Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

DOI Artikel:
Roessler, Arthur: Otto Obermeier
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gtto Gbermeier.

28. u. 29. Entwürfe zu Bucheinbänden; von Vtto G bermeier,
München.

dern lernte es, mit gerintzen Mitteln etwas Gutes,
Aulturgrädiges zu erreichen und sich dabei zu be-
scheiden. Biedermeiers Werke der Aunst und der
angewandten Aunst, deren Ehrenrettung sich glanz-
vollerweise in verschiedenen Ausstellungen, wie letzt-
hin in der „Deutschen Jahrhundert-Ausstellung" voll-
zog, sind allein schon bedeutend durch die posenlose
große Ehrlichkeit, aus der heraus sie als die unver-
fälschten Aundgebungen des Zeitgeistes entstanden.
Daher mag es gelten: Biedermeier als Erzieher.
Wohlverstanden: als Erzieher, nicht als Vorlagen-
muster. Die behaglichen Dingformen, die uns eine
neue Augenlust sind, dürfen nicht kopiert werden.
Dies wäre kein besseres Tun, als die unselbständige
Wiederholung der historischen Stile anderer Epochen,
gegen die wir uns so energisch sträubten. Es han-
delt sich nicht um äußerliches Nachahmen, es handelt
sich um die Gewinnung der geistigen Essenz der groß-
elterlichen Aultur.

Nun empfing ich durch die Betrachtung der bis-
herigen Arbeiten Otto Obermeiers, denen, feien sie
untereinander auch ungleichwertig, durchwegs eine
freundlich anmutende Ehrlichkeit und Heiterkeit zu

eigen ist, den Eindruck, daß etwas von dieser geisti-
gen Essenz in seinem Wesen enthalten und in seiner
Aunst wirksam ist; daß die Arbeiten der seinem spe-
zifisch süddeutschen Wesen gemäße logische künst-
lerische Ausdruck sind, daß sie nicht einer Laune zur
Spielerei und nicht einer snobistischen Modefexerei ihre
besondere stilistische Ausgestaltung verdanken, sondern
aus einer natürlichen Empfindung heraus in just dieser
altvaterlnden Form geschaffen wurden.

Otto Obermeier trägt noch den altfränkisch ge-
schnittenen Rock aus dein gediegen gewirkten Zeug
des Großvaters und sonstige ererbte Dinge, und es
ist brav, daß er sie wert hält, aber es wäre doch
ein schädigender Irrtum, der ihn zu einem falschen
Dasein und einem nutzlosen Werk verführen würde,
wenn er mit dem ererbten Material den historischen
Biedermeier mimen wollte. In unserer Zeit des
Telephons, der elektrischen Schnellbahn, des Auto-
mobils, der drahtlosen Funkentelegraphie, des Lifts
und des Vacuum cleaner dürfen wir keinen Mummen-
schanz mit historischen Aostümen treiben. Ich glaube
ja nicht, daß Obermeier bewußt künstlerischen Masken-
scherz zu vollführen gesonnen ist, denn es sind Merk-
male vorhanden, dis vermuten lassen, daß er nur so
lange sich der überlieferten Formen bedienen wird,

\2
 
Annotationen