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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: periodical — 1.1929/​1930

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Schmidt, Peter Franz: Ebertbildnisse und das Ähnlichkeitsproblem
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0010

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Prof. Georg Kolbe


Eigentümlichkeiten des Por-
träts als bloßen Abbildes von
jemand, und diese freilich
meint die allgemeine Ansicht
allein, wenn sie von Ähnlichkeit
spricht, und der Auftraggeber,
wenn er sich ins Atelier eines
Photographen oder Malers be-
gibt, um sein teures Angesicht
den Lieben daheim zu hinter-
lassen. Hierfür wäre der Ab-
guß nach der Natur, möglichst
lebenstreu bemalt, das Ideal,
womit der Wirklichkeit ohne
Zweifel und Streiterei am näch-
sten zu kommen wäre.
Für den Künstler aber
existiert die ganze so um-
schriebene Frage der Ähnlich-
keit nicht. Es ist merkwürdig,
wie einmütig die Äußerungen
aller Künstler sind, diese Laien-
forderung abzulehnen, weil sie,
wie es Goethe formulierte,
wissen, daß es ein ganz ver-
gebliches Bemühen wäre, ihr
nachkommen zu wollen.
Denn Ähnlichkeit ist über-
haupt keine künstlerische
Kategorie. Vielleicht kann man
sagen, daß der überzeugende
Anschein der Ähnlichkeit eine

Voraussetzung künstlerischer Porträtwirkung sei, indem ein offenbar allgemein
gehaltenes Menschenbild mit Porträt nichts zu tun habe, sondern in den
Begriff der Idealbildung falle, wie etwa die griechischen Götterstatuen. Um
zum Kern dieses Problems vorzudringen, darf man den Porträtierten nicht
kennen, es muß ein Unbekannter sein. Tatsache ist, daß uns die Bildnisse
Rembrandts oder Velasquez’ durch die Wahrscheinlichkeit ihrer „Ähnlichkeit“
überzeugen: weil wir aber keine Möglichkeit mehr haben, sie mit dem lebenden
Modell zu vergleichen, ist diese Art von „Ähnlichkeit“ eine von jener
populären, der Photographie, grundverschiedene.
Diese künstlerische Form der Porträtähnlichkeit beruht auf der-
selben Sehergabe, die für jedes wahre Kunstwerk unerläßliche Bedingung ist.
Nicht der Vergleich mit dem Naturvorbild entscheidet, sondern die Über-
zeugungskraft der künstlerischen Gestaltung. Je stärker
die Persönlichkeit des Malers, je persönlicher, einmaliger, wertvoller seine
Anschauungsweise, die Natur in Kunst zu übersetzen, ist: desto nachdrücklicher
wird auch seine Porträtwirkung sein. Gerade das, was den großen Meister vom
Dilettanten unterscheidet: seine besonders gefärbte Art zu sehen, macht den
Wert seiner Porträts aus. Man kann das so zuspitzen: je empörter die
Angehörigen über das Bildnis sein würden, weil sie ihre unpersönliche und
kleinliche Auffassung darin nicht wiedererkennen, desto wertvoller und echter
wird das Bildnis wohl sein.

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