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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Gmelin, L.: Die III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906, [5]: die Dresdner
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0090
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Die III. Deutsche Kunstgewerbeausstellung Dresden ;go6.

rauhte Oberfläche, die dem Staub uud feinem Bakterien-
gefolge Millionen von Schlupfwinkeln bereitet, den
sanitären Forderungen der Gegenwart entspricht,
mögen Hygieniker entscheiden —, sachlich ist sie berech-
tigter als der Messing blech Überzug, der das Holzwerk
des Konsolgesims und der Kaffetleudecke verhüllt.
Denn die reliefierte Maserufläche ist mit ihrem Unter-
grund völlig eins, sie ist die Ls aut des Walzwerks,
während der Messingblechbelag nur ein übergelegtes,
mit dem darunter Liegenden nicht verwachsenes Kleid
darstellt.

Als Sonderräume kommen noch ein sehr freund-
liches — auf Weiß, Grün, Gelb (bzw. Messing)
gestimmtes — Hotelzimmer und ein Sauatorium-
zimmer — dessen farbige Wirkung auf Weiß uud
Tomatenrot (in verschiedenen Abstufungen) aufgebaut
ist —■ in Betracht; die übrigen Räume verteilen sich
auf eine Arbeiterwohnung — Küche und zwei
Zimmer — und eine Mittelstandswohnung — sechs
Zimmer und Bad. Da es an dieser Stelle nicht
möglich, diese Wohnungen im einzelnen zu besprechen,
so sei wenigstens festgestellt, daß sie ihre Aufgabe
bestmöglich lösen, daß sie namentlich auch in bezug
auf farbigen Zusammenklang selbst cinpfindlichen
Augen keine Angriffspunkte bieten, — ein Vorzug,
der sich auch dem von Riemerschmid ausgestattcteu
Eisenbahnwagen uachrühmen läßt.

Nur einige allgemeine Bemerkungen! Es kann
nicht leicht zu hoch angeschlagen werden, daß die
„Dresdener Werkstätten" es unternommen haben, mit
diesen Zimmergruppen darzulegen, wie die Woh-
nungen künstlerisch ausgestattet werden können, die
den von Arbeiter- und Mittelstandskreisen aufzuwen-
denden Mitteln angemessen sind; uud es ist nur sach-
liche Notwendigkeit, nicht einseitige Geschästsreklame,
wenn in jedem Zimmer das Verzeichnis der Möbel
unter Angabe des Preises zu finden ist?) Besser,
man schlägt das Visier auf, als daß der etwaige
Rauflustige aus lauter Besorgnis, daß hinter den
„Ausflellungsmöbeln" wahrscheinlich ein hoher Preis
lauert, gar nicht wagt, sich danach zu erkundigen.
Gs wäre im höchsten Maß interessant, zu erfahren,
welche Bestellungserfolge gerade dieser Teil der Aus-
stellung gezeitigt hat; das würde vielleicht sicherere
Schlüsse auf die künstlerische Kultur der genannten
Gesellschaftskreise ziehen lassen, als Statistiken über
Zahl und Art der Ausstellungsbesucher. Wir fürchten
aber beinahe, daß der Sinn für Großtuerei und
schönen Schein immer noch mächtiger ist als der für
Wahrheit und Echtheit, besonders wenn diese mit
Einfachheit verschwistert sind.

Sehr viel kann in dieser Beziehung durch die
Volksschulen getan werden, uud wenn man überall
so vorbildliche Schulräume und Lehrerwohnungen
eiurichtet, wie die in den: „Dorf" der Dresdener Aus-
stellung, dann besteht Aussicht, daß dem Heran-
wachsenden Geschlecht der richtige Sinn für edlere
Einfachheit auerzogen wird; das für die Gemeinde
Neu-Eibau in der Dberlausitz bestimmte Schulhaus,
das Ernst Kuhn, Dresden, mit staatlicher Unter-
stützung gebaut und eingerichtet hat, kann in jeder
Hinsicht als Lehrbeispiel angesehen werden. Nicht
minder befinden sich in den Arbeiterhäusern, an
deren Mobiliar Wilh. Kreis mit seinen Schülern
und R. Riemerschmid beteiligt sind, vorbildliche
Leistungen in Möbeln.

Ähnliche soziale Gedanken wie die „Dresdener
Werkstätten" verfolgte der Leipziger Künstlerbund,
als er daran ging, unter Leitung des Architekten
Rapmund Brach mann, Leipzig, für zweierlei Woh-
nungen je eine ganze Ausstattung zusammenzustellen:
für eine kleinere zum mittleren Mietzins von 600 M.
(3 Zimmer und Küche), vollständig eingerichtet zu
2500 Uk. ■— und für eine größere zum mittleren
Mietpreise von \200 M. (6 Zimmer und Küche),
vollständig eingerichtet zu 5000 M. —>, dabei sind
Vorhänge, Teppiche, Lampen, Bettzeug, Geschirr,
Gläser, Lithographien ic. mitinbegriffen. Die Durch-
führung dieses Gedankens ist künstlerisch allerdings
keineswegs einwandfrei; besonders in bezug auf
Farbe sind Mißgriffe wahrzunehmen. Aber trotz
alledem, muß man es dankbar anerkennen, daß so-
wohl die „Dresdener Werkstätten für Handwerks-
kunst" als der Leipziger Künstlerbund sich nicht um
die heikle Frage der Kosten herumgedrückt, sondern
ihr scharf ins Gesicht gesehen und damit den Aus-
stellungsbesuchern vor Augen geführt haben, daß
auch in einer mit bescheidenen Mitteln hergestellten
Wohnungsausstattung künstlerischer Geist lebendig
sein kann.

Daß diese Leipziger Raumkunst hinter ihrer
Dresdener Schwester zurückbleibt, ändert nichts an
dem Verdienst, einmal die hauswirtschaftlichen Seiten
der Lachkunst, speziell der Raumkunst durch Darlegung
der Kosten von einer neuen Seite beleuchtet zu haben.

Das meiste, was Sachsen sonst noch an Raum-
kunst — in der Zndustriehalle — zur Schau gebracht
hat, ist für den Mittel- oder Arbeiterstand berechnet
und von verschiedener (Jualität; einen strengen Maß-
stab vertragen immerhin die Diele von Arth. Düri-
chen, Dresden, an welcher prächtige australische
Hölzer zur Anwendung gelangten, die Einrichtungen
von Paul Würzler-Klopsch, Leipzig, die Zimmer
von Bruno Wätzig, Rabenau (Entwurf von Rich.

i) Das Mobiliar der kleineren Wohnung ist zn 6^8,50 ITC.
zu beziehen; das der größeren stellt sich etwa ans 4000 M.
 
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