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Krenn, Margit; Winterer, Christoph
Mit Pinsel und Federkiel: Geschichte der mittelalterlichen Buchmalerei — Darmstadt: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.71566#0143
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die gehandelten Papierbögen bedingte herkömmli-
che Format für Papierhandschriften zu übertreffen.
Das Programm umfasste nahezu alle literarischen
Gattungen des Spätmittelalters: Ein Großteil fällt
auf höfische Epik und Erbauungsliteratur, allen vo-
ran Historienbibeln, mit deren Abschriften Lauber
seine Tätigkeit offenbar zunächst begonnen hatte.
Die Historienbibel aus der Lauberwerkstatt, die
heute in Darmstadt als Hs 1 aufbewahrt wird, ent-
hält die alttestamentlichen Geschichten in der Pro-
saversion der „Weltchronik" Rudolfs von Ems, die
mit apokryphen und profangeschichtlichen Texten
ergänzt sind (Redaktion Ila), sowie die neutesta-
mentlichen Geschichten nach der Prosaauflösung
von Bruder Philipps „Marienleben". Die Hand-
schrift ist mit 133 Federzeichnungen zu einzelnen
Textabschnitten illustriert: Wie bei Lauberhand-
schriften üblich, umreißen rubrizierte Bildüber-
schriften die dargestellte Situation. So steht etwa
über der Illustration fol. 30v (Abb. 90): „Wie agar
die swanger was worden von abraham und ir fro-
wen zorn vorchte und in die wüste ging und der
engel zu ir kam und su troste von gotte", oder
fol. 50r über dem vielfigurigen Kampf zweier mit
Schwertern und Hellebarden bewaffneter Mann-
schaften (Abb.91): „Hie erslugent Jacobes sune den
kunig und sine sun dar umb das su in ihr swester
hettent genotzoget wider iren willen."
Die Marketingstrategien des Diebold Lauber
bestanden in erster Linie aus Referenzen, indem er
sicli von Kunde zu Kunde weiterempfehlen ließ
und überdies einzelnen Handschriften eine Form
von Bücheranzeige beifügte, mit denen er für seine
Produktpalette von zirka 45 Titeln warb (z.B. Lon-
don, BL, Ms. Add. 28752, fol. 2r, oder als Abschrift
Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 314, fol.4r). Die
organisierte (Werkstatt-)Einheit für rationalisierte
Arbeitsschritte, die für eine bestimmte Zielgruppe
arbeitete und vorgefertigte Textformulare bereit-
hielt, demnach in gewissem Rahmen auch über Vor-
räte verfügte, verbunden mit der Vorstufe einer ei-
genständigen Verlegertätigkeit, ist nocla eine seltene
Erscheinung im Bereich der handgeschriebenen
und von Hand illuminierten Bücher. Erst im Ge-
werbe der frühen Druckwerke, mit deren Aufkom-
men sich die Tätigkeitszeit Diebold Laubers durch-
aus überschneidet, kehren diese Prinzipien wieder
und werden nun an den Kriterien eines zunehmend
freien Marktes ausgerichtet.
Eine explosionsartige Vermehrung des Schrift-
tums geht mit der Entwicklung des Buchdrucks im
ausgehenden Mittelalters einher. Die Erfindung Jo-



Jakobs Söhne erschlagen den König von Sichern und
seine Söhne. Werkstatt Diebold Lauber, 1423-1440.
Hs 1, fol. 50r (42,5 x 28,5 cm).


hannes Gutenbergs, mit beweglichen Lettern im
Hochdruckverfahren Texte identisch zu vervielfäl-
tigen, war wohl schon zur Jahrhundertmitte ent-
standen; die zweiundvierzigzeilige Bibel wurde im
Herbst 1454 vollendet. Dem als Buchdruck bekannt
gewordenen Verfahren waren aber andere Druck-
techniken vorausgegangen. Ganz- und teilseitige
Holzschnitte auf Einzelblättern, insbesondere für

143 5. Blüte des
Spätmittelalters
und Ausklang
 
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