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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0151
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Bis zur Einführung des Lötrohres745 in Verbindung mit der Lötlampe im späten 17. Jahrhun-
dert war es üblich, im offenen Holzkohlenfeuer oder im Holzfeuer, das im Kohlenbecken
oder Werkofen brannte, zu löten. Dabei konnte durch eine Frühform des Lötrohres oder
durch ein Gebläse in beschränktem Umfang eine Stichflamme erzeugt werden, jedoch war
es wegen der erheblichen Strahlungswärme nicht möglich, das Werkstück während des Löt-
vorganges zu beobachten.746 Erst durch den Einsatz der Öllampe als Lötlampe hatten sich
die Bedingungen so weit verbessert, daß jetzt das Löten am Werkbrett durchführbar war.747
Zum Löten selbst gebrauchte man schmelzpunktsenkende Lotlegierungen,748 entweder in
Form von Streulot, einer Mischung aus metallischem Lotpulver und einem pulvrigen Fluß-
mittel, oder in Form von Lotpaillen, kleinen Lotstückchen, hergestellt durch Zerschneiden
eines dünnen Blechs in feine Stückchen.749 Das Lot ist also eine leicht schmelzbare Metalle-
gierung, meist eine Verbindung von Silber und Kupfer, manchmal auch Messing, wobei der
Schmelzpunkt mit steigendem Kupferanteil fällt: Das Lot schmilzt bereits bei einer Tempe-
ratur, bei der das zu lötende Teil noch nicht angetastet wird, aber schon eine Legierungszone
zwischen Lot und Gegenstand schafft.750 Um ein rasches und ungehindertes Fließen des Lo-
tes in die Lötfuge zu begünstigen, mischte man dem Lot ein Flußmittel, zumeist Borax,
bei.751
Den Lötvorgang bei Filigranarbeiten beschrieb Rudolf von Kulmer in seinem Buch „Die
Kunst des Goldarbeiters, Silberarbeiters und Juweliers“ 1872 folgendermaßen: Das Löthen
geschieht meistens durch das Löthrohr, bei gröberen Arbeiten auch wohl im Kohlenfeuer.

745 RICHTER 1983, S. 227. Das Lötrohr besteht aus einem dünnen, spitz zulaufenden Rohr (meist Messing) und
einem angesetzten Holzmundstück. Bläst man mit dem Lötrohr in ein Feuer, so läßt sich eine spitze, sehr hei-
ße Flamme erzeugen, die zum Löten kleinerer Gegenstände hervorragend geeignet ist.
Jochem WOLTERS: Zur Geschichte der Löttechnik. Goddelau 1975, S. 10. Die Verwendung des Lötrohres
läßt sich bis auf die Sumerer zurückführen, die es seit etwa 4300 v. Chi', gekannt haben müssen.
746 WOLTERS 1985/86, Sp. 1142.
WOLTERS 1975, S. 54 bis 57.
747 WOLTERS 1985/86, Sp. 1143. Wolters belegt, daß seit dem vierten Viertel des 17. Jahrhunderts Öllampen
von Goldschmieden verwendet wurden und daß es im 18. Jahrhundert allgemein üblich war, Lötrohr und
-lampe zu verwenden. Ein balgbetriebenes Lötrohr wurde erst 1760 entwickelt. Die Verwendung des 1782/83
erfundenen Sauerstoff-Lötrohrs und der 1784 erfundenen Knallgasflamme könne - so Wolters - in Gold-
schmiedewerkstätten erst 1832 nachgewiesen werden. Die im Gegensatz zur Öllampe nicht rußende Wein-
geistflamme ist eine Erfindung von 1799, und Leuchtgasbrenner nach dem Prinzip des 1850 entdeckten Bun-
senbrenners lassen sich bei Goldschmieden erst 1872 mit Sicherheit belegen.
748 WOLTERS 1985/86, Sp. 1144. Im 16. Jahrhundert wurden schmelzpunktsenkende Metalle entdeckt, die man
zusammen mit Silber (oder mit Gold, zum Löten von Gold) legierte. Diese Lotlegierungen wurden seit Mitte
des 17. Jahrhunderts ausschließlich zum Löten verwendet. Den Schmelzpunkt von Edelmetall-Loten entschei-
dend zu senken, ermöglichte erst die Verwendung des 1818 entdeckten Cadmiums; in der Goldschmiedewerk-
statt sind cadmiumhaltige Lote allerdings erst seit 1887 belegt.
749 RICHTER 1983, S. 226. Diese Art von Lot wurde in den Quellen des 18. Jahrhunderts auch als „Schlaglot“
bezeichnet, was sich vom Ausschmieden (Schlagen) des Lots zu dünnen Blechen ableitete.
750 Dagmar THORMANN: Techniken der Gold- und Silberschmiede. Nürnberg 1988, S. 14.
751 BRAUN-FELDWEG 1988, S. 162. Borax ist das Natriumsalz der sogenannten Tetraborsäure (H2B4O7), die
durch Erhitzen und Wasserabspaltung der Borsäure (HBO3) entsteht (S. 263).
WOLTERS 1975. Die erste Erwähnung von Borax als Flußmittel überhaupt findet sich in der indischen Rasa-
ratnakara (30 n. Chr.), während griechische Texte Borax erst im 7. Jahrhundert nennen (S. 35). Im 8. bis 11.
Jahrhundert breitete sich der Gebrauch von Borax in der Löttechnik aus (S. 41), und seit dem Beginn des 15.
Jahrhunderts darf man seine Verwendung als selbstverständlich ansehen (S. 48). Daneben ist Salmiak als
Flußmittel ebenfalls seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar (S. 49). Da sowohl Salmiak als auch Borax im spä-
ten Mittelalter noch sehr kostspielig waren, benutzten viele Goldschmiede die bis dahin traditionellen Fluß-
mittel Harz, Kolophonium, Wachs, Soda, Weinstein und Pottasche (S. 49). Erst im 16. und 17. Jahrhundert,
nachdem die Venezianer den Borax im großen Stil importierten (vor allem aus Ostindien) und raffinierten,
setzte er sich als Flußmittel allgemein durch (S. 53). Die Entdeckung von Borsäurevorkommen in der Toskana
1777 führte zur Verringerung des Boraxpreises (S. 60).

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