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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Hartmann, Paul: Zur Wiederbelebung der Bildhauerei in Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0013
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in sog. Kunstanstalten aus Masse hergestellt wurden,
auszuschmücken. Durch dieses Beginnen ist die
Holzkunst allmählich auf ein Niveau herabge-
sunken und in einen Zustand geraten, den man
schlechthin als deren vollständigen Verfall be-
zeichnen konnte.

Von namhaften Künstlern auf diesen Niedergang
immer wieder aufmerksam gemacht, haben sich
nun in den letzten Dezennien die maßgebenden
Behörden, handwerkliche Korporationen usw. der
Schnitzkunst liebevoll angenommen, man hat Aus-
stellungen, Fach-, Meister-
kurse usw. ins Leben ge-
rufen, um die Holzplastik
wieder zu beleben, allein so
lobenswert das Bestreben
war, der beabsichtigte
Zweck wurde doch nicht
erreicht und warum? —
Weil man es nicht so machte
wie unsere Altmeister; bei
ihnen war Kunst und Hand-
werk in einer Person ver-
einigt, während man diese
beiden bei uns immer wieder
trennt, und das ist falsch 1
Man hat es den Arbeiten
in den Ausstellungen schon
von weitem angesehen (mit
wenigen Ausnahmen), daß
die Hilfsmodelle von Künst-
lern hergestellt waren,
welche die Formensprache,
das Wesen und die Gesetze
des Holzschnitzens niemals
kennen gelernt haben, und
hier liegt der Fehler. Der-
jenige Künstler, der die Ent-
würfe für Holzarbeiten fer-
tigt, muß auch selbst tüch-
tiger Holztechniker sein, muß selbst die eigenartige
Material- und Formensprache des Holzes kennen,
damit wir wieder jene gesunden, lebenswahren, in
freier Technik, frisch und flott geschnitzten Arbeiten
erhalten wie wir sie bei unseren Vorfahren aus dem
Mittelalter bewundern.

Wenn wir also die Holzplastik wieder neu beleben
wollen, dann müssen wirs wieder so machen wie
unsere alten Meister. Man glaube ja nicht, daß
diese so ängstlich und zimperlich mit der Punktier-
maschine gearbeitet haben, wie heute noch viele
bei uns. Nein! Gewiß nicht! — Nach einer kleinen
Tonskizze, Zeichnung oder Naturmodell, wurden

K. KNAPPE,

MÜNCHEN

75 X45 cm

höchstens die proportioneilen Hauptpunkte einer
Figur festgelegt und dann die plastischen Formen
in freier Technik herausgearbeitet. Was schadete
es denn auch, wenn das Verhältnis der einzelnen
Teile nicht immer so genau zueinander stimmte?
Man schaue doch die Arbeiten unserer Alten an.
Fast an jedem Stück sind Proportionsfehler vor-
handen, ohne daß indessen die hinreißende Kraft
und Schönheit dieser Werke in ihrem Kunst-
werte jemals Einbuße erlitten hätte. Nur so
sind diese lebenswahren, frischkernigen, mit-
unter auch derben Arbeiten
entstanden, die bis auf den
heutigen Tag nicht wieder
übertroffen wurden.

Im Gegensatz zur Punk-
tiermethode, die ja an sich
nur eine rein mechanische
Arbeit darstellt und von
jedem Minderbegabten aus-
geführt werden kann, ist
die oben geschilderte freie
Arbeitstechnik, wie sie von
unseren Altmeistern geübt
wurde, eine schwere, aber
auch echte und wahre
Kunst, die nicht in ein
paar Monaten oder Se-
mestern, sondern in jahre-
langem, ernstem und har-
tem Studiuni geistigen
Denkens und Fuhlens, er-
lernt werden kann. Der
Stümper scheidet hierbei
schon von selbst aus, wäh-
rend der intelligente, tüch-
tige Künstler der Holz-
plastikerhalten bleibt, dazu
berufen, sie zu heben und
zu fördern.

Nicht unterlassen dürfte werden, daß in
Schulen, Fachkursen usw. fleißig die Werke alter
Meister unter Leitung hervorragender Kräfte der
Holzbildkunst nachkopiert werden, damit die
ungekünstelte, freie und sichere, Material und
Form beherrschende Technik unserer Alten wieder
erlernt werde.

Auf dieser Basis dürfte es möglich sein, die Holz-
plastik wieder neu erblühen zu sehen, sie wieder
zu dem zu erheben, was sie früher war, eine ge-
schätzte,geachtete und heute noch bewunderteKunst.

Trotz alledem aber dürfte sie doch noch auf
schwachen Füßen stehen, wenn nicht Behörden,

Glasgemälde

Kunst und Handwerk. Jahrg. 1921. 1. Vierteljalirsheft

90.
 
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