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schwäbische Humor und die bayerische Be-
dächtigkeit.

Die Eltern unseres Bradl stammen aus
Höchstädt a. D. Der Vater ging aus einer
Schreiner- und Holzschnitzerfamilie hervor
und kam Ende der vierziger Jahre als 17 jähri-
ger nach München. Arbeit gab es bald für ihn
bei Sickinger, dem Münchener Heideloff, der
die Arbeiten für die Neugestaltung der Frauen-
kirche im Innern u. a. übernommen hatte.
Nach einem kurzen Akademiestudium bei
Knabl gründete Bradl sen. eine eigene Werk-
stätte. Des herzensguten Mannes Lebensarbeit
war anderen gewidmet, anderen geschenkt, er
selbst lebte in den bescheidensten Verhält-
nissen. Dutzende von ausgezeichneten Holz-
schnitzern zog er in der uneigennützigsten
Weise auf und viele Künstler von Ruf ver-
danken ihm die Grundlage ihres Könnens.
Nicht allein als ausgezeichneter Holztechniker,
dem das Eisen virtuos in der Hand im Holze
lief, ist Bradls Vater zu schätzen; künstlerisch
ausgezeichnete figürliche Arbeiten gingen aus
seiner Hand hervor, viele darunter, die Bradls
Namen nicht tragen durften, weil er über des
Lebens Mühsal nicht emporkam und sich früh-
zeitig anderen verpflichten mußte. Zeich-
nerisch sehr gewandt, konnte er sich auch mit
wenigen Strichen und auch in malerischer
Weise ausdrücken, Leistungen, die nie in
breiter Öffentlichkeit zu sehen waren.

Das Werkstattleben hatte etwas ganz Patri-
archalisches, gegen Feierabend las er oft aus
Sigls „Das Bayerische Vaterland" vor, ohne sich
aber restlos der politischen Schärfe dieser
Zeitung hinzugeben, und bei besonderen Ge-
legenheiten trug er schöne deutsche Balladen,
z. B. „Das Lied vom braven Manne", der er
ja selber war, der horchenden Werkstätte vor.
Ein böses Wort kam dem Vater Bradl nie
über die Lippe und wurde er einmal über einen
Lausbubenstreich eines der vielen Lehrlinge
zornig, so ging er sogleich aus der Werkstätte
und ließ sich lange nicht sehen. Das ganze,
merkwürdige, originelle Zusammenleben zu
schildern, wäre eine Sache für sich; einer
Dankespflicht, daran zu erinnern, namens der
vielen Schüler, sei hiermit genügt, und eines
Herzenswunsches des verstorbenen Sohnes,
seines Vaters zu gedenken.

In unserem Bradl stand ein starkes, schau-
spielerisches und musikalisches Talent im Vor-
dergrund. Als Bildhauer und Maler kam er
nicht, ohne hiermit seine diesbezüglichen hoch-
stehenden Leistungen übersehen zu wollen,
in einer seiner großen Begabung entsprechen-
den Weise zur Entfaltung. Über sein ganzes
Leben waltete eine innere Unruhe, denn die
ihm von der Natur verliehenen vielen Aus-
drucksmöglichkeiten konnte er nie bezähmend
konzentrieren. Sein Wirkungskreis wäre die
Bühne gewesen. Jahre hindurch wurde Bradl
durch seine Vortragskunst der Glanzpunkt
unzähliger kleiner und großer Festlichkeiten,
mit elementarer Gewalt zogen seine Darbie-
tungen die Herzen hinan. Sein Humor hatte
nichts zu tun mit den geschäftsmäßigen Humo-
risten, sondern war durchaus originell, volks-
tümlich, künstlerisch bedeutend und imstande,
den einfachen Mann und den verwöhntesten
gleich mitzureißen. Als er z. B. einmal bei
einer Veranstaltung der Münchener Karnevals-
gesellschaft in einem der größten Säle Münchens
eine sog. Krügelrede hielt, in der Form eines
wissenschaftlichen Vortrages über primitive
oberbayerische Gesänge, wurde er aus dem
Kruge gehoben und wie ein Sieger durch den
Saal getragen; das heißt viel in München, denn
der gebildete Münchener ist anspruchsvoll in
dieser Beziehung und nicht so leicht zu be-
geistern, wie z. B. der Rheinländer.

Wir dürfen uns freuen, daß dieser Bradl
im Bilde festgehalten ist; Leo Sambergers
Kunst haben wir es zu danken, — der glück-
strahlende Bradl, wenn er Tausenden geben
konnte, aus dessen Augen der Mutterwitz,
der warme, allumfassende, göttliche Funke der
Freude und Lebensbejahung spricht. Diese
Gebefreudigkeit war ein Grundzug seines
Wesens, die in ihm drängende Fülle von lusti-
gen Einfällen irgendwo an den Mann zu bringen,
auch in Gesellschaften, die seinen feinen Hu-
mor gar nicht in ihrem Werte erfaßten, es
mußte heraus, der Beifall war ihm gleichgültig.

Auch wenn wir den Werdegang Bradls als
Bildhauer und Maler verfolgen, läuft immer
als Hauptmotiv der Hang zur Bühne mit.

Nach dem Besuch der Realschule arbeitete
er in der Werkstatt des Vaters, besuchte neben-
bei die Kunstgewerbeschule und kurze Zeit

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