dungsschule ein „Gewerbemuseum“ gegründet wurde zur Förderung des guten Geschmacks
in den Erzeugnissen der hiesigen Gold- und Silberwaarenfabrikationb™ Die Objekte dieser
Vorbilder=Sammlung, wie sie von den Verantwortlichen genannt wurde,1078 1079 kauften die
Gmünder Fabrikanten zumeist auf den inländischen Landesgewerbe- oder auf den Weltaus-
stellungen in Chicago und Paris, und die einzelnen Stücke zeugen heute noch von dem Qua-
litätsempfinden der Käufer. Doch nicht nur zeitgenössischer Schmuck und modernes Gerät
wurde aufgekauft, sondern man ließ auch galvanische Abgüsse historischer Silberwaren,
zum Teil Augsburger Provenienz oder Teile des 1868 entdeckten Hildesheimer Silberfun-
des, anfertigen und bezog sie in die Vorbildersammlung mit ein. Da es sich bei den Bestän-
den des Gewerbemuseums ausschließlich um Nichtgmünder Erzeugnisse handelte, gliederte
man 1890 die Privatsammlung des Kommerzienrates Julius Erhard - die sogenannte „Julius
Erhard'sche Altertümersammlung“ dem Gewerbemuseum an.1080 Sie umfasse alles, was
Gmünds frühe re Klöster und (. . .) Häuser der Patrizier (. . .) enthalten haben, das zerstreut
da und dort zufinden gewesen sei, denn Gmünd sei seit alters her bekannt durch Kunst und
Industrie, deshalb habe Erhard namentlich Arbeiten früherer Zeit gesammelt und vereinigt,
hieß es in einem Artikel der Remszeitung aus dem Jahre 1883 über die Sammlung.1081 Diese
Entwicklung muß man wohl auch im Zusammenhang mit der Verklärung der Gmünder Ver-
gangenheit und mit der Gmünder „Goldschmiedstradition“ sehen (vgl. Kapitel A. „Gold-
schmiedstradition“: Das Image einer Stadt).
Da man in Gmünd erkannt hatte, daß die heimische Filigranproduktion in eine Sackgasse
geraten war, veranstaltete 1876 das Gewerbemuseum eine Ausstellung, in der höchst ge-
schmackvolle und elegante Filigrane aus Norwegen zu sehen waren.1082 Sogenanntes „nor-
disches Filigran“ - unter diesem Begriff faßte man friesisches, dänisches, schwedisches und
vor allem norwegisches, z. T. auch russisches Filigran zusammen - kam in dieser Zeit bei
den Konsumenten in Mode und wurde bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges in großen
Mengen nach Deutschland importiert oder von deutschen Herstellern imitiert. Einige Gmün-
der Fabrikanten versuchten in diesem Trend Fuß zu fassen, indem sie Schmuck, Gerät und
auch Nippes (Möbel und Gerät in Miniaturformat) im Stil des nordischen Filigrans fertigten;
dazu gehörten die Firmen Wilhelm Rudolph Nachfolger Adolf Kunz1083 und Friedrich Knöd-
ler1084-
Neben diesem industriell oder auch seriell hergestellten Filigranschmuck findet man in
1078 Remszeitung vom 8. April 1874. Zu den Gründungsvätern gehörten der Kommerzienrat und Fabrikant Julius
Erhard, der auch erster Vorstand des Kunstgewerbevereins - dem Träger des Museums - war, der Professor
für Gravier- und Ziselierkunst an der Fachschule Gustav Bauer und der Fabrikant Eduard Wöhler (vgl. Her-
mann BAUER: Zum 25jährigen Jubiläum des Gewerbemuseums zu Gmünd, S. 188. In: Deutsche Gold-
schmiede-Zeitung 1901, S. 188 bis 190).
1079 Remszeitung vom 8. Dezember 1874.
1080 H. BAUER 1901, S. 189.
1081 Remszeitung vom 21. Juli 1883.
1082 Remszeitung vom 14. Dezember 1876. 1891 wurde im Gewerbemuseum erneut eine Ausstellung mit moder-
nem norwegischen Filigranschmuck gezeigt (Remszeitung vom 17. August 1891). Beim Nordischen Filigran
handelte es sich um modernen Schmuck in einfacher linearer Formgebung mit Anklängen an traditionelle
Muster; die Zwischenräume beim nordischen Filigran waren häufig mit transluzidem Email ausgefüllt. Ge-
koppelt an dem Interesse am Objekt war auch ein Interesse an der Historie ,nordischen Schmuckschaffens'.
1083 Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1906, S. 99 a. Der Betrieb fertigt „norwegischen Schmuck“.
1084 Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1906, S. 435 a. Die Firma Knödler führte in ihrem Sortiment sogenannten
„friesischen Bauernschmuck“.
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in den Erzeugnissen der hiesigen Gold- und Silberwaarenfabrikationb™ Die Objekte dieser
Vorbilder=Sammlung, wie sie von den Verantwortlichen genannt wurde,1078 1079 kauften die
Gmünder Fabrikanten zumeist auf den inländischen Landesgewerbe- oder auf den Weltaus-
stellungen in Chicago und Paris, und die einzelnen Stücke zeugen heute noch von dem Qua-
litätsempfinden der Käufer. Doch nicht nur zeitgenössischer Schmuck und modernes Gerät
wurde aufgekauft, sondern man ließ auch galvanische Abgüsse historischer Silberwaren,
zum Teil Augsburger Provenienz oder Teile des 1868 entdeckten Hildesheimer Silberfun-
des, anfertigen und bezog sie in die Vorbildersammlung mit ein. Da es sich bei den Bestän-
den des Gewerbemuseums ausschließlich um Nichtgmünder Erzeugnisse handelte, gliederte
man 1890 die Privatsammlung des Kommerzienrates Julius Erhard - die sogenannte „Julius
Erhard'sche Altertümersammlung“ dem Gewerbemuseum an.1080 Sie umfasse alles, was
Gmünds frühe re Klöster und (. . .) Häuser der Patrizier (. . .) enthalten haben, das zerstreut
da und dort zufinden gewesen sei, denn Gmünd sei seit alters her bekannt durch Kunst und
Industrie, deshalb habe Erhard namentlich Arbeiten früherer Zeit gesammelt und vereinigt,
hieß es in einem Artikel der Remszeitung aus dem Jahre 1883 über die Sammlung.1081 Diese
Entwicklung muß man wohl auch im Zusammenhang mit der Verklärung der Gmünder Ver-
gangenheit und mit der Gmünder „Goldschmiedstradition“ sehen (vgl. Kapitel A. „Gold-
schmiedstradition“: Das Image einer Stadt).
Da man in Gmünd erkannt hatte, daß die heimische Filigranproduktion in eine Sackgasse
geraten war, veranstaltete 1876 das Gewerbemuseum eine Ausstellung, in der höchst ge-
schmackvolle und elegante Filigrane aus Norwegen zu sehen waren.1082 Sogenanntes „nor-
disches Filigran“ - unter diesem Begriff faßte man friesisches, dänisches, schwedisches und
vor allem norwegisches, z. T. auch russisches Filigran zusammen - kam in dieser Zeit bei
den Konsumenten in Mode und wurde bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges in großen
Mengen nach Deutschland importiert oder von deutschen Herstellern imitiert. Einige Gmün-
der Fabrikanten versuchten in diesem Trend Fuß zu fassen, indem sie Schmuck, Gerät und
auch Nippes (Möbel und Gerät in Miniaturformat) im Stil des nordischen Filigrans fertigten;
dazu gehörten die Firmen Wilhelm Rudolph Nachfolger Adolf Kunz1083 und Friedrich Knöd-
ler1084-
Neben diesem industriell oder auch seriell hergestellten Filigranschmuck findet man in
1078 Remszeitung vom 8. April 1874. Zu den Gründungsvätern gehörten der Kommerzienrat und Fabrikant Julius
Erhard, der auch erster Vorstand des Kunstgewerbevereins - dem Träger des Museums - war, der Professor
für Gravier- und Ziselierkunst an der Fachschule Gustav Bauer und der Fabrikant Eduard Wöhler (vgl. Her-
mann BAUER: Zum 25jährigen Jubiläum des Gewerbemuseums zu Gmünd, S. 188. In: Deutsche Gold-
schmiede-Zeitung 1901, S. 188 bis 190).
1079 Remszeitung vom 8. Dezember 1874.
1080 H. BAUER 1901, S. 189.
1081 Remszeitung vom 21. Juli 1883.
1082 Remszeitung vom 14. Dezember 1876. 1891 wurde im Gewerbemuseum erneut eine Ausstellung mit moder-
nem norwegischen Filigranschmuck gezeigt (Remszeitung vom 17. August 1891). Beim Nordischen Filigran
handelte es sich um modernen Schmuck in einfacher linearer Formgebung mit Anklängen an traditionelle
Muster; die Zwischenräume beim nordischen Filigran waren häufig mit transluzidem Email ausgefüllt. Ge-
koppelt an dem Interesse am Objekt war auch ein Interesse an der Historie ,nordischen Schmuckschaffens'.
1083 Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1906, S. 99 a. Der Betrieb fertigt „norwegischen Schmuck“.
1084 Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1906, S. 435 a. Die Firma Knödler führte in ihrem Sortiment sogenannten
„friesischen Bauernschmuck“.
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