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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Gmelin, Leopold: Kunstgewerbliche Streifzüge auf der Pariser Weltausstellung. Eine Nachlese, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0139
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Kunstgewerbliche 5treifzüge auf der pariser lveltausstellung.

Thüre im schloß Salzburg?) Nach einen: Besuch
in dem aus Motiven des reichsten Saales auf Schloß
Belthurns zusannnengestellten Salon (in welchem
namentlich die farbigen Intarsien trefflich gelungen
waren)* 2) und nach einem Blick in das getäfelte (Ecf
und (Erkerzimmer mit den Flachschnitzereien aus der
Kapelle zu (Ebbs3 4) geleitete eine Treppe mit gotischem
Eisengeländer in das Obergeschoß, wo noch sonst
allerlei Tiroler Specialitäten zu sehen waren, daneben
aber auch ein Zimmer mit seidengestickten Wand-
behängen und ein anderes in Tyroler Flachschnitzerei,
wobei nicht ohne Glück der Versuch gemacht war,
mit den alten Waffen neue Ziele zu erkämpfen.

Was Wien an Mobiliar gebracht, war völlig
von anderm Geiste erfüllt; die ganze österreichische
Truppe drängte sich auf dein linken Flügel zusammen,
und nur Prag schien diesen: Zuge nach links einigen
Widerstand entgegenzusetzen. In: Gegensatz zu Deutsch-
land, wo die Maler in: Anfang die Zügel des
neuen Kunsthandwerks führten, haben in Öster-
reich besonders die Architekten die Führung über-
nommen: L. Baumann, dem das österreichische
Lsaus und der Ehrensaal in der kunstgewerblichen
Abteilung (s. Abb. \77) zu verdanken ist, — Jos.
Lsofmann, der die Wiener Kunstgewerbeschule in
einen neuen, ungewohnten Sattel gehoben und zugleich
die Brücke zu ihrem bisherigen Übungsplatz abge
brachen hat, — I. W. Olbrich, der zwar nach
Darmstadt verpflanzt ist, aber von seinem reichen
Fruchtsegen ein gut Teil über Wien herabschüttelt.

pat es zieinlich lange gedauert, bis es den in
Deutschland im Kunsthandwerk thätigen Malern zum
Bewußtsein gekonnnen ist, daß ein Möbel inehr nach
praktischen und konstruktiven Gesichtspunkten gebaut
werden muß, so sind die Wiener Architekten inanch
mal zu sehr nur den konstruktiven Forderungen ge-
folgt^) und haben glatte Formen geschaffen, die ebenso
sauber und appetitlich, wie poesielos und nüchtern
sind; die Abwendung von: eigentlichen Ornament
hat aber auch wieder, um überhaupt Abwechselung
zu erzielen, zur Krümmung von Stützen, zur Häufung

1) Die Flachschnitzereien aus Zirbelholz waren in der
Staatsgewerbeschule zu Innsbruck, die frei geschnitzten Thür,
ornamente in der Staatsgewerbeschule zu Salzburg gefertigt.

2) Die ffolzarbeiten waren von der k. k. Fachschule für
Holzindustrie in Bozen, die Vfen von der Fachschule für Thon-
industrie in Bechyn und die Beschläge von der Fachschule für
Aunstschlosserei in Röniggrätz geliefert worden.

°) Diese Flachschnitzereien sind zuerst ausführlich publiziert
worden in der Zeitschr. d. Bayer. Aunstgewerbevereins, Jahr-
gang Z8I2 S. <uff.

4) Vgl. das in Paris ausgestellte und in unserer Zeit-
schrift schon iin letzten Jahrgang. S. >5H abgebildete Zimmer,
das A. Pospischil nach Jos. ksofmanns Entwurf ausge-
führt hat.

von Stäben geführt.^) paben die näherbezeichneten
deutschen Maler über ihren tektonischen Experimenten
an Möbeln vielfach ihr eigenstes Gebiet, die Raum-
ausschmückung, vernachlässigt, so zeigen umgekehrt
die Wiener Architekten die (Einwirkung des struktiven
Denkens auf die Dekorierung glatter Wandflächen,
wobei diese init wohlgeordi:eten stilisierten Bluinen
beklebt2) oder durch rhythmisch gereihte Senkrechte,
Punkte, Kreisscheiben dürftig verköstigt werden, wenn
sie nicht wie das auch zu sehen ist alsTum-
melplatz verrückt gewordener, in: Serpentintanz sich
windender Notenlinien nüßbraucht werden.

Nebei: den Prunkräumen von portois und Fix
in: österr. Staatsgebäude (Abb. ffl8) und den: (Ehren-
saal bei Österreichs Kunstgewerbe (Abb. \77) machte
besonders die von einer Anzahl Wiener Meister
ausgestellte Zimmergruppe - die Salonkoje einer
fürstlichen Vergnügungsyacht von I. M. Olbrich
— Anspruch auf Beachtung, weil sie die Licht- und
Schattenseiten der neuen Wiener Stilweise an: deut-
lichsten veranschaulichte: vornehme Gesan:tstin:mung
des Raumes, elegante, brauchbare Möbel, deren
Formen aber teilweise eine starke Neigung zun:
Nüchternen, oder zun: Gesuchten besitzen, — Scheu
vor dem Ornament, abwechselnd mit aufdringlicher
Anwendung desselben. Durch Größe, Anordnungs-
weise und Häufung beeinträchtigten z. B. die auf die
Wand applizierten Blumen in den: Hauptraum die
Harmonie des Ganzen ebenfosehr wie die in der
Kaminecke hervorbrechenden roten Flammenzungen,
die —• gleichfalls in Applikationsarbeit — an der
Wand hinaufzüngelten. Aberdies wurde die Wirkung
dieses Raumes leider stark beeinträchtigt durch die
große Zahl der darin aufgestapelten Dinge, die alle
aufs Gesehen- und Bewundertwerden warteten.3)

Auf völlig anderer Grundlage haben Fanta und
Koula die von der Prager Handelskammer ausge-
stellten Räume ausgebaut; unverkennbar stak darin
noch ein Stück von jenem Renaissancegeist, der das
Prager Kunstleben vor den: 30 jährigen Kriege be
herrscht hat, init den: sich jetzt modern-nationale
Bestrebungen mischen, wie sie namentlich in der
Ausstellung der Prager Kunstgewerbeschule zu Tage
treten.

*) Außer dem auf 5. ;28 abgebildeten Zimmerchen von
Niedermoser gehörten dahin u. a. das Zimmer von Aug.
Ungethüm, nicht aber jenes von I. u. I. Rohn, bei welchem
die Technik des gebogenen ffolzes von selbst zur Anwendung
gebogener Rahmen rc. leitete.

2) vgl. Abbildung :98 und 200.

s) vgl. Abbildung 200 und die zugehörige Beschreibung
bei „Unsere Bilder", 5. \3\.

(Schluß folgt.)

:2o
 
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