5. Ökonomische Verhältnisse und die daraus
erwachsende Problematik in Schwäbisch Gmünd
5.1. Silberwarenproduktion und ihr Vertrieb als ,Mono‘-Wirtschaft
Aufgrund der gegebenen geographischen und geologischen Situation, ebenso wie aufgrund
der starken Präsenz der katholischen Kirche, hatte sich in Schwäbisch Gmünd schon früh-
zeitig eine einseitig auf die Herstellung von Devotionalien, später zusätzlich von Gewand-
und Körperschmuck, spezialisierte Hausindustrie entwickelt, die, bedingt durch die hohen
Produktionszahlen, nach einem überregionalen Handel verlangte. Da es in Gmünd kein wei-
teres wirtschaftliches Standbein als die Produktion und den Vertrieb von ,Massen-Luxusgü-
tern/1-440 gab, worunter in gewisser Weise auch die Baumwollprodukte zu zählen sind,
herrschte in Gmünd eine ,Mono‘-Wirtschaft vor, die besonders anfällig war für politische
und für die damit verbundenen wirtschaftlichen Schwankungen in Europa: Kriege und
Schutzzölle verhinderten oft den Gütertransport und die Einfuhr in bestimmte Regionen,
Kaufkraftverluste der Währungen und eine allgemeine Verarmung der Bevölkerung ließen
den Absatz von Luxusgütern zuerst und vor allen anderen Gütern zurückgehen. Da ein
Großteil der Gmünder Bevölkerung sowohl direkt als auch indirekt in die Produktion oder
den Vertrieb eingebunden war und davon lebte, hatten Absatzschwierigkeiten immer Aus-
wirkungen auf die Gmünder Gesamtbevölkerung: Auswärtige Krisen erschüttertem grund-
sätzlich die Gmünder Wirtschaft und damit auch die Sozialstruktur.
5.2. ,Krisen* und ihre Auswirkungen
auf die Gmünder Wirtschaft und Sozialstruktur
Die Polarisierung der Gmünder Wirtschaft auf das Goldschmiedehandwerk und die stete
Zunahme der Meister förderten das Konkurrenzstreben innerhalb des Handwerks, was ge-
koppelt war mit der Forderung der Vertreiber nach immer niedrigeren Produktionskosten
und den dadurch immer geringer werdenden Realeinkommen der Goldschmiede. Dies allein
hatte schon zur Folge, daß viele Goldschmiede und ihre Familien eher am Existenzmini-
mum lebten als in Wohlhabenheit, oder wie es eine Quelle aus dem Jahre 1748 ausdrückte,
daß mit der allhier fabricierendten Silber=waar, so die einzige Quell=Ader, (. . .) Einer
hiessig= und größten Theylls allein in Goldtschmidten bestehendten Burgerschaffi die
kümmerliche Nahrung zufliesset.1440 1441
Wenn die Handlung gehet, so haben alle Goldschmiede Arbeit,1442 schrieb der Chronist Do-
minikus Debler; doch wenn dem nicht so war, dann gerieten die Goldschmiede, ihre Fami-
1440 „Luxusgüter“ werden in diesem Falle verstanden als entbehrliche oder durch billigere Surrogate zu ersetzen-
de Produkte, deren Hauptfunktion die Befriedigung des Schönheits- oder Prunkbedürfnisses ist, und die prak-
tische Nutzfunktion ist dagegen erst in zweiter Linie relevant: Ein Knopf zum Schließen eines Kleidungs-
stückes kann zur Ausübung seines eigentlichen Zweckes aus Holz oder Bein sein, aber ein Silberknopf weist
darüber hinaus auf die soziale Stellung und die wirtschaftliche Situation des Besitzers hin.
1441 (Sta LB) Bestand 179 Bü 227 (S. 1696) Nr. 67. Niederschrift der Gmünder Kanzlei vom 16. Juli 1748, den
Hauptrezeß von 1723 betreffend.
1442 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica Bd. 5/1, S. 81.
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erwachsende Problematik in Schwäbisch Gmünd
5.1. Silberwarenproduktion und ihr Vertrieb als ,Mono‘-Wirtschaft
Aufgrund der gegebenen geographischen und geologischen Situation, ebenso wie aufgrund
der starken Präsenz der katholischen Kirche, hatte sich in Schwäbisch Gmünd schon früh-
zeitig eine einseitig auf die Herstellung von Devotionalien, später zusätzlich von Gewand-
und Körperschmuck, spezialisierte Hausindustrie entwickelt, die, bedingt durch die hohen
Produktionszahlen, nach einem überregionalen Handel verlangte. Da es in Gmünd kein wei-
teres wirtschaftliches Standbein als die Produktion und den Vertrieb von ,Massen-Luxusgü-
tern/1-440 gab, worunter in gewisser Weise auch die Baumwollprodukte zu zählen sind,
herrschte in Gmünd eine ,Mono‘-Wirtschaft vor, die besonders anfällig war für politische
und für die damit verbundenen wirtschaftlichen Schwankungen in Europa: Kriege und
Schutzzölle verhinderten oft den Gütertransport und die Einfuhr in bestimmte Regionen,
Kaufkraftverluste der Währungen und eine allgemeine Verarmung der Bevölkerung ließen
den Absatz von Luxusgütern zuerst und vor allen anderen Gütern zurückgehen. Da ein
Großteil der Gmünder Bevölkerung sowohl direkt als auch indirekt in die Produktion oder
den Vertrieb eingebunden war und davon lebte, hatten Absatzschwierigkeiten immer Aus-
wirkungen auf die Gmünder Gesamtbevölkerung: Auswärtige Krisen erschüttertem grund-
sätzlich die Gmünder Wirtschaft und damit auch die Sozialstruktur.
5.2. ,Krisen* und ihre Auswirkungen
auf die Gmünder Wirtschaft und Sozialstruktur
Die Polarisierung der Gmünder Wirtschaft auf das Goldschmiedehandwerk und die stete
Zunahme der Meister förderten das Konkurrenzstreben innerhalb des Handwerks, was ge-
koppelt war mit der Forderung der Vertreiber nach immer niedrigeren Produktionskosten
und den dadurch immer geringer werdenden Realeinkommen der Goldschmiede. Dies allein
hatte schon zur Folge, daß viele Goldschmiede und ihre Familien eher am Existenzmini-
mum lebten als in Wohlhabenheit, oder wie es eine Quelle aus dem Jahre 1748 ausdrückte,
daß mit der allhier fabricierendten Silber=waar, so die einzige Quell=Ader, (. . .) Einer
hiessig= und größten Theylls allein in Goldtschmidten bestehendten Burgerschaffi die
kümmerliche Nahrung zufliesset.1440 1441
Wenn die Handlung gehet, so haben alle Goldschmiede Arbeit,1442 schrieb der Chronist Do-
minikus Debler; doch wenn dem nicht so war, dann gerieten die Goldschmiede, ihre Fami-
1440 „Luxusgüter“ werden in diesem Falle verstanden als entbehrliche oder durch billigere Surrogate zu ersetzen-
de Produkte, deren Hauptfunktion die Befriedigung des Schönheits- oder Prunkbedürfnisses ist, und die prak-
tische Nutzfunktion ist dagegen erst in zweiter Linie relevant: Ein Knopf zum Schließen eines Kleidungs-
stückes kann zur Ausübung seines eigentlichen Zweckes aus Holz oder Bein sein, aber ein Silberknopf weist
darüber hinaus auf die soziale Stellung und die wirtschaftliche Situation des Besitzers hin.
1441 (Sta LB) Bestand 179 Bü 227 (S. 1696) Nr. 67. Niederschrift der Gmünder Kanzlei vom 16. Juli 1748, den
Hauptrezeß von 1723 betreffend.
1442 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica Bd. 5/1, S. 81.
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