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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Schmidt, Peter Franz: Ebertbildnisse und das Ähnlichkeitsproblem
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0011
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Darum ist auch
unter allen Büsten, die
Friedrich Ebert dar-
stellen, zweifellos die,
die Rudolf Sel-
ling für das Berliner
Rathaus gearbeitet hat,
die überzeugendste.
Sie wurde von Magde-
burg aus in Auftrag ge-
geben, als der Reichs-
präsident schon ge-
storben war und dem
Künstler der Weg zu
intuitiver Erfindung
durch keinen Modell-
zwang mehr verbaut
werden konnte. Er
hat aus hundert Quel-
len der Erinnerung
und Reproduktion ge-
schöpft und eine ganz
freie und große Form
gefunden, die dem
Wesen des Toten am
nächsten kommt; die
nicht sein Aussehen,
sondern den unver-
lierbaren, ewigen Kern
seiner Persönlichkeit


gibt, das, Was die Rudolf Belling
Nachwelt meinen wird,
wenn sie „Friedrich Ebert“ sagt. Belling durfte darum verein-
fachen, weglassen, konzentrieren auf das Wesentliche; seine Form, bizarr bis-
weilen in Bildung von Einzelheiten, zielt mit der Eleganz ihrer Flächen und
Kantenschwünge auf das unbedingt Charakterisierende, sie „stilisiert“ und
knetet die Natur, um ihr den bleibenden Ausdruck, den wahren Kern der
Persönlichkeit abzugewinnen. Andere Büsten, wie vor allem die von Georg
Kolbe, bemühen sich mit Erfolg um Treue des Lebendigen. Aber sie
bleiben mit ihrer zerrissenen Oberfläche an der Augenblickserscheinung
haften und suchen dem Ebert gerecht zu werden, den wir alle gesehen haben
— nicht dem Bilde, das in die Geschichte eingegangen ist, und das Belling
für alle Zeiten in Erz geformt hat.

Nach der Fertigstellung des Kaiser-Friedrich-Denkmals am Brandenburger
Tor fragt Stahl Liebermann: „Na, was sagen Sie denn zur Ver-
schönerung Ihrer Aussicht?“
„Wat soll ich saren,“ meinte Liebermann, „ick wer mir ’ne Schneebrille
koofen missen for aus’t Fenster zu kieken.“

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