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Krummer-Schroth, Ingeborg
Die Schatzkammer des Reichenauer Münsters — Konstanz, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.28051#0075
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1 SOGENANNTER „KRUG DER HOCHZEIT ZU KANA“ Abb. 3

5. Jalirhundert n. Chr.? und 15. Jahrhundert. Höhe 44 cm; größter Durchmesser 40 cm,
oherer Durchmesser (öffmmg) 16 cm.

Spätantikes Gefäß zum Mischen von Wasser und Wein aus grauweißem, grobkörnigem
Marmor mit wellenförmig geripptem Bauch und tauartig gedrehtem Henkel. Die untere
Hälfte und das Innere des gesprungenen Gefäßes ist mit vergoldetem, getriebenem
Kupfer umkleidet und gesichert. Der obere Rand der äußeren Metallhülle umläuft wie
ein Gürtel die Gefäßmitte unter dem Henkel und war mit krausen gegossenen spätgoti-
sdien Blattranken belegt, die weitgehend zerstört sind. Der hohe kräftige Fuß besteht aus
einer oberen Kehle zwischen Stäben und einem gegossenen durchbrochenen Maßwerk-
reifen über abgetrepptem Stehrand. Der Krug kam angeblich als Reliquie um 900 unter
dem berühmten Abt Hatto (Heito) III. (888—913) auf die Reichenau und war durdi
einen griechischen Möndi Simeon Achivus aus Jerusalem dort wiedererkannt worden. Er
ist der älteste im Abendland verehrte von mehreren sogenannten Krügen aus Kana (vgl.
Vases de Cana in „Monuments Piot“ X. (1903) S. 149 und 166 f.

Die abenteuerreiche Legende des Kruges ist erzählt in der Vita Simeonis Achivi (M.G.
SS. IV, 459), die ein Reichenauer Mönch des 10. Jahrhunderts schrieb und die in einem
Lektionar des 10. oder 11. Jahrhunderts (Cod. Aug. LXXXIV der Karlsruher Landes-
bibliothek ) auf uns kam und von Beyerle kurz nacherzählt ist.

Nach der Vita Simeonis stand der Krug zunächst auf dem Januariusaltar. Unter Abt
Witigowo erhielt er schon einen hervorragenden Platz im Marienchor hinter dem Altar.
In der Zeit um 1300 wurde ihm an der Nordseite des Marienchores eine Nische aus-
gebaut und ausgemalt. Über der Nische ist der Krug abgebildet inmitten der klugen und
törichten Jungfrauen (er steht hier stellvertretend für Christus). In der Nischenwölbung
sind die bittende Gottesmutter und Christus mit Lilienszepter und Segensgestus als ge-
krönte Halbfiguren dargestellt. Hinter dem Krug war ein gemusterter Vorhang gemalt
und ein Löwenhaupt wie ein antiker Brunnenmund.

Literatur:

Carmen Purchardi, Vers 452—54. — Kraus, 1887 S. 354. — Beyerle, 1925 S. 345 ff., vor
allem S. 374—78 (Legende der Vita Simeonis). — Gröber, 1925 S. 874 nennt als Material
fälschlich roten Marmor, weil der Marmor gelblidi-braun übermalt ist, so daß man seine
Struktur gar nicht sieht. — Knoepfli, 1961 S. 351 datiert den Krug ohne Begründung ins
2. Jahrhundert v. Chr. Die Datierung ins 5. Jahrhundert n. Chr. verdanke ich Herrn Dr. F.
Eckstein, Freiburg, der auf die Verwandtschaft mit Sarkophagen und Gefäßen mit Tor-
sionsriffelung aus dieser Zeit hinwies.

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