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Krausse, Dirk
Eisenzeitlicher Kulturwandel und Romanisierung im Mosel-Eifel-Raum: die keltisch-römische Siedlung von Wallendorf und ihr archäologisches Umfeld — Römisch-Germanische Forschungen, Band 63: Mainz am Rhein: von Zabern, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.50015#0089
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WESTLICHE HUNSRÜCK-EIFEL-KULTUR • SPÄTHALLSTATT- UND FRÜHLATENEZEIT

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Echts ambitionierter Versuch, mit Hilfe von kombinations-
statistischen Verfahren eine Relativchronologie sämtlicher
frühlatenezeitlicher Prunkgräber zu erarbeiten, hat zweifellos
neue Maßstäbe gesetzt und seine Habilitationsschrift bietet
endlich eine überregionale Zusammenschau dieser wichtigen
Quellengruppe. Allerdings können auch Überprüfungen durch
ein „rein mathematisch vorgehendes Computerprogramm zur
Seriation“388 letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir
die meisten Prunkgräber nach wie vor nur grob in die Stufe
Lt A datieren können389.
Genauer lassen sich in aller Regel nur die wenigen Prunk-
gräber relativchronologisch einordnen, die entweder ein-
heimische Keramik- oder Fibelleitformen enthalten. Auf
dieser Basis hat Haffner390 die betreffenden Altfunde bereits
ausführlich behandelt. Ergänzend kann auf die Neuvorlage
des Wagengrabs von Dörth hingewiesen werden391. Wichti-
ge neue Ergebnisse lieferten die Prunkgrabnekropolen von
Hochscheid „Fuckerichsheide“392, Bescheid „Bei den Hü-
beln“393 und Pellingen „Dreikopf“394.
Relativchronoligische Gliederung der Späthallstatt-
UND FRÜHLATENEZEIT IM NORDWESTALPINEN KREIS
Es hat in den letzten Jahrzehnten nicht an Versuchen geman-
gelt, Reineckes System durch Unterteilung der einzelnen
Stufen zu verfeinern. Besonders zahlreich sind Studien zur
feinchronologischen Gliederung des ergiebigen Fundmateri-
als der Stufe Ha D in Baden-Württemberg. Da die einzelnen
Bearbeiter zwar dieselben Stufenbezeichnungen wählten,
diese Stufen formenkundlich jedoch unterschiedlich definier-
ten, kam es zu Verwechselungen und Mißverständnissen395.
Aus diesem Grund bemühte sich Parzinger396 um eine neue
Stufen- und Phasenbezeichnung. Seine prinzipiell sinnvolle
und weitgehend überzeugende Einteilung der Späthallstatt-
und Frühlatenezeit zwischen Mosel und Save in 10 überre-
gionale „Horizonte“ {Abb. 28) konnte sich terminologisch je-
doch nicht durchsetzen. Die Forschung verwendet weiterhin
die Stufenbezeichnungen Reineckes.
Die neueren deutsch- und französischsprachigen Untersu-
chungen orientieren sich bei der Gliederung der Stufe Ha D
überwiegend an der von S. Sievers397 am Material der Heune-
burg entwickelten Fibelchronologie {Abb. 28).
Demnach dürfen als Leitformen der Stufe Ha Dl (etwa
gleichzeitig mit Heuneburg-Periode IV) einschleifige Schlan-
genfibeln der Form S 4 und Bogenfibeln gelten. Dies entspricht
Parzingers überregionalem Horizont 6 des nordwestalpinen
Hallstattkreises, für den er zusätzlich die nordalpinen Kahn-
fibeln als Leitform anführt398. Den frühesten späthallstattzeit-
lichen Horizont 5 des nordwestalpinen Hallstattkreises sieht
Parzinger lediglich im südlichen Baden-Württemberg, so auf
der Heuneburg und im Magdalenenberg, nicht aber in Nord-
württemberg vertreten {Abb. 28).

Für die nachfolgende Stufe Ha D2 (etwa gleichzeitig mit
Heuneburg-Periode III) sind zweischleifige Schlangenfi-
beln399 und getriebene Paukenfibeln400 definierend. Daß sich
die Benutzungszeiten beider Typen überschneiden, wenn sie
nicht sogar kongruent sind, läßt sich durch den Befund des
Hochdorfer Fürstengrabhügels beweisen401. Parzinger402 führt
sie als Leitformen seiner Regionalstufe „Nordwürttemberg

388 Echt 1999, 262. - Die von Echt erstellten Tabellen bieten willkom-
mene Interpretationshilfen, doch hinter den durch menschliche Intelligenz
oder Rechenleistung erzeugten Seriationen verbergen sich bekanntlich nicht
zwangsläufig chronologische Abfolgen. - Vgl. dazu unten S. 106 ff.
389 Haffner 1991, 15.
390 Ders. 1976, 95 ff.
391 Joachim 1998. - Das Randfragment einer Tonflasche weist auf „eine
eher jüngere Latene A-Datierung“ (ebd. 274 u. Abb. 8,1;) hin und wider-
spricht damit Echts (1999, 262 f. Abb. 69 Karte 32) Einordnung dieser Be-
stattung in die älteste Phase der Frühlatenezeit.
392 Haffner 1992a. - Die Bestattung unter Hügel 1 von Hochscheid ent-
hielt neben zwei Doppelvogelkopffibeln aus Bronze eine weitbauchige Fla-
sche mit Tannenzweigmuster, die als Leitform der Stufe HEKIIA2 (ebd. 46
Abb. 16,2) gelten darf. Eine entsprechende Flasche barg auch das reich aus-
gestattete Prunkgrab von Hoppstädten-Weisersbach Hügel 2 (ders. 1976,
Taf. 4,14). Etwa gleicher Zeitstellung dürfte das Schwertgrab unter Hügel 4
von Hochscheid sein (ders. 1992a, 76 ff.): Eine Doppelvogelkopffibel und
eine Vogelkopffibel aus Bronze fanden sich darin zusammen mit einem be-
malten flaschenartigen Tongefäß.
393 Die abschließende Publikation des Gräberfeldes durch A. Haffner be-
findet sich in Vorbereitung. - Vorbericht in Haffner 1992b. - Chronologisch
besonders interessant ist der Befund des Mädchengrabes von Bescheid Hü-
gel 9 (Haffner 1992b, 41 ff. Abb. 17-18; Husty 1990), in dem ein etruski-
scher Bronzekyathos, eine Otzenhausener Fußschale der Stufe HEK II A3
und drei Bronzefibeln vergesellschaftet waren. Das beraubte Schwertgrab
unter Hügel 3 dieser Nekropole barg Scherben eines Fußgefäßes mit De-
ckel der Stufe HEK II A2 und eine Bronzefibel mit vogelkopfförmigem
Fuß. Etwa synchron ist das Schwertgrab Bescheid Hügel 12, das Fragmente
einer Eisenfibel und einen pokalartigen Fußbecher (ähnlich Haffner 1976
Taf. 46,13-14) enthielt.
394 Nortmann/Ehlers 1995. - Die beiden Prunkbestattungen von Pellin-
gen Hügel 1 und 2 bargen jeweils eine gut ansprechbare Keramikleitform
(ebd. 80 ff. Abb. 8A; 99 ff. Abb. 20A) der Stufe HEK IIA2 bis HEK II A3.
In Hügel 1 fanden sich zudem zwei Fibeln (ebd. 80 ff. Abb. 8L;9M), die in
eine Spätphase von Lt A zu datieren sind.
395 Vgl. Dämmer 1978, 62ff.; Sievers 1984, 75ff.
396 Parzinger 1989.
397 Sievers 1984, 19ff. (bes. Abb. 18).
398 Parzinger 1989, 109f.
399 Typ S5 nach Mansfeld 1973, 5 ff.
400 Typ PI nach Mansfeld 1973, 23 ff.
401 Krausse 1996b, 330ff.: Die zweischleifigen Schlangenfibeln des Gra-
bes repräsentieren (geradezu in Reinform) frühes Ha D2, bzw. Parzingers
Horizont 7a (Biel 1985, 160 ff. Abb. 43;45;88-89). Beide Paukenfibeln aus
dem Zentralgrab sind nach Biel (ebd. 163 Abb. 88) „völlig identisch“ mit
zwei getriebenen Paukenfibeln aus den gleichzeitig mit der Anlage des Zen-
tralgrabes deponierten Werkstattresten (ebd. 89; 163 Abb. 89,20.21). Die
beiden synchronen Nebengräber lieferten ebenfalls zweischleifige Schlan-
genfibeln. Die Nachbestattung Grab 2 enthielt bereits zwei gegossene Pau-
kenfibeln mit konischen Aufsätzen auf der Pauke, zu der sich Parallelen
in Per. II der Heuneburg (Mansfeld 1973, Taf. 17,732; Sievers 1984, 24
Abb. 13 Nr. 732.) bzw. in Parzingers (1989, Taf. 60,2-6;70,46) Horizont 7b
anführen lassen.
402 Ebd. HO.
 
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