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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 4 (April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0232
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lungen verschiedener Art) das monistisch-materialistische Ideal der
wilhelminischen Epoche zertrümmerte, mußte notwendig eine Weile
vor dem Nichts stehen. Während ihre Väter jenes Ideal ins Grab
geleiteten und nachdem die Kriegsgefallenen mit ihrem Blute eine
hohe, heilige Verwandlung gesät hatten, die noch nicht aufgegangen
ist, rief sie sich in der neuen Sachlichkeit jenes leere, reine Zentrum
ins Bewußtsein, Es sind natürlich lange, schwere Wehen, bis in
diesem kühlen, nüchternen Raum ein neues Ideal geboren wird
und aufwächst.
Ein Ideal ist eine Schöpfung, Und wie bei aller Schöpfung der
Mensch nur der Vollstrecker eines überirdischen, uneinsehbaren
Willens ist, so in diesem Falle die Generation, Nur dann ist eine
Schöpfung möglich, wenn der überrationale Wille und sein Voll-
strecker völlig harmonisieren, das heißt wenn der Vollstrecker sich
in glühendem Glauben und in reinem, unselbstischem Willen dem
jenseitigen Auftrag hingibt, den ihm allein das Gewissen vermittelt.
Nur darum ist es möglich, daß die sichtbare Schöpfung einer Gene-
ration zugleich der Gipfel einer unsichtbaren Zeitwelle ist. Ob
diese Hingabe nun die Erfüllung und Frucht unruhigen Suchens oder
ob sie Gnade ist, die sich der geöffneten Seele schenkt, oder auch
beides — jedenfalls steht sie am Ende eines schöpferischen
Wartens,
Darum hat die der noch unvollendeten Kriegsgeneration gleichsam
auf den Fersen nachdrängende ,Junge Generation“ unrecht, wenn
sie von der älteren ungeduldig die ,.sofortige“ Liquidation der Sach-
lichkeit und die plötzliche Ausfüllung jenes „leeren, reinen Zen-
trums“ fordert, wenn sie übereifrig=stürmisch nach dem Ideal ver-
langt, Es sei denn, daß sie selbst mit an seiner Gestaltung schafft
oder vielmehr gärtnerisch sein Wachstum pflegt. Unbewußt tut sie
das ja, aber Gärtnerarbeit bedarf der Geduld, der Einsicht in die
Ohnmacht gegenüber dem Walten und Werden der Natur, bedarf
der stillen Freude des Wartens und schließlich auch des Glaubens
an die kommende Blüte,
Die junge Generation aber — und darin liegt der Schlüssel für
manche Wirren dieser Zeit — gibt sich teils noch kritisch-negativ
mit den Überresten der materialistischen Epoche ab und legt dabei
nicht selten eine überhitzte und gewiß oft künstliche Nervosität und
Exaltation an den Tag; solche Überreste existieren freilich in der
Tat noch, von gewissen Persönlichkeiten und Gruppen immer noch
wie Museumsstücke vor allem Schaden bewahrt; doch die Kriegs-
generation, die das wilhelminische Zeitalter als Ganzes in den Ab-
grund gewälzt hat, ließ in Anbetracht schwererer Sorgen diese
Überreste unbeachtet in der Annahme, daß sie aus Mangel an
Lebensluft eines Tages von selbst absterben würden, — Zum
anderen Teil aber tut die junge Generation manchmal so, als wenn
das neue Ideal bereits erblüht und greifbar sei und als wenn sie
dafür sich mit allem Schneid und aller Tatkraft, die ihr eigen ist,

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