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dienen. Wahrscheinlich ist es jedoch berechtigt, den Auftritt die-
ser Figur nicht vor 1517 anzusetzen, weil dieses Jahr der frühesten
Datierung der Einzelgestalten in der Handschrift Nor.K.445 entspricht.
Damit verliert die Maske an Eindeutigkeit. Zu einer Zeit, als die
Papstkirche als einzige wertsetzende Instanz von Bedeutung aner-
kannt war, würde im Kontext der Fastnacht dem "Ablaßbrief-Kostüm"
unzweifelhaft die Funktion des Sündenkleides zuzuschreiben sein,
jedenfalls dann, wenn nicht allein individuelle Phantasie oder
scherzhafte Momente als begründende Motive angenommen werden sollen.
Wenn das Kostüm als Element des Nürnberger Schembartlaufes im ersten
Viertel des 16. Jahrhunderts auftrat, so sind dafür zunächst zwei
mögliche Gründe anzuführen.
Luthers Aufbegehren gegen die Absolutions- und Bußpraxis der Papst-
kirche, seine Disputation mit den Gelehrten Wittenbergs im Jahre
1517 und die Veröffentlichung erster Programmschriften 1520,fällt
etwa in die Zeit, die für den Auftritt des "Ablaßbrief-Kostüms"
anzusetzen sein wird. Es erscheint daher zunächst als begründet,
die Maske als frühes Zeugnis reformatorischer Kritik am Ablaß-
handel in Nürnberg zu werten.
Diese Argumentation erweist sich jedoch als brüchig, wenn der Rahmen
der Darstellung berücksichtigt wird, der weit entfernt war von der
Anpassungsfähigkeit moderner Karnevalsumzüge an jeweilige politische
oder kulturelle Situationen. Der Schembartlauf war inhaltlich und
formal traditionelles Gut.Ihm lagen im 14. und 15. Jahrhundert ent-
wickelte Vorstellungsmuster zugrunde, und er erwies sich noch 1539
als geeignetes Mittel zur Darstellung von Kritik an reformatorischen
Neuerungen. Seine Organisatoren und Teilnehmer waren geprägt vom
Denken des 15.Jahrhunderts, selbst Persönlichkeiten, die, wie Hans
Sachs, der neuen Lehre offen gegenüberstanden, tradierten unbe-
wußt noch Jahrzehnte nach Nürnbergs konfessionellem Umschwung
Wertvorstellungen, die dem reformatorischen Geist widersprachen.
Vor diesem Hintergrund müßte die zeitkritische Aussage des Kostüms
als von so fundamentaler revolutionärer Durchschlagskraft gewertet
werden, daß seine Eingliederung im Brauch nahezu unmöglich erscheint.
dienen. Wahrscheinlich ist es jedoch berechtigt, den Auftritt die-
ser Figur nicht vor 1517 anzusetzen, weil dieses Jahr der frühesten
Datierung der Einzelgestalten in der Handschrift Nor.K.445 entspricht.
Damit verliert die Maske an Eindeutigkeit. Zu einer Zeit, als die
Papstkirche als einzige wertsetzende Instanz von Bedeutung aner-
kannt war, würde im Kontext der Fastnacht dem "Ablaßbrief-Kostüm"
unzweifelhaft die Funktion des Sündenkleides zuzuschreiben sein,
jedenfalls dann, wenn nicht allein individuelle Phantasie oder
scherzhafte Momente als begründende Motive angenommen werden sollen.
Wenn das Kostüm als Element des Nürnberger Schembartlaufes im ersten
Viertel des 16. Jahrhunderts auftrat, so sind dafür zunächst zwei
mögliche Gründe anzuführen.
Luthers Aufbegehren gegen die Absolutions- und Bußpraxis der Papst-
kirche, seine Disputation mit den Gelehrten Wittenbergs im Jahre
1517 und die Veröffentlichung erster Programmschriften 1520,fällt
etwa in die Zeit, die für den Auftritt des "Ablaßbrief-Kostüms"
anzusetzen sein wird. Es erscheint daher zunächst als begründet,
die Maske als frühes Zeugnis reformatorischer Kritik am Ablaß-
handel in Nürnberg zu werten.
Diese Argumentation erweist sich jedoch als brüchig, wenn der Rahmen
der Darstellung berücksichtigt wird, der weit entfernt war von der
Anpassungsfähigkeit moderner Karnevalsumzüge an jeweilige politische
oder kulturelle Situationen. Der Schembartlauf war inhaltlich und
formal traditionelles Gut.Ihm lagen im 14. und 15. Jahrhundert ent-
wickelte Vorstellungsmuster zugrunde, und er erwies sich noch 1539
als geeignetes Mittel zur Darstellung von Kritik an reformatorischen
Neuerungen. Seine Organisatoren und Teilnehmer waren geprägt vom
Denken des 15.Jahrhunderts, selbst Persönlichkeiten, die, wie Hans
Sachs, der neuen Lehre offen gegenüberstanden, tradierten unbe-
wußt noch Jahrzehnte nach Nürnbergs konfessionellem Umschwung
Wertvorstellungen, die dem reformatorischen Geist widersprachen.
Vor diesem Hintergrund müßte die zeitkritische Aussage des Kostüms
als von so fundamentaler revolutionärer Durchschlagskraft gewertet
werden, daß seine Eingliederung im Brauch nahezu unmöglich erscheint.