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Der zweite Punische Krieg bis Cannae.
der Druck der Masse und zweitens der Kampf der einzelnen Krie-
ger, — und daß das Verhältnis beider so aufzufassen sei, daß diese
zwei Arten der Kampfführung miteinander abgewechselt hätten:
bald habe im Laufe der Schlacht der Massendruck vorgeherrscht
oder sei sogar für Momente allein in Wirksamkeit getreten, bald
habe, indem beide Parteien vom Drängen erschöpft, Luft gegeben
hätten, der Einzelkampf überwogen oder allein das Feld gehabt.
Mit diesem Wechsel brachte ich die von Polybios überlieferte engere
und weitere Stellung der Legionäre in Verbindung. Beim Massen-
druck hätte der Legionär durchschnittlich nur 3, beim Einzelkampf
die Streiter im ersten Gliede 6 Fuß Frontraum zur Verfügung gehabt.
Gegen diese Ansicht vom Wechsel beider Kampfarten sowohl wie
von der veränderten Stellung der einzelnen hat sich nun Delbrück aus-
gesprochen und ist der Ansicht, daß sie nicht nur zu „Unmöglich-
keiten" sondern zu „Ungeheuerlichkeiten" führe, besonders da man
sich nicht vorstellen könne, wie man von der einen Kampfesart in
die andere übergegangen sei1).
Wenn ein solcher Übergang wirklich nicht möglich wäre, so müßte
Massendruck und Einzelkampf zu gleicher Zeit stattgefunden haben,
und das ist offenbar auch Delbrücks Anschauung von der Sache.
Aber gerade diese Anschauung ist es, die in Wahrheit eine Unmög-
lichkeit bedeutet.
Wer einmal in einer großen dichtgedrängten. Volksmenge ge-
standen hat, der weiß, daß man bei Massendruck die Arme nicht frei
hat, sondern sich höchstens mit aller Kraftanstrengung für einen Augen-
blick etwas „Ellbogenfreiheit" schaffen kann, sonst aber eingequetscht
in „drangvoll fürchterlicher Enge" seiner Glieder und seiner Bewe-
gungen einfach nicht Herr ist.
Nun standen die antiken Heere in der Schlacht gewöhnlich je 8 Kotten
tief, oft viel tiefer. Man stelle sie hvor, daß diese Massen von 2 entgegen-
gesetzten Seiten auf einander losdrücken, und zwar nicht wie im Volks-
gewühl gelegentlich und ohne einheitliche Richtung, sondern mit bewußtem
Ziele und höchster Kraftanstrengung. Was wird für die vordersten
Reihen die Folge sein? Sie werden so eingequetscht werden, daß sie
sich nicht rühren, von ihren Waffen gar keinen Gebrauch machen
1) Geschichte der Kriegskunst PS. 4 2 6 ff. Auch in den Preuß. Jahrbüchern 1905
(Bd. 121) S. 158ff. hat er schon gegen diese Ansicht polemisiert. Beide Formu-
lierungen decken sich in allem Wesentlichen.
Der zweite Punische Krieg bis Cannae.
der Druck der Masse und zweitens der Kampf der einzelnen Krie-
ger, — und daß das Verhältnis beider so aufzufassen sei, daß diese
zwei Arten der Kampfführung miteinander abgewechselt hätten:
bald habe im Laufe der Schlacht der Massendruck vorgeherrscht
oder sei sogar für Momente allein in Wirksamkeit getreten, bald
habe, indem beide Parteien vom Drängen erschöpft, Luft gegeben
hätten, der Einzelkampf überwogen oder allein das Feld gehabt.
Mit diesem Wechsel brachte ich die von Polybios überlieferte engere
und weitere Stellung der Legionäre in Verbindung. Beim Massen-
druck hätte der Legionär durchschnittlich nur 3, beim Einzelkampf
die Streiter im ersten Gliede 6 Fuß Frontraum zur Verfügung gehabt.
Gegen diese Ansicht vom Wechsel beider Kampfarten sowohl wie
von der veränderten Stellung der einzelnen hat sich nun Delbrück aus-
gesprochen und ist der Ansicht, daß sie nicht nur zu „Unmöglich-
keiten" sondern zu „Ungeheuerlichkeiten" führe, besonders da man
sich nicht vorstellen könne, wie man von der einen Kampfesart in
die andere übergegangen sei1).
Wenn ein solcher Übergang wirklich nicht möglich wäre, so müßte
Massendruck und Einzelkampf zu gleicher Zeit stattgefunden haben,
und das ist offenbar auch Delbrücks Anschauung von der Sache.
Aber gerade diese Anschauung ist es, die in Wahrheit eine Unmög-
lichkeit bedeutet.
Wer einmal in einer großen dichtgedrängten. Volksmenge ge-
standen hat, der weiß, daß man bei Massendruck die Arme nicht frei
hat, sondern sich höchstens mit aller Kraftanstrengung für einen Augen-
blick etwas „Ellbogenfreiheit" schaffen kann, sonst aber eingequetscht
in „drangvoll fürchterlicher Enge" seiner Glieder und seiner Bewe-
gungen einfach nicht Herr ist.
Nun standen die antiken Heere in der Schlacht gewöhnlich je 8 Kotten
tief, oft viel tiefer. Man stelle sie hvor, daß diese Massen von 2 entgegen-
gesetzten Seiten auf einander losdrücken, und zwar nicht wie im Volks-
gewühl gelegentlich und ohne einheitliche Richtung, sondern mit bewußtem
Ziele und höchster Kraftanstrengung. Was wird für die vordersten
Reihen die Folge sein? Sie werden so eingequetscht werden, daß sie
sich nicht rühren, von ihren Waffen gar keinen Gebrauch machen
1) Geschichte der Kriegskunst PS. 4 2 6 ff. Auch in den Preuß. Jahrbüchern 1905
(Bd. 121) S. 158ff. hat er schon gegen diese Ansicht polemisiert. Beide Formu-
lierungen decken sich in allem Wesentlichen.