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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Wochenversammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0178
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Thronik des Bayer. Kunftgetperbeoeretns.

das Kiinftgetperbe in sich vereinigen. An starkem Nachwuchs,
der sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt, fehle es nicht; es be-
darf nur der Politik der „offenen Tür". Nit Recht warnt
Redner aber, die reine Sachlichkeit immer schon Kunst zu
nennen; der Dekoration komme auch ihre Bedeutung zu. Die
Mellen der schöpferischen Bewegung werden immer wieder in
München sich bemerkbar machen. Wenn die Alten müde werden,
werden die „Jungen" kommen, und diese werden daun die
Zukunft unsrer Kunst gestalten. — Der ungewöhnlich lang an-
dauernde rauschende Beifall der stark besuchten Versammlung
bewies, wie der Vortragende die Zuhörer im Innersten anzu-
regen verstanden hat! und — daß ein aktuelles Thema auch
ohne Lichtbilder und ähnliches seine Zuhörer anzieht.

304. Gedenktafel im großen Versammlungssaal des Kunstge-
werbehauses; zur Erinnerung an den ff >. Vorsitzenden, p. Merk.
— Modelliert von R. Vogelfänger, in Bronze gegossen
von Adalb. Brandstätter.

Dreipässen, Wimpergen usw. — Der inhaltreiche, von Tafel-
zeichnungen begleitete Vortrag fand allgemeinen Beifall, weckte
aber zugleich auch den Wunsch nach völliger Durcharbeitung des
knrturell ebenso interessanten wie künstlerisch anregenden Mate-
rials und Zusammenfassung desselben in einer reich illustrierten
Monographie.

Sechster Abend — den 8. Januar — Vortrag von Bild-
hauer Hermann Vbrist über: „Unsere architektonische
und kunstgewerbliche Zukunft." Redner schilderte in
seinen einleitenden Worten den wohltuenden Eindruck, den jeder
künstlerisch empfindende Mensch beim Besuche Münchens von der
neuereil Architektur der Stadt empfängt und fand nicht genug
Worte der Anerkennung für die sichere Beherrschung der ver-
schiedenen historischen Stilarten, der man hier auf Schritt und
Tritt begegnet, während man statt dessen anderwärts sehr viel
Konditorromantik findet. Seine weiteren Ausführungen drehten
sich um die Frage: Entwickelt sich aus alledem eine Zukunft?
— eine Frage, die Redner zu verneinen geneigt ist, indem er
sagt: diese Vollkommenheit ist ein Unglück und hindert eine
Zukunft. Die äußere Erscheinung ist heutzutage noch zu häufig
nicht aus dem inneren Wesen der Sache entwickelt, sondern
nur aufgeklebt, ohne Zusammenhang mit dem (Organismus.
Als schlagende Beispiele hiefür nennt Redner den Ham-
burger Bahnhof und verschiedene Berliner Bauten, an denen
die Verkleidung, die äußere Erscheinung nicht im Einklang
steht mit dem inneren (Organismus, wo also die Kulisse regiert,
von München könne man allerdings sagen, daß seine „Stil-
kulissen" wenigstens stilecht sind. Um sich diesem Banne zu
entziehen, sieht Redner nur eine Möglichkeit, indem man mit
immer höherer Intelligenz die Heimatkunst kultiviert und so
ein immerwährendes Neubeleben lokaler und regionaler Bedürf-
nisse herbeiführt; dabei müssen aber zugleich Werte geschaffen
werden, die über eine regionale Bedeutung hinansgehen, die
internationale Bedeutung gewinnen. Erst wenn wir neue
werte schaffen, haben wir ein Recht, an die Zukunft zu glauben.
Florenz könne als warnendes Beispiel angeführt werden; indem
es feit 20 Jahren nur lokale Kunst treibe, sei es in seiner Be-
deutung als schaffende Kunststadt zurückgegangen. Aufgabe der
Münchener Kunst sei, auch über das ganze Deutschland und
seine Grenzen hinaus maßgebend zu wirken; einen Goethe
kenne man auch im Ausland. Das gleiche wie von der Ar-
chitektur gelte auch vom Kunstgewerbe und von der Plastik. Ge-
schmackvoll, zweckmäßig, billig und gut, diese Vorzüge müsse

Siebter Abend — den ;s. Januar — Vortrag des Privat-
dozenten Dr. Alex. Lil> ner über: „Reinheit und Echtheit der
Malerfarben" mit Demonstrationen. Das Kapitel der Maler-
farben. d. h. der im Handel vorkommenden Pigmente nimmt
seit einigen Jahrzehnten das Interesse der Maler mehr und
mehr in Anspruch; denn fast jeder hat schon mit dem
einem oder dem anderen Bild schlimme Erfahrungen gemacht,
und mit Neid beschaut mancher die Bilder alter Meister,
deren Farben so trefflich erhalten sind, obgleich sie vielleicht
ebensoviel Jahrhunderte zählen wie sein verdorbenes Bild
Jahre. Bei Ergründung dieses Übels ist sowohl die Beschaffen-
heit der Malmaterialien wie die Art der Anwendung der Mal-
materialien zu berücksichtigeu. Die Maltechnik des Künstlers
war früher viel weiter ausgedehnt als heute; sie fing schon
mit dem Farbenreiben an, und es ist vollkommen verständlich,
wenn Redner durch seine farbentechnischen Studien zu der Über-
zeugung kam, daß der Impressionismus das Resultat der heutigen
Unkenntnis des Materials ist. Wissenschaft und Kunst müssen hier
Zusammengehen, wenn im Farbenhandel eine wirkliche Gesun-
dung eintreten soll; das kann nur erreicht werden durch Verbrei-
tung der einschlägigen naturwissenschaftlichen Kenntnisse; den»
mehr als Verbote und Strafandrohungen wiegen Kenntnisse. Eine
Farbe ist rein, wenn sie keine falsche Bestandteile enthält, sie
ist echt, wenn die Farbe auch das ist, was ihr Etikett sagt.
Alle Farbstoffe lassen sich in zwei Gruppen einordnen; die
eine enthält die anorganischen, die andere die orga-
nischen Farbstoffe; die der ersten Gruppe ungehörigen, sind
die haltbareren. Nach solchen allgemeinen Auseinandersetzungen
zeigte der Vortragende alsdann an einer großen Reihe von
Farbstoffen, welche Mittel zur Prüfung im einen oder anderen
Fall angewandt werden können, welche — dauernde oder vor-
übergehende — Wirkung die Wärme ausübt, welchen Einfluß
die Luft oder darin in stärkerer Menge enthaltene andere Gase
ausübensusw. — Die eingehenden, von soliden wissenschaftlichen
Kenntnissen zeugenden, in ihrer Überzeugungskraft nicht selten
überraschenden Darlegungen fanden großen Beifall und ließen
— was die Hauptsache ist — erkennen, wie wichtig eine kleine
Summe solcher Kenntnisse für den Maler sind, dem an der
Dauerhaftigkeit seiner Bilder gelegen ist.

Die diesjährige Generalversammlung des Vereins findet
voraussichtlich am 26. März statt.

Die Vereinsbibliothek ist an Sonn- und Feiertagen vor-
mittags ;o—\2 Uhr, an Werktagen 9 — ^ 2 und 3—5 Uhr, an
zwei Abenden (Mittwoch und Freitag) 7—9 Uhr geöffnet;
außerdem liegen die Zeitschriften jeweils an den Versamm-
lungsabenden im Nebenzimmer auf.

verantw. Red.: ssrof. L. Gmelin. — i?erciusgegebßii vom Bayer. Aunstgerverbeverein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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