Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]: Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 (79.1929)

gegen altes museale Unwesen unserer Zeit erzeugen kann. Die »Nachtwache« umrahmt von
Stilleben alter Hellebarden aus der Rüstkammer der Schützengilden!
Holland ist durchsetzt mit puppenhafter Sauberkeit und Korrektheit. Die neuen Wohnkolo-
nien, deren Ideen so fruchtbar sind, erscheinen wie aus dem Spielzeugkasten der Kinder ent-
standen. Auch in Deutlchland stehen Architektur und Kunstgewerbe im Kamps. Die Baumeister
— auch Behrens, auch Mendelssohn - formen oft spielerifch, statt daß sie gestalten. Vor hundert
Jahren hat man es erlebt, daß ein von Revolutionen und Kriegen ermüdetes Geschlecht sich in
einer gesättigten Bürgerlichkeit beruhigte und die Baukunst —immer Symbol geschichtlicher und
sozialer Bewegung — vergewaltigt wurde durch das biedermeierlich adrette »Kunstgewerbe«.
Die steifen Wohnhäuser sahen aus wie klassisch drapierte Kanapees. Wiederum kämpsen Archi-
tektur und »Kunstgewerbe« um die Vormacht. Möge uns die Blamage eines zweiten Bieder-
meier erspart bleiben. Möge diesmal die Baukunst Tiegen. Ulrich Chtistosfel.

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