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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Wochenversammlungen
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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

303. Garten der Oerkaufshalle des Bayer. Kunstgewerbevereins, München.

Mochenverfammkungen.

Fünfter Abend — den Dezember xyos — Vortrag
des Schriftstellers Joseph Kirchner über: „Die symboli-
schen Zeichen, Figuren und Gestalten der alten
und neuen Kulturvölker." Redner ging von der Tat-
sache aus, daß man trotz der zahlreichen Forschungen in den alten
Kulturzentren Asiens und in den Resten der untergegangenen
Völker Amerikas doch noch im unklaren ist, welche von den
drei ursprünglichen Schrifttypen — Lautzeichen-, Begriffszeichen-
oder Figurenschrift — wirklich zuerst da war; denn sie laufen
alle drei nebeneinander her. Die in Schnüre geknüpften
Knoten und Verschlingungen, bzw. deren rhythmisch geregelte
Wiederholung, mögen vielleicht als Begriffs- und Lautzeichen be-
nutzt worden sein und spater durch Umprägung in Strichform auf
Knochen, kfolz, Ton re. Veranlassung zur assyrischen Keilschrift
gegeben haben. Für den Bilderschrifttyxus ist die bfieroglyxhen-
fchrift der Ägypter das charaktervollste Beispiel; religiöse und
mythologische Symbole spielen dabei eine Hauptrolle und sie
stützen sich zumeist auf natürliche Vorgänge — Nilüberschwem-
mungen, Epidemien unter dem Einfluß der Hitze, Blitz rr.
Das weibliche Gottheitsxrinzip tritt fast immer als das schöp-
ferische, erhaltende (Prinzip auf, das männliche als das zer-
störende, wenigstens in seiner höchsten Potenz — der indische
Sima, der mexikanische Sonnengott, der semitische Baal. Daher
ist auch die Verehrung eines weiblichen Gottesbegriffes älter
als die eines männlichen. So hat sich das altägyptische Segens,
Zeichen der Isis noch heute in den Balkanländern erhalten,
allerdings in mannigfach veränderter Gestalt. Auf ägyptische
Zeichen geht anch der „Davidsstern" (zwei ineinandergeschobene
regelmäßige Dreiecke) und das „Auge Gottes" (im gleichschenk-
lig-rechtwinkligen Dreieck) zurück; ebenso der Tierkreis mit

seinen Monatsgöttern, in welchem das männliche und das
weibliche Prinzip im Gleichgewicht sind. Berge, Feuer, die
Sonne (geflügelt), die Mondsichel, alle werden symbolisch ver-
wendet und oft meist in primitivster Weise dargestellt; eine
ganz besonders große Bedeutung kommt dem Liebesleben und
allem, was damitzusammenhängt, zu. Im Zusammenhang damit
steht auch die Beiziehung der Kröte, die man als ein Symbol der
Frauenleiden ansah, daher in Wachs rc. formt und z. B. bei
Wallfahrten opfert. Zur sinnbildlichen Verwendung anderer
Tiere hatten die Griechen ihre guten Gründe: der Panther des
Dionysos erinnerte an die durch Weingelage entfesselte Rauf-
lust, das schnäbelnde Taubenpaar der Aphrodite an Liebkosung,
der Hahn des Ares an Wachsamkeit und Kampflust, der Adler
des Zeus an die himmelwärts strebende Götterkraft ufw. Die
klassische griechische Kunst personifizierte lieber und gab dann
ein Attribut bei; die an Symbolen reichste sakrale und profane
Kunst war zweifellos die indische. Die nordischen Runen sind
nreist keine symbolistische Zeichen; nur in der ältesten Runen-
schrift überwiegen die Begriffszeichen, wobei allerdings manche
Ähnlichkeiten mit ägyptischen Hieroglyxhenzeichen auftreten
Nur zwei Kulturreligionen, das uralte Judentum und der
Islam, haben keine hieratische symbolische Bilderschrift. — In
frühchristlicher Zeit wurden vielfach Symbole als Erkennungs-
zeichen angenommen, die noch heute in Gebrauch sind: das
griechische Thristuszeichen (und dessen Hieroglyphe, der Fisch),
das Lamm, der durch das Kreuz geteilte Kreis (später zum
Nimbus geworden), das Dreieck (Symbol der Dreieinigkeit) rc.
Die Zahl der überhaupt in der christlichen Symbolik vorkom-
menden Tiere ist so groß und auch allgemein bekannt, so daß
wir es wohl unterlassen dürfen, auf diesen Teil des Vortrags
näher einzugehen; und ähnlich verhält es sich mit den symbo-
lisch verwendeten Artefakten — dem Mantel, der Geißel, den
 
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