mit der Urzeit, zentral-geistig, gestaltend, sie schafft gegenüber der Wohn-
höhle den umhegten Hof, das Saatfeld, den Kultplatz. Aber diese „umhegten
geistigen Kernformen sind zweckbedingt oder naturgebunden und erweisen
sich somit peripher-geistig, sobald wir sie mit der christlichen Kirche des
Mittelalters vergleichen..." Hinter dieser Dreiteilung, wobei die Vorzeit
relativ zur Urzeit: zentral-geistig, relativ zum Mittelalter: peripher-geistig
erscheint, steht das schon in dem Buch über die altnordische Kunst (S. 223)
eingeführte Begriffspaar des mechanischen und organischen Formprinzips
und zugleich das, wenn ich recht sehe, erst im neuen Buch eingeführte Be-
griffspaar der zentripetalen und zentrifugalen Bewegung. Mir scheint die
Kreuzung der Dreigliedrigkeit der Entwicklungsschritte mit den paarigen
polaren Begriffen logisch nicht ganz glatt zu sein. Aber deutlich ist die Auf-
gliederung der bisher überschaubaren nordischen Geschichte in Vorzeit,
Mittelalter und Neuzeit als übergeordnetem Rhythmus, der sich in der Vor-
zeit selbst so wiederholt, daß in ihr die Jungsteinzeit zur Bronzezeit, zur ger-
manischen Eisenzeit sich genau so verhalten, wie im Großen Vorzeit zu Mit-
telalter zu Neuzeit. Innerhalb jeder der drei Perioden entdeckt Sch. wieder
drei Stilphasen, die nach denselben Kriterien sich voneinander unterschei-
den. Obgleich ich, wie gesagt, wirklich nicht ganz hindurchsehe, wie der
zweigliedrige Rhythmus der zentripetalen und zentrifugalen Bewegung sich
zum dreigliedrigen, etwa der geradlinigen zur krummlinigen zur Tier-Orna-
mentik verhalte, sehe ich doch, daß Sch. hier das Hauptergebnis alles seines
Forschens in Händen zu halten glaubt und daß dieses System der nordischen
Kultur- und Kunstentwicklung (S. 106) dasjenige ist, wovon er in der Ein-
leitung als Ziel spricht: „die innerlich bedingte, organisch geartete Gesetz-
mäßigkeit der in der Kunstgeschichte sich offenbarenden geistigen Ent-
wicklung" (S. 7). Er glaubt an eine innere Gesetzmäßigkeit der Geschichte,
sieht in ihrer Erkenntnis das Gegenstück zur reinen Tatsachenwissenschaft,
das Kennzeichen der begrifflichen Kunstforschung. Das letzte Ziel der Kunst-
geschichtsforschung ist für Sch. die Erkenntnis der gesetzlichen Periodizität.
2. Das Problem der Periodizität.
Soviel mir bekannt, tauchte der Gedanke der Periodizität bei Jakob
Burckhardt 1843 in einem Aufsatz: „Über die vorgotischen Kirchen am
Niederrhein" auf 9. Er sagt von S. Gereon in Köln: „Und gerade an diesem
herrlichen Denkmal ist besonders im Detail viel gesündigt; es gibt sich,
obwohl mit Maßen, ein Element darin kund, welchem in der modernen Kunst
das sogenannte Rokoko entspricht". Dazu schrieb Burckhardt unter dem
Strich als Anmerkung: „Rokoko entsteht, wenn man das Wort gelten läßt,
9 Erschienen im Niederrheinischen Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Poesie,
jetzt wieder abgedruckt in der Gesamtausgabe der Werke von J. B., Stuttgart 1930,
Bd. I, S. 285 ff.
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höhle den umhegten Hof, das Saatfeld, den Kultplatz. Aber diese „umhegten
geistigen Kernformen sind zweckbedingt oder naturgebunden und erweisen
sich somit peripher-geistig, sobald wir sie mit der christlichen Kirche des
Mittelalters vergleichen..." Hinter dieser Dreiteilung, wobei die Vorzeit
relativ zur Urzeit: zentral-geistig, relativ zum Mittelalter: peripher-geistig
erscheint, steht das schon in dem Buch über die altnordische Kunst (S. 223)
eingeführte Begriffspaar des mechanischen und organischen Formprinzips
und zugleich das, wenn ich recht sehe, erst im neuen Buch eingeführte Be-
griffspaar der zentripetalen und zentrifugalen Bewegung. Mir scheint die
Kreuzung der Dreigliedrigkeit der Entwicklungsschritte mit den paarigen
polaren Begriffen logisch nicht ganz glatt zu sein. Aber deutlich ist die Auf-
gliederung der bisher überschaubaren nordischen Geschichte in Vorzeit,
Mittelalter und Neuzeit als übergeordnetem Rhythmus, der sich in der Vor-
zeit selbst so wiederholt, daß in ihr die Jungsteinzeit zur Bronzezeit, zur ger-
manischen Eisenzeit sich genau so verhalten, wie im Großen Vorzeit zu Mit-
telalter zu Neuzeit. Innerhalb jeder der drei Perioden entdeckt Sch. wieder
drei Stilphasen, die nach denselben Kriterien sich voneinander unterschei-
den. Obgleich ich, wie gesagt, wirklich nicht ganz hindurchsehe, wie der
zweigliedrige Rhythmus der zentripetalen und zentrifugalen Bewegung sich
zum dreigliedrigen, etwa der geradlinigen zur krummlinigen zur Tier-Orna-
mentik verhalte, sehe ich doch, daß Sch. hier das Hauptergebnis alles seines
Forschens in Händen zu halten glaubt und daß dieses System der nordischen
Kultur- und Kunstentwicklung (S. 106) dasjenige ist, wovon er in der Ein-
leitung als Ziel spricht: „die innerlich bedingte, organisch geartete Gesetz-
mäßigkeit der in der Kunstgeschichte sich offenbarenden geistigen Ent-
wicklung" (S. 7). Er glaubt an eine innere Gesetzmäßigkeit der Geschichte,
sieht in ihrer Erkenntnis das Gegenstück zur reinen Tatsachenwissenschaft,
das Kennzeichen der begrifflichen Kunstforschung. Das letzte Ziel der Kunst-
geschichtsforschung ist für Sch. die Erkenntnis der gesetzlichen Periodizität.
2. Das Problem der Periodizität.
Soviel mir bekannt, tauchte der Gedanke der Periodizität bei Jakob
Burckhardt 1843 in einem Aufsatz: „Über die vorgotischen Kirchen am
Niederrhein" auf 9. Er sagt von S. Gereon in Köln: „Und gerade an diesem
herrlichen Denkmal ist besonders im Detail viel gesündigt; es gibt sich,
obwohl mit Maßen, ein Element darin kund, welchem in der modernen Kunst
das sogenannte Rokoko entspricht". Dazu schrieb Burckhardt unter dem
Strich als Anmerkung: „Rokoko entsteht, wenn man das Wort gelten läßt,
9 Erschienen im Niederrheinischen Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Poesie,
jetzt wieder abgedruckt in der Gesamtausgabe der Werke von J. B., Stuttgart 1930,
Bd. I, S. 285 ff.
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