von Nürnberg, 12 Seiten mit 4 Tafeln.
XXI. Band d. Abh. d. naturhist. Ges. zu
Nürnberg 1917.

Eine anregende kleine Schrift, welche
neben dem archäologischen mehr das eth-

nologische Ziel bei unseren Ausgrabungen
namentlich von Hügelgräbern betont und
verlangt, daß „soweit möglich die Vorgänge
aufgedeckt und für immer festgehalten
werden, welche während der Beisetzung
stattgefunden haben“, und zwar durch
Grundrisse, Profile und Photographien, aus
welchen das Verhältnis des Toten zu seinen
Beigaben erkennbar wird. „Jeder, der eine
Ausgrabung unternimmt, sollte bestrebt sein,
die Durchschnittsriten zu kennen, wenn er
nicht unter Umständen mehr Schaden als
Nutzen anrichten will. Wie die gegebenen
Beispiele zeigen, ist es möglich, sie bildlich
und graphisch darzustellen. Das könnte für
die prähistorische Forschung so wichtig
werden, daß sich ein Befähigungsnachweis
für Ausgrabungen von der Kenntnis der
Totenriten abhängig machen ließe . . . Die
Bestandteile einer Beisetzung wollen nicht
zusammenhanglos als Gegenstände an sich
und nur typologisch betrachtet sein, sondern
insgesamt geben sie einer leitenden Idee
Ausdruck . . .“ Dies sind Worte, die ich
allgemeiner Beherzigung empfehle.

In der älteren und mittleren Hallstattzeit
wurde neben der Leiche „ein ganzes Büffet
errichtet mit großen Tonkrügen und Schöpf-
tassen für Getränke, daneben Schüsseln und
Teller, wahrscheinlich für vegetabilische Bei-
gaben“, und Fleischstücke vom Schaf oder
Schwein. Alles weist auf eine lang ansässige
Ackerbaubevölkerung hin. Gegen Ende der
Hallstattzeit trat eine ganz andere Begräb-
nisform auf. Das „Büffet“ mit seinen zahl-
reichen Gefäßen ist verschwunden, die
Fleischbeigabe besteht meist aus Wild,
Hirsch oder Reh, die, wie einzelne Gefäße
oder Scherben, nachlässig irgendwo im
Hügel hingelegt sind. Es ist ein Jäger- und
Hirtenvolk, dessen einfacher Grabritus sich
bis in die Stufe A der Lateneperiode be-
obachten läßt. „Die Bestattungsweise zeigt,
daß schon während der Hallstattzeit etwas
sehr wesentliches, eine neue Religion auf-
taucht, allem Anschein nach die keltische,
denn diese ist in der folgenden Periode die
herrschende und daß beide eine Zeitlang
nebeneinandergehen“.

Hörmanns Anschauung liegt ganz in der
Gedankenrichtung meiner Arbeit über das
Vordringen der späthallstättischen und früh-
latenezeitlichen Keltenkultur durch Eifel und
Hunsrück (Präh. Ztschr. VIII 1916 S. 139 f.),
Westerwald und Taunus (im nächsten Heft
der Nass. Annalen), die ich auch weiterhin
zu verfolgen gedenke1). Die wichtige Frage
der Entstehung der Latenekultur in Deutsch-
land dürfte am ersten auf diesem Wege
ihre Lösung finden.

K. Schumacher.

') Vgl. auch meine Ausführungen Fund-
berichte aus Schwaben VIII (1900) S. 44 f.,
welche wohl Hörnes an der von Hörmann
zitierten Stelle im Auge haben wird.

Druck von Gebrüder Knauer in Frankfurt a. M.
 
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