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Die Kunde — 5.1937

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Nr. 8/9
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Stille, Ulrich: Das Wilhelmsburger Einkübbungshaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.61685#0188

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bungshauses. Die Kübbungen sind mit dem Ständerbau der Dielen
nicht zu einer konstruktiven Einheit verschmolzen. Aus wirtschaftlichen
Gründen sind sie erst später angeklappt und dann in einer geradezu
verblüffend einfachen und daher großartig wirkenden Weise mit dem
Baugefüge des Haupthauses, des Dielenraumes, zu einer nur schein-
baren Einheit zusammengewachsen. Daß diese Einheit nur scheinbar
ist, zeigt uns das Einkübbungshaus.
Vom Einkübbungshaus können wir nur sprechen bei einem Zwei-
ständerhaus, bei einem Hause also, dessen Dachgefüge einzig auf den
beiden seitlich der Diele laufenden Ständerreihen ruht. Die Ständer-
reihe, aus deren Seite die Kübbung fehlt, ist daher zugleich ein Teil
des Fachwerkes der Mauer und von außen sichtbar. Ist an die Stelle
des Fachwerkes schon der Massiv-Backsteinbau getreten, so übernimmt
die Mauer die Aufgabe der Ständerreihe und trägt das Dach, während
auf der anderen Seite, an der die Kübbung vorhanden ist, im Innern
des Hauses die Ständer noch zu finden sind.
Unabhängig von der Abhandlung vr. Peßlers, die die Anregung
zu diesem Aufsatz gab, hatte ich in einer im Oktober v. I. fertigge-
stellten Arbeit: „Der bäuerliche Lebenskreis der Elbinsel Wilhelms-
burg" auf diese Nebenform unseres Niedersachsenhauses hingewiesen.
Auch auf der Elbinsel Wilhelmsburg finden wir diese Einkübbungs-
häuser. Aus dem Zusammenhang der Arbeit herausgenommen möchte
ich folgende Sätze zitieren: „Einige Häuser auf der Insel machen auf
den ersten Blick einen sonderbaren Eindruck aus den Beschauer: ihnen
fehlt etwas. Es sind Häuser mit einseitiger Kübbung, mit einseitiger
Stallanlage. Sie zeigen uns zugleich klar und deutlich, daß das Dach
nur auf den Hauptständern ruht. Es sind aber, das sei besonders be-
tont, Zweiständerhäuser".
Das Wilhelmsburger Bauernhaus ist ein echtes niederdeutsches
Marschenhaus. Es zeigt sich dem aufmerksamen Beschauer in seiner
Mannigfaltigkeit von Abwandlungen und verschiedenen Formen. Eine
dieser Formen ist das Einkübbungshaus. Wir erwähnten im Anfang,
daß die Kübbungen aus einer wirtschaftlichen Bedingtheit heraus ent-
standen sind. Auch das Anklappen nur einer Kübbung entspringt einer
wirtschaftlichen Gebundenheit. In dieser äußeren baulichen Abweichung
liegt zugleich ein tieferer sozialer und soziologischer Unterschied. Die
Bewohner dieser Häuser — soweit es sich nicht um reine Wirtschafts-
bauten handelt, die auch wohl als Einkübbungshäuser aufgeführt wer-
den -- sind sie keine Vollhöfner, ihr Viehbestand ist nur so groß, daß
er in einer Kübbung untergebracht werden kann. Dabei ist zu be-
achten, daß auf unserer Insel diese Häuser auch geringere Ausmaße
haben als die Vollhäuser. Die Bewohner der Einkübbungshäuser
treiben hauptsächlich Gemüsebau; dieser ist nicht an große Felder ge-
bunden, beansprucht aber große Lagerräume. Erst in zweiter Linie
folgt die geringe Milchwirtschaft. Ein kleinerer Land- und Viehbesitz

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