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Küster, Jürgen
Spectaculum vitiorum: Studien zur Intentionalität und Geschichte des Nürnberger Schembartlaufes — Remscheid: Kierdorf-Verl., 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.73509#0213
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4.4. Der Umzug der Metzger
Eine besondere Position in fastnächtlichen Brauchtum Nürnbergs im
189 16. und 17. Jahrhundert nimmt der Metzgerunzug ein. Am Donnerstag
nach Fastnacht verehrten, so berichtet Siebenkees'", die Schwei-
nemetzger den Magistratsmitgliedern eine 60 Ellen lange Bratwurst.
Diese war von zwei Metzgerknechten zuvor an einer langen Stange zum
Rathaus getragen worden, wobei das Demonstrative der Handlung von
einem vorweg marschierenden Sackpfeifer betont wurde. Der Rat be-
lohnte die Metzger mit 6 fl. Groschen.Es handelte sich hierbei
nicht um ein vereinzeltes und verspätet realisiertes Handlungs-
konzept mittelalterlicher Fastnacht, sondern um die Innovation
eine,s Brauchgeschehens, das bis ins Detail der potentiellen vor-
reformatorischen Tradition entsprach. 1605 findet wieder der Metz-
gertanz statt, am 17. und 18. Februar 1613 ziehen die Fleischer
mit nunmehr 6 Stadtpfeifern,begleitet von 8 Ratsmitgliedern und
Stadtknechten durch die Nürnberger Gassen. Am 6. März 1614 führen
sie bei gleicher Gelegenheit eine 493 Ellen lange und 204 Pfund
schwere Wurst mit, die am Aschermittwoch gemeinsam verzehrt wird.
1615 und 1624 wird wieder gefeiert, diesmal ist die Fastnachts-
wurst 596 Ellen lang und 232 Pfund schwer. Am 8. und 9. Februar
1658 wiegt die Wurst 514 Pfund und ist 658 Ellen lang. Der Umzug
wird 1669 und 1683 wiederholt. In diesem letzten Jahr, womög-
lich bezeichnender Weise drei Tage nach Beginn des weiteren Fast-
nachtskreises, am 14. November. Während die anderen Handwerke
nach und nach vom Fastnachtstermin abkommen und ihre Vorführun-
gen somit aus der Tradition lösen, die ohnehin nicht mehr dem
Denken der Zeit entsprach, inszenieren oie Metzger einen zu-
mindest formal perfekten Fastnachtsumzug,der beinahe präzise die
mittelalterlichen Intentionen spiegelt.
Die Fleischer sind wie zwei Jahrhunderte zuvor die Ausführenden,
der Umzug wird durchgängig in der Zeit um Fastnacht ausgeführt.
Nach 1683 scheint man die Bedeutung des 11.11. zu kennen, wenn
man kurz darauf den traditionellen Beginn der Karnevalsvorbe-
reitungen mit einem Fest begeht. Am Aschermittwoch des Jahres
 
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