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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0212
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Schwäbisch Gmünd, im Gegensatz zu Hamburg, Leipzig, Danzig oder Nürnberg1085 keinen
sogenannten „Künstlerschmuck“ aus Filigran, das heißt Stileinzelstücke, die von Schmuck-
künstlern - im Falle Gmünds Schmuck, der von den Fachlehrern der Gewerblichen Fortbil-
dungsschule und späteren Königlichen Fachschule für die Edelmetallindustrie, entworfen
und gefertigt worden wäre doch auch diese Mode fand 1914 ihr Ende. Überhaupt scheint
der Filigranschmuck nach 1918 völlig aus der Mode gekommen zu sein und damit auch die
Produktion. Dafür nahm im Zuge der Idee von der Erhaltung und Rettung der „Volkskunst“
- vor allem auch im Hinblick auf den vorangegangen verlorenen Weltkrieg und dessen poli-
tischen Folgen - die mehr oder weniger wissenschaftlich-theoretische Beschäftigung mit
dem Thema breiten Raum ein. Bereits 1895 veröffentlichte der Vorsitzende des Gewerbe-
museums und Stifter der „Julius-Erhard’sehen Altertümersammlung“ Paul Erhard, Sohn des
Gmünder Fabrikanten Julius Erhard, einen ersten Aufsatz über die Geschichte des Gmünder
Filigrans;1086 doch erst mit Walter Klein rückte die Geschichte der Gmünder Goldschmiede
und ihrer Erzeugnisse, und somit auch des Filigrans, in den Mittelpunkt des Interesses (vgl.
Kapitel A. „Goldschmiedstradition“: Das Image einer Stadt).
2.4.7. Die Formensprache des Gmünder Filigrans: Beharrung der Formen
Bei vielen der aufgrund einer Beschaumarke eindeutig nach Schwäbisch Gmünd zu lokali-
sierenden Filigranobjekte fällt eine gewisse Gleichförmigkeit im Aussehen auf, was vor al-
lem auf Devotionalien und Bestandteile von Devotionalien, wie zum Beispiel Bestandteile
des Rosenkranzes, zutrifft. Die einmal gefundene Formensprache wurde vom frühen 17.
Jahrhundert bis zum Zeitalter des Maschinenfiligrans beibehalten, lediglich die Form selbst
,verflachte1 zunehmend. Dies gilt für alle Objekte des Gmünder Filigrans, die in großen
Mengen und über den gesamten Zeitraum produziert wurden. An eher kurzfristigen Mode-
artikeln ‘ - zumeist Körper- und Gewandschmuck -, die nur über wenige Jahrzehnte aktuell
waren, läßt sich diese Beharrung der Formen verständlicherweise nicht ablesen.
An der Filigranfassung eines Rosenkranzanhängers in Form des lateinischen Kreuzes kann
man dieses Festhalten am äußeren Erscheinungsbild exemplarisch darstellen. Die Fassung
einer Kreuzreliqiue, die in der katholischen Pfarrkirche von Süßen aufbewahrt wird und ver-
mutlich aus dem ersten Viertel beziehungsweise aus dem ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhun-
derts stammt,1087 scheint dabei die Urform der zeitlich nachfolgenden Rosenkranzanhänger

1085 Beispiele für modernen, künstlerischen Filigranschmuck findet man in:
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1903, S. 140 von H. Steenaerts, königl. preuß. Hofjuwelier in Aachen;
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1905, S. 53 bis 54 von Eligius Scheibl, Goldschmied in Salzburg;
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1910, S. 116 und 1912, S. 134, 89 bis 95 von Goldschmied Jakob Andreas
Bödewadt aus Tondern (heute Tpnder; die Stadt gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum Deutschen Reich);
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1912, S. 74 Entwürfe von Catharina Greve-Hamburger (Berlin) in der Aus-
führung von Ernst Kohlsaat, Goldschmied in Heide/Holstein;
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1912, S. 196 und 276 von Goldschmied Max Bortenreuter, Leipzig;
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1913, S. 80 und 115 Goldschmiedewerkstätte Max Stumpf & Sohn, Dan-
zig;
Deutsche Goldschmiede-Zeitung 1917, S. 77 bis 80 und 292 von O. Zahn, Goldschmied und Lehrer an der
Großherzogi. Kunstgewerbeschule Pforzheim.
1086 ERHARD Ü 895, S. 25 bis 27.
1087 (Katholische Pfarrkirche Süßen) Kreuzreliquiar aus vergoldetem Kupfer mit Silberbeschlägen, ohne Stadtbe-
schau- und Meistermarke, wurde von Walter Klein dem Gmünder Goldschmied Jakob Gündle (geb, 1673,
verheiratet und Meister seit 1697) zugeschrieben (KLEIN: Goldschmiedegewerbe, S. 43 bis 44). Das Reli-
qiuar weist von der Ornamentik noch renaissancehaftes Rollwerk und Beschlagwerk auf. Jakob Gündle war
der Schwiegersohn des urkundlich ersten namentlich erwähnten Filigranarbeiters Philipp Hartmann, und man
könnte vermuten, daß die Filigranfassung der Reliquie von Hartmann gefertigt wurde.

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