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Kühnel, Ernst; Cohn, William [Hrsg.]
Die Kunst des Ostens (Band 9): Maurische Kunst — Berlin: Cassirer, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.73315#0061
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CHRISTLICH-MAURISCHE KUNST

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Mudejaren und Barbaresken
Die naturgemäß sehr bescheidene Bautätigkeit der Mozaraber, d. h. der
Christen unter islamischer Herrschaft, bewegte sich zumeist in dem
Rahmen hergebrachter Formen und bietet interessante Beispiele für das
Nachleben der westgotischen Tradition bei gelegentlichem Eindringen orienta-
lischer Elemente. Eine Untersuchung über die Denkmäler, die aus dieser Phase
des Zusammenlebens zwischen Mauren und Christen erhalten blieben, ist
kürzlich von kompetenter Seite unternommen worden und hat viele Dinge
aufgezeigt, die für das frühe Mittelalter auch über Spanien hinaus von Be-
deutung sind*. Dagegen fehlt uns noch ein Einblick in die Strömungen, die
durch die Berührung mit dem Islam in die romanische Kunst der von ihm
politisch unabhängigen Gebiete gelangten und die zweifellos in Spanien leb-
hafter sein mußten, als in den anderen europäischen Ländern. Denjenigen,
die sich der Erforschung unseres Mittelalters widmen, ist die allgemeine Tat-
sache der geistigen Befruchtung durch den Orient nicht mehr unbekannt;
vermutlich werden wir aber auch bald in der Lage sein, islamische Einflüsse
im einzelnen festzustellen und vor allem ihre Mitwirkung bei dem Heran-
reifen des gotischen Stilgedankens zu erkennen.
Bei einer Betrachtung der Tätigkeit maurischer Architekten und Hand-
werker unter christlichen Herren, wie sie uns hier beschäftigt, wird man zwei
Punkte im Auge behalten müssen, die von vornherein bestimmend mit-
wirkten: einmal, daß sie sich vielfach vor völlig neue Aufgaben gestellt sahen,
die ihrer eigenen Schulung entgegenliefen, und dann, daß sie sogleich mit
Berufsgenossen von einer anderen Welt- und Kunstgesinnung in Wettbewerb
traten. Hätte man sie lediglich in den Dienst Andersgläubiger übernommen,
die selber noch kein ausgeprägtes Kunstschaffen besaßen, so wäre es ihnen
ein leichtes gewesen, ihre technischen Erfahrungen den neuen Erfordernissen
anzupassen und im übrigen ihr eigenes Stilempfinden zur Geltung zu bringen;

* M. Gömez Moreno, Iglesias mozärabes. Madrid 1919.

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