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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 1 (Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0017
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DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
VIII. Jahrgang

Erstes Heft

Januar 1931

Mahnung
Von Ludwig Benninghoff
Der thüringische Innenminister Frick hat bekanntlich eine statt-
liche Zahl neuer Kunstwerke, unter deren Schöpfern, um nur
einen Namen nennen, sich auch Barlach befindet, aus den dem
Publikum zugänglichen Räumen der Weimarer Sammlungen ver-
wiesen mit der Begründung, daß die Art dieser Werke volksfremd
sei und infolgedessen zersetzend wirke. Ob Sentiments nationaler,
sozialer, moralischer, pädagogischer Natur sich ausbreiten dürfen
gegenüber der Objektivität einer Sammlung von Kunstgut, für die
lediglich die künstlerische Qualität des Werkes bestimmend sein
sollte, ist eine Frage, die hier nicht erörtert zu werden braucht.
Bilderstürmer bestätigen zu allen Zeiten die traurige Wahrheit,
daß Stumpfheit und Verblendung eine im Kern vielleicht nicht zu
verurteilende Sache überwuchern und entstellen. Sie enthüllen dann
das Antischöpferische, den Widerspruch gegen das Wunder des
Göttlichen im Menschen. Sie entblößen die Brutalität einer Macht-
gier, der das Gefühl für die Unantastbarkeit vom Wesen abgeht,
die durch nichts als durch die Würde ihres Seins beschützt werden,
aber eben mit dieser Würde ein stiller Vorwurf sind und den Haß
der Inferiorität aufreizen. Tragisch aber wird im Falle Frick dieser
Kampf gegen die Kunst durch den Willen, gegen Volksfremdes
vorzugehen. Denn unter den verwiesenen Werken und ihren
Schöpfern findet sich gerade das, was man als typisch deutsch be-
zeichnen kann. So eindeutig und infolge seines der üblichen Ästhetik
abgekehrten Ausdruckswillens nur auf die Wirkungsmöglichkeit
unter Deutschen angewiesen, wie weniges in allen Zeiten. Wir haben
somit einen jener gerade für die Deutschen sich häufenden, traurigen
Fälle, daß Sturheit und Unfähigkeit die stillen und großen geistigen
Vorkämpfer und Zeugen und ihre Leistungen verkennt und verfolgt
und damit Selbstmord begeht. Denn nur die Früchte, die schöpfe-
rischen Leistungen berechtigen vor einem höheren Richter die
Existenz eines Volkes, Sie bezeugen, daß ihm Leben innewohnt,
sie retten sein Imaginäres über die Zeiten, Daher bleiben die räum-
lich beschränkten Griechen das Idealvolk der Menschheit, daher
vergehen Riesenstürme wie die der Mongolen und ihres Dschingis
Khan wie vom Wind dahingestäubter Sand, daher lebt von den

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