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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 1 (Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0018
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Hunnen nichts als der Name ihres Herrschers, aber Attila ist nicht
einmal sein Name, sondern die gotische Bezeichnung, die uns die
Lieder der Goten, also schöpferische Wesen, bewahrt haben. Dieser
Goten künstlerische Seele aber, so gerecht ist die Geschichte,
kehrt, nachdem die Menschen längst verblutet, über den Süden,
über Spanien und Frankreich im Kreislauf zu uns zurück mit den
Bauwerken, die ihren Namen tragen. Sie leben, ihr Geist lebt in
den Werken, deren Keime in ihrer Art beschlossen sind.
Auf die Gefahr hin, oft Gesagtes noch einmal zu wiederholen, sei
versucht, den Beginn und die Art eines neuen Auftriebes einer
deutschen oder weiter nordischen Kunst aufzuzeigen. Denn es kommt
nicht darauf an, kurzweilig zu sein, sondern die Ansätze zur Zeugen-
schaft eines immanentenLebens, einer organisch wirkenden Kraft auf-
zuzeigen, die schicksalhaft in uns hineingeboren ist, die uns rettet aus
der Verkommenheit des Mechanismus, des Feindes alles Organischen
und Lebendigen, und zu deren Pflege die nordische Metropole Ham-
burg aus ihren natürlichen Bedingungen heraus berufen ist,

Daß man einem Volk, seinem Charakter, seinem zeitlich überzeit-
lichen Lebenszeugnis in der Kunst nicht platterdings mit so vagen
Begriffen wie Rasse beikommt, zeigt uns vorbildlich Moeller van
den Bruck in seinem herrlichen Werk: die italienische Schönheit*),
Denn dieses Italien ist für ein Jahrtausend Kristallisationspunkt der
Menschheit, bis nach einem natürlichen Gesetz des Wandels der
Schwerpunkt verlegt wird, zunächst in den Westen, jetzt, wie ich
glaube, in den Norden, Der Begriff Italien ist etwas geistig und
natürlich Gewachsenes, vielfältig Gewandeltes, je nach der Mischung
und Amalgamierung neue Seiten zeigendes, lebendiges Wesen, Das
Erbe der Griechen, die raffinierte, aristokratisch sinnliche, lebens-
freudige Welt der Etrusker, die von Goten und Skythen bereits
durchwirkten Einflüssen von Byzanz, die sarazenische Kultur und
— die Flut von Norden, die germanischen Ströme der Goten, Lango-
barden, Franken, Normannen, Erst auf der Südinsel erblüht die
geprägte Form aller dieser Völker, erst dort treten sie aus ihrer
dumpferen Kindheit in das Alter ihrer Reife und ihres Werkes,
Ob aber nun aus Griechen, Sarazenen, Byzantinern, Normannen
das Wunder Siziliens wächst, ob in Ravenna Gote und Byzantiner
leben, ob in der Toskana die Etrusker schaffen, ob in der Lombar-
dei, in Pavia, Mailand, Monza, Cremona die dunkle Welt der Lango-
barden auf steht und sich fortsetzt in Capua, Benevent, Troja, es ist
alles in seiner Gesamtheit ein Neues, nämlich Italien, Die Sub-
stanzen der Rassen, der technischen, manuellen Überkommenheiten
gehen mit der Landschaft ein neues Gebilde ein, sie werden eine
höhere Einheit geistiger Art, und man kommt ihnen mit Abspaltungen
und Zerlegungen nicht mehr bei, so wenig man in einem mensch-
*) Moeller van den Bruck, Die italienische Schönheit,
Verlag Cotta, Stuttgart.

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