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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 57.1906-1907

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Schur, Ernst: Das moderne Kunstgewerbe und die Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9336#0374
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Das moderne Aunstaewerbo und die ttultur.

doch in unserer Zeit ein nicht zu verachtendes Mittel
zur Aultur. Was (Eigentum weniger ist, wird
hinausgetragen in weitere Areise, wo es wieder neue
Bedürfnisse weckt. So fördert das Reden die Aus-
breitung. (Es erfolgt vielleicht über kurz oder lang
ein Zusammenschluß. And so ist plötzlich ein Re-
sonanzboden da, wo früher die Stimmen in der
Ode verhallten. Und intensive Arbeit setzt ein.
Machtmittel hat diese Mehrheit zur Verfügung. Sie
zwingt, sie übt Druck aus.

Vergessen wir nicht, daß wir unsere ganzen
Aulturfortschritte der Rede und der Schrift schließlich
verdanken. Sie sind vielleicht die Sicherheitsventile,
die Reformationen und Revolutionen verhindern.
Es werden Übergänge und Vermittlungen geschaffen.
Das Neue ist nicht allen mehr so frenid. Es sickert
durch, es durchdringt das Leben und über Nacht
hat es Berechtigung zum Dasein erlangt.

Wo wären wir, hülfen uns nicht Rede und
Schrift?! Gewiß, auch hier wird, wie überall Miß-
brauch getrieben. Wir möchten uns manchmal die
Ohren halten und in die Einsamkeit siüchten.
Dennoch: Auch hier verlangt die Gerechtigkeit, den
Aern zu erkennen und anderen das Recht zu lassen,
das wir für uns in Anspruch nehmen. Zn dem

7-tö. Exlibris; von Fritz Klee, München.

74^. Exlibris; von Fritz Aloe, München.

Vertrauen, daß über kurz oder lang sich von selbst
das Recht aus dem Wirrsal herausdestilliert. Wir
müßten unsere ganze Aultur zurückschrauben, wollten
wir auf diese Mittel der Macht verzichten. And
im Ernst denken wir auch gewiß nicht daran. Wir
können uns umsehen auf allen Gebieten: Rede und
Schrift sind die Machtmittel. Dadurch rückt die Ent-
wicklung vorwärts und wir vergessen das nur manch-
mal, weil wir so ungeduldig sind, daß wir den Ehr-
geiz haben, die Entwicklung schon vor unseren Augen
vorrücken zu sehen. Ein törichter Wunsch, weil
eben nicht das Vorrücken uns Freude geben soll.
Sondern wir sollen an dein Spiel der Aräfte Ge-
nugtuung haben, dieses sehen wir, dieses ist uns
gegenwärtig. Es wäre schöner, wir blickten recht
nah unserer Gegenwart ins Gesicht und suchen nur
sie, statt daß wir in die Vergangenheit oder Zukunft
mit einer im Grunde unehrlichen oder schwächlichen
Sehnsucht schauen.

Würde man anderen Gebieten gegenüber diesen
Einwand machen, er würde lächerlich wirken. Nur

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