Carniae. 2. Der taktische Verlauf der Schlacht.
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Der einzige Moment der Schlacht, in dem ein größerer Durchbruch
gelungen sein kann, ist eben der hier in Eede stehende, und wir
halten es nicht für zu kühn, anzunehmen, daß der größte Teil der Börner,
die überhaupt von Cannae entkommen sind, sich tatsächlich bei dieser
Gelegenheit aus der Umklammerung der Karthager gerettet hat.
Aber schon war der Augenblick der Peripetie gekommen. Hanni- Einkreisung,
bals dritte Absicht bei der Vorschiebung des Zentrums, die wichtigste
von allen, trat jetzt in Wirksamkeit.
Kaum war die verkürzte römische Schlachtreihe so weit vorge-
drungen, daß sie den Afrikanern in der Flanke stand, so schwenkten
diese ein? und ihr energischer Angriff von der Seite her, unterstützt
von den Leichten, die Hannibal ohne Zweifel ebenso wie an der
Trebia hinter den Flügeln gesammelt und so wie dort mit zur Um-
klammerung bestimmt hat, brachte zunächst die Flügellegionen zum
Stehen und hinderte sie, ihren durchbrechenden Kameraden zu folgen.
Die Afrikaner konnten mit ihrer Front von ca. 190 Rotten auf jedem
Flügel nicht nur die ganze Flanke der tiefen römischen Aufstellung,
sondern auch noch einen guten Teil des Rückens der Römer mit um-
fassen. Die 8000 Leichten konnten zur Verlängerung dieser Front an die
Flügel der Afrikaner angeschlossen werden. Diese Truppen mußten
dann eine gewaltige Wirkung hervorbringen. Denn es sind ja bei Flanken-
stößen überhaupt nicht die Massen das allein Entscheidende; sondern
die Notwendigkeit, in die der Gegner versetzt wird, seine Aufmerk-
samkeit und Energie nach zwei Richtungen hin zu zersplittern, und
der moralische Eindruck, der besonders bei einer so kurzen Front,
wie die römische es war, geradezu lähmend wirken mußte, sind in
ganz besonders hohem Maße mit in Anschlag zu bringen. Es ist also
nicht nötig, gegen die Quellen mit Delbrück (s. Beilage I) die Afri-
kaner auf 12 000 statt auf 6 000 Mann anzusetzen, weil sonst die
Wirkung ihres Flankenangriffes nicht zu verstehen sei.
Erst bald darauf müssen dann auch die Reiter Hasdrubals den Afri-
kanern zu Hilfe gekommen und den Römern in den Rücken gefallen sein.
Denn es liegt auch hier kein Grund vor, mit Delbrück das zeitliche Ver-
hältnis umzukehren und den Reiterangriff gegen die Quellen vor den
Flankenstoß zu setzen1). Unter diesen Umständen muß es Hannibal, der
1) Delbrück setzt nicht nur den Reiterangriff vor das Einschwenken der Afri-
kaner, sondern sieht in ihm überhaupt das entscheidende Moment für die Schlacht.
Aber ein einzelnes, wenn auch noch so wichtiges Glied unter den verschiedenen
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Der einzige Moment der Schlacht, in dem ein größerer Durchbruch
gelungen sein kann, ist eben der hier in Eede stehende, und wir
halten es nicht für zu kühn, anzunehmen, daß der größte Teil der Börner,
die überhaupt von Cannae entkommen sind, sich tatsächlich bei dieser
Gelegenheit aus der Umklammerung der Karthager gerettet hat.
Aber schon war der Augenblick der Peripetie gekommen. Hanni- Einkreisung,
bals dritte Absicht bei der Vorschiebung des Zentrums, die wichtigste
von allen, trat jetzt in Wirksamkeit.
Kaum war die verkürzte römische Schlachtreihe so weit vorge-
drungen, daß sie den Afrikanern in der Flanke stand, so schwenkten
diese ein? und ihr energischer Angriff von der Seite her, unterstützt
von den Leichten, die Hannibal ohne Zweifel ebenso wie an der
Trebia hinter den Flügeln gesammelt und so wie dort mit zur Um-
klammerung bestimmt hat, brachte zunächst die Flügellegionen zum
Stehen und hinderte sie, ihren durchbrechenden Kameraden zu folgen.
Die Afrikaner konnten mit ihrer Front von ca. 190 Rotten auf jedem
Flügel nicht nur die ganze Flanke der tiefen römischen Aufstellung,
sondern auch noch einen guten Teil des Rückens der Römer mit um-
fassen. Die 8000 Leichten konnten zur Verlängerung dieser Front an die
Flügel der Afrikaner angeschlossen werden. Diese Truppen mußten
dann eine gewaltige Wirkung hervorbringen. Denn es sind ja bei Flanken-
stößen überhaupt nicht die Massen das allein Entscheidende; sondern
die Notwendigkeit, in die der Gegner versetzt wird, seine Aufmerk-
samkeit und Energie nach zwei Richtungen hin zu zersplittern, und
der moralische Eindruck, der besonders bei einer so kurzen Front,
wie die römische es war, geradezu lähmend wirken mußte, sind in
ganz besonders hohem Maße mit in Anschlag zu bringen. Es ist also
nicht nötig, gegen die Quellen mit Delbrück (s. Beilage I) die Afri-
kaner auf 12 000 statt auf 6 000 Mann anzusetzen, weil sonst die
Wirkung ihres Flankenangriffes nicht zu verstehen sei.
Erst bald darauf müssen dann auch die Reiter Hasdrubals den Afri-
kanern zu Hilfe gekommen und den Römern in den Rücken gefallen sein.
Denn es liegt auch hier kein Grund vor, mit Delbrück das zeitliche Ver-
hältnis umzukehren und den Reiterangriff gegen die Quellen vor den
Flankenstoß zu setzen1). Unter diesen Umständen muß es Hannibal, der
1) Delbrück setzt nicht nur den Reiterangriff vor das Einschwenken der Afri-
kaner, sondern sieht in ihm überhaupt das entscheidende Moment für die Schlacht.
Aber ein einzelnes, wenn auch noch so wichtiges Glied unter den verschiedenen