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Küster, Jürgen
Spectaculum vitiorum: Studien zur Intentionalität und Geschichte des Nürnberger Schembartlaufes — Remscheid: Kierdorf-Verl., 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.73509#0169
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erfüllen scheint, den Kampf der niederen und erniedrigenden
Kräfte gegen die höheren und erhöhenden, der Barbarei gegen die
Kultur, der Roheit gegen die Sitte, des Lasters gegen die
Tugend" '.

Geiler von Kaysersberg teilt in einer Predigt aus dem Zyklus "Emeis"
die "Wildleute" in verschiedene Gruppen ein, von denen die letzte
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die der "diaboli" ist . Aus dieser Perspektive ist es verständ-
lich, warum neben den Teufelsgestalten und Narren im Schembart-
lauf auch die "Wildleute" auftraten. Ob sich an ihre Darstel-
lung im Brauch szenische Aktionen anschlossen, wie sie später
von Pieter Brueghel d. A. auf dem Bild vom Streit des Kar-
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162 nevals mit der Fasten angedeutet sind , ist nicht zu ent-
scheiden. Denkbar wäre es, daß die Konstellation von "Wildem
Mann" und "Wilder Frau" zum Spiel angeregt hat.

3.7.4. Kostüme mit Bemalungen und Applikationen
Das Gesamterscheinungsbild dieser Figuren ist bunt und reicht von
farbig abgesetzten Kleidern bis hin zum "Ablaßbrief-Kostüm". Die
Bedeutung des Kleides als Spiegel innerer Zustände seines Trägers,
dessen Position im christlichen System beispielsweise durch das
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fastnächtliche Fleckenkleid als sündhaft beschrieben werden konnte ,
dürfte zur summarischen Erfassung mehrerer Maskentypen berechtigen,
deren formale Eigenschaft, die Applikation bestimmter zeichenhafter
Objekte auf dem Kleid, inhaltliche Äquivalenz vermuten läßt.
Besonders einsichtig erscheint der Zusammenhang zwischen Sündhaftig-
keit und Maske bei dem Kleid, das vom Halsansatz bis fast zu den
163 Knieen seines Trägers mit Ablaßzetteln bedeckt ist. Doch erweist
sich das Phänomen bei näherer Betrachtung als problematisch. Leider
gibt es auch für dieses Kostüm keinen Hinweis auf den Termin der
Mitwirkung. Wenn einzelne Schembartchronisten das Jahr 1522 oder
397
1523 angeben , so geschieht das ohne erkennbaren Quellenbezug,
und die Aussage kann daher nicht zur chronologischen Bestimmung
 
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