Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kürschner, Joseph [Hrsg.]
China: Schilderungen aus Leben und Geschichte, Krieg und Sieg ; ein Denkmal den Streitern und der Weltpolitik — Leipzig, 1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2422#0024
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mellmacktpolitiir uncl flolte.

„Drr DreiiÄÜ! gehöri in unsere laufi."

Wilh-lm H.

Durch das am 12. Juni 1900 von dem deutschen
Reichstage mit überwältigender Stimmenmehrheit an-
genommene neue Flottengesetz hat die Nation ein voll-
bewußtes und entschlossenes Glaubensbekenntnis auf jenes
stolze Kaiserwort abgelegt. Die Anuahme dieser, seit der
Gründung des Deutschen Kaiserreichs größten Marine-
vorlage ist charakteristisch für die neue deutsche Politik
beim Eintritt in das 20., das deutsche Jahrhundert.
Der in dem Flottengesetz trotz aller Abstriche klar zum
Ausdruck kommende Grundgedanke, in kurzmöglichster
Frist in den Vollbesitz zweier in sich abgeschlossener und
taktisch homogener Schlachtkörper für die entscheidenden
Hochseekämpfe zu gelangen, unter gleichzeitiger gesetz-
licher Festlegung dauernder Ersatzbauten und dadurch der
garantierten Erhaltung jenes Bestandes, ist an und für
sich gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, daß nun
auch Deutschland als vollwichtiger Kämpfer in den Wett-
bewerb der Großmächte einzutreten und den ihm ge-
bührenden Platz an der Sonne mit scharfem Schwerte
zu wahren gewillt sei.

Weltmacht und Weltpolitik sind im parlamentari-
schen Streit und in den litterarischen Fehdeu der letzten
Jahre zu vielgebrauchten Schlagworten geworden und
im Munde der Gegner tönt ihnen ein spöttisch-satyrischer
Klang nach, wohl gemahnend an jenes historische Wort
von dem preußischen Großniachtkitzel.

Aber mit der Entwickelung der modernen Verkehrs-
mittel, mit dem Schwinden von Raum und Zeit und
mit der Zunahme von Produktion und Güteraustausch
ist die moderne Weltwirtschaft, vielen unbewußt und
manchem ungewollt, für uns emporgewachsen, in welche
das Deutsche Reich an der Jahrhundertwende mit tausend
und abertausend Fäden eng verflochten erscheint. Das
Bedürfnis kraftvoll aufstrebender Handelsmächte, dem
über die engen Grenzen und den spärlich bemessenen
Boden der Heimat aufquellenden Nachwuchse und dem
Erzeugnisse emsiger Arbeit ihrer Söhne gebührenden
Raum zu schaffen, ihre besten Volkskräfte nicht ungenutzt
an fremde aufnahmebedürftige Staaten zu verlieren, son-
dern wenigstens mittelbar öem Mutterlande zu erhalten,

führt folgerichtig zu einem weitsichtigen Streben nach
der Bildung großer moderner Weltreiche. Weltreiche,
nicht in dem historischen Sinne ängstlich gebundener,
dynastischer Hoheitsrechte, nicht in dem Sinne einer für
alle Zonen einheitlichen und gleichlautenden parlamen-
tarischen oder republikanischen Verfassung, sondern viel-
mehr in dem klar zum Ausdruck kommenden Streben,
lediglich vom Standpunkt der wirtschaftlichen Notwen-
digkeit, in sich abgeschlossene und existenzfähige große
Zollgebiete zu schaffen, innerhalb deren ein Difserential-
system den Verkehr zwischen Mutterland und Kolonien
regelt, die nach außen aber um die weltfernen Grenzen
ihres Reiches Zollschranken gegen die Weltreiche der
großen, wettbewerbenden Nationen errichten. Sprache ^
und Eigenart des Mutterlandes bleiben im Rahmen
einer solchen Union auch in den überseeischen Jnteressen-
sphären fester und nachhaltiger gewahrt als bisher, und
mit diesen erstarkt auch jenseits des Ozeans mehr und
mehr das Gefühl einer politischen Zusammengehörigkeit
mit der Stammesheimat, wie dies noch in jüngsten
Tagen unverkennbar und überraschend in der opser-
willigen Heeresfolge der englischen Kolonien in dem
Transvaalkriege in die Erscheinung getreten ist.

Träger dieses Jmperialismus sind in erster Linie
Großbritannien und die nordamerikanische Union.

Aus den Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts
mit deni Tage von Trafalgar für das 19. Jahrhundert
zur nahezu unbestrittenen Hegemonie zur See empor-
gewachsen, behauptet England diesen Platz unter der
einsichtigen Leitung seiner Staatsmänner mit Energie.
Folgerichtig erwuchs nach und nach aus dieser politischen
Stellung heraus der Gedanke des „Größeren Britan-
niens" zu einem volkstümlichen Begriff, und in den
oben angedeuteten Bahnen sehen wir heute vor unserem
Auge ein gewaltiges englisches Merkantilreich erstehen,
welches in nicht ferner Zeit Kanada, Ost- und West-
indien, Südafrika und Australien, alten und neuen Be-
sitz, in dem englisches Blut vergossen und geflossen,
wieder angliedert an die kleine grüne Heimatsinsel —
nicht in starrer Staatsform, aber durch moderne wirt-
schaftliche Bande.

Jenseits der Atlantis in den Vereinigten Staaten

iii
 
Annotationen