gewesen zu sein; sie verfügt aber noch nicht über den Schwung oder die Professionalität der
anschließend beschriebenen Anhängerfassung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (Abb. 13
und 14).
Ein Jerusalemkreuz aus dem Bestand des Museums für Natur und Stadtkultur in Schwäbisch
Gmünd, das in die Zeit um 1750 zu datieren ist, weist die älteste Form des mit Filigran ge-
faßten Kreuzanhängers auf (Abb. 15).1088 An die eigentliche Fassung des mit Perlmutt einge-
legten Holzkreuzes wurde eine plane Filigranumrahmung, sozusagen als Grundfläche, ange-
bracht, die folgendes Aussehen hat: In den vier Zwickeln, die durch die Durchdringung der
beiden Kreuzarme und des Kreuzstammes entstehen, befinden sich jeweils eine symmetri-
sche Eilie aus einem mittigen, lanzettförmigen Blütenblatt, zwei seitlich davon angelegten,
sich einrollenden Blütenblättern und zwei darunterliegenden Kelchblättern. An jedem Kreu-
zende befindet sich ein fächerförmiges, in fünf Teile gegliedertes Gebilde, und an beiden
Seiten des unteren Kreuzstammes liegen je zwei konkav geschwungene, sich gegenläufig
angeordnete Ornamente, die die Form eines menschlichen Ohres besitzen. Auf der Vorder-
und Rückseite dieser Grundfläche wurden die Eilien- und Ohrenmotive in gewölbter Form
wiederholt, so daß die Filigrafrfassung aus drei Schichten aufgebaut ist. Auf jedem Fächer
an den Kreuzenden befindet sich eine stilisierte Blüte, bestehend aus einer Drahtbogenroset-
te (aus Drahtbogen geformte Kalotte), in der ein ,Röschen‘, das heißt ein Spiraldrahtring mit
zentraler Granalie, sitzt. Vervollständigt wird der Anhänger durch einen gerippten Ring am
oberen Kreuzende und einem freibeweglichen, an einer Öse hängenden Röschen am unteren
Kreuzende. Das Aussehen der einzelnen Motive erinnert sowohl an das Rollwerkornament
des späten 16. Jahrhunderts, was die Ausführung betrifft, als auch von der Motivik her an
das Ohrmuschelwerk des 17. Jahrhunderts.1089 Demgegenüber nahm sich die früher einzu-
ordnende Fassung aus dem Süßener Kreuzreliquiar eher bescheiden aus: Sie besteht nur aus
einem planen Drahtgeflecht mit Zwickellilien aus drei geflammten Blütenblättern und drei-
blättrigen Kreuzendenlilien, und am Kreuzstamm winden sich drei gegenläufige halbe Oh-
ren entlang. Der Übergang zwischen den Motiven an den Ecken des Kreuzes scheint dem
Goldschmied gewisse Probleme bereitet zu haben, denn er mußte den entstandenen Zwi-
schenraum sehr unprofessionell mit Granalien füllen, die keinerlei zweckbestimmte Motivik
aufweisen. Trotz der Unterschiede zu dem eingangs beschriebenen Jerusalemkreuz aus dem
Gmünder Museum kann man die Süßener Kreuzfassung als Ausgangsform bezeichenen, auf
der die Fassungen der Rosenkranzanhänger aufbauten, und mit zunehmender Geübtheit der
sich auf Filigran spezialisierten Goldschmiede - auch im Hinblick auf die steigende Produk-
tionsmenge (vgl. Kapitel C. 2.4.2. Die Anfänge der Gmünder Filigranproduktion) - entstan-
den um die Jahrhundertmitte Filigranarbeiten in solider Ausführung und in zum Teil auf-
wendiger Machart.
Die Form des exemplarisch beschriebenen Jerusalemkreuzes aus der Mitte des 18. Jahrhun-
derts war sehr viel differenzierter als die der späteren Kreuzfassungen, was sich an einem
weiteren Jerusalemkreuz, das in die zweite Hälfte (dritte Viertel) des 18. Jahrhunderts zu da-
1088 (Museum für Natur und Stadtkultur Schwäbisch Gmünd) Inventarnummer: JEA 1035. Einhorn als Stadtbe-
schaumarke auf dem gerippten Ring. Die formgebenden Bestandteile sind sowohl aus Runddrähten als auch
aus Flachdrähten, während die schmückenden Binnenschnörkel aus Kordeldraht und flachgewälztem Kordel-
draht gefertigt wurden.
1089 Peter MEYER: Europäische Kunstgeschichte, Band II. 4. Auflage München 1978, S. 101 bis 107. Nach Mei-
nung von Kunsthistorikern hat sich das Ohrmuschelwerk als Sonderform des Knorpelwerks stilgeschichtlich
aus dem Roll werk der Renaissance zu Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelt und findet seine Fortsetzung in
den Rocaillen des Rokoko.
209
anschließend beschriebenen Anhängerfassung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (Abb. 13
und 14).
Ein Jerusalemkreuz aus dem Bestand des Museums für Natur und Stadtkultur in Schwäbisch
Gmünd, das in die Zeit um 1750 zu datieren ist, weist die älteste Form des mit Filigran ge-
faßten Kreuzanhängers auf (Abb. 15).1088 An die eigentliche Fassung des mit Perlmutt einge-
legten Holzkreuzes wurde eine plane Filigranumrahmung, sozusagen als Grundfläche, ange-
bracht, die folgendes Aussehen hat: In den vier Zwickeln, die durch die Durchdringung der
beiden Kreuzarme und des Kreuzstammes entstehen, befinden sich jeweils eine symmetri-
sche Eilie aus einem mittigen, lanzettförmigen Blütenblatt, zwei seitlich davon angelegten,
sich einrollenden Blütenblättern und zwei darunterliegenden Kelchblättern. An jedem Kreu-
zende befindet sich ein fächerförmiges, in fünf Teile gegliedertes Gebilde, und an beiden
Seiten des unteren Kreuzstammes liegen je zwei konkav geschwungene, sich gegenläufig
angeordnete Ornamente, die die Form eines menschlichen Ohres besitzen. Auf der Vorder-
und Rückseite dieser Grundfläche wurden die Eilien- und Ohrenmotive in gewölbter Form
wiederholt, so daß die Filigrafrfassung aus drei Schichten aufgebaut ist. Auf jedem Fächer
an den Kreuzenden befindet sich eine stilisierte Blüte, bestehend aus einer Drahtbogenroset-
te (aus Drahtbogen geformte Kalotte), in der ein ,Röschen‘, das heißt ein Spiraldrahtring mit
zentraler Granalie, sitzt. Vervollständigt wird der Anhänger durch einen gerippten Ring am
oberen Kreuzende und einem freibeweglichen, an einer Öse hängenden Röschen am unteren
Kreuzende. Das Aussehen der einzelnen Motive erinnert sowohl an das Rollwerkornament
des späten 16. Jahrhunderts, was die Ausführung betrifft, als auch von der Motivik her an
das Ohrmuschelwerk des 17. Jahrhunderts.1089 Demgegenüber nahm sich die früher einzu-
ordnende Fassung aus dem Süßener Kreuzreliquiar eher bescheiden aus: Sie besteht nur aus
einem planen Drahtgeflecht mit Zwickellilien aus drei geflammten Blütenblättern und drei-
blättrigen Kreuzendenlilien, und am Kreuzstamm winden sich drei gegenläufige halbe Oh-
ren entlang. Der Übergang zwischen den Motiven an den Ecken des Kreuzes scheint dem
Goldschmied gewisse Probleme bereitet zu haben, denn er mußte den entstandenen Zwi-
schenraum sehr unprofessionell mit Granalien füllen, die keinerlei zweckbestimmte Motivik
aufweisen. Trotz der Unterschiede zu dem eingangs beschriebenen Jerusalemkreuz aus dem
Gmünder Museum kann man die Süßener Kreuzfassung als Ausgangsform bezeichenen, auf
der die Fassungen der Rosenkranzanhänger aufbauten, und mit zunehmender Geübtheit der
sich auf Filigran spezialisierten Goldschmiede - auch im Hinblick auf die steigende Produk-
tionsmenge (vgl. Kapitel C. 2.4.2. Die Anfänge der Gmünder Filigranproduktion) - entstan-
den um die Jahrhundertmitte Filigranarbeiten in solider Ausführung und in zum Teil auf-
wendiger Machart.
Die Form des exemplarisch beschriebenen Jerusalemkreuzes aus der Mitte des 18. Jahrhun-
derts war sehr viel differenzierter als die der späteren Kreuzfassungen, was sich an einem
weiteren Jerusalemkreuz, das in die zweite Hälfte (dritte Viertel) des 18. Jahrhunderts zu da-
1088 (Museum für Natur und Stadtkultur Schwäbisch Gmünd) Inventarnummer: JEA 1035. Einhorn als Stadtbe-
schaumarke auf dem gerippten Ring. Die formgebenden Bestandteile sind sowohl aus Runddrähten als auch
aus Flachdrähten, während die schmückenden Binnenschnörkel aus Kordeldraht und flachgewälztem Kordel-
draht gefertigt wurden.
1089 Peter MEYER: Europäische Kunstgeschichte, Band II. 4. Auflage München 1978, S. 101 bis 107. Nach Mei-
nung von Kunsthistorikern hat sich das Ohrmuschelwerk als Sonderform des Knorpelwerks stilgeschichtlich
aus dem Roll werk der Renaissance zu Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelt und findet seine Fortsetzung in
den Rocaillen des Rokoko.
209