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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Roessler, Arthur: Otto Obermeier
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0024
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Otto Vbermeier.

25. Prinzregentenbrücke; Architektur von Theodor Fischer, München-Stuttgart.

in denen sich das Bürgertum auf seine Art auslebte
und zu jener Einheit der Lebensäußerungen gelangte,
welche die Bezeichnung Stil verdient. Eine spätere
Zeit hat diesen Etil „Biedermeier" getauft. In
diesem Wort verdichtet sich für uns die Vorstellung
einer vollkoinmen durchgebildeten bodenständigen
Uultur, die in ungebrochener Linie von den gewöhn-
lichen Tageserscheinungen bis zu den Gipfelpunkten,
welche die Namen Grillparzer, Schubert, Schwind
bezeichnen, emporsteigt. Und ein sonnenhaftes Lächeln
umspielt heute alle Lippen, welche dieses Wort nennen.
Die jüngst verwichene Zeit, welche dem ‘Kultus der
historischen Stile frönte, hat in das Wort Bieder-
meier jenes Blaß von unsäglicher Verachtung hinein-
gelegt, welches der Kosmopolit, auch der vermeint-
iiche, für das Spießbürgertum immer bereit hat.
Das Wort war eigentlich nur gemünzt als Bettel-
pfennig für alles Lächerliche, Gezierte, hausbackene,
philisterhafte, das man, wenn man durchaus will,
der Schinachtlockcnzeit anmerken konnte. Aber die
Oeiten haben sich gründlich geändert und der Kos-
mopolitismus, der in allen Stilepochen lebte und

j einen wahren Unrat von Geschmacklosigkeit und
Widersinnigkeit aufhäufte, hat einen gräßlichen
Katzenjammer hinterlassen. Wir suchen heute alle
! volkstümlichen Kunstelemente auf, die wurzelhaft
sind, sofern sie nicht in den letzten fünfzig Jahren
I mit Stumpf und Stil ausgerodet wurden. Wir
knüpfen dort wieder an, um uns durch ihr Vorbild
zu stärken, damit auch wir zu formen gelangen,
in denen unser Volk und unsere Zeit lebt und die
vom gewöhnlichen Alltag bis zu den ergreifendsten
Äußerungen festlicher Weihe nur eine ungebrochene
Linie aufweist.

Und wie es oft erging: was anfänglich Schimpf-
wort war, ward später Ehrentitel: Biedermeier.

Des rechtschaffenen Biedermeiers Gefühl für
Gesetz und Ulaß der Gestaltung der Dinge, die er
für sein werktägliches Leben benötigte, war erstaun-
lich fein. Er hatte sich auf sich selbst besonnen und
den Ulut zu sich und der Art seiner Lebensäußerungen.
Er versuchte sich nicht in einem falschen Wähnen
gewaltsanr emporzustilisieren (zumal ihnr das ver-
führende Geld zu solchen Extravaganzen fehlte), son-

Tinfassung) von Otto Vbermeier, München.

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