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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Fingesten, Michel: Erinnerung an München
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0094

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Meyer Eberhard

Das Zirkuspferdchen (Oel)

Erinnerung an München
von
MICHEL F1NGESTEN

Kannten Sie vielleicht den Maler Gehbel in München? — Zur Charak-
teristik seiner wirtschaftlichen Lage kann ich nur bemerken, daß ich, an ihm
gemessen, ein Großkapitalist war, denn ich hatte wenigstens eine Hängematte
in meinem Atelier, während der gute Gehbel nur zwölf leere Zigarrenkisten
als einziges Mobiliar besaß. Dieser Gehbel war ein außerordentlich ordnungs-
liebender Mensch: des Tages standen die zwölf Kisten wunderbar ausgerichtet
eine über der anderen an der Wand, bei Nacht aber auf dem Fußboden
nebeneinander, und darüber sein Universal-Frühjahrs-, Sommer-, Herbst- und
Winterpaletot. Diese abstrakt-gegenstandslose Komposition stellte sein Bett
vor. Die Bodenkammer neben seinem Atelier wurde von einer Näherin be-
wohnt, die ihm auch hier und da Modell stand; ein stilles und beschauliches
Mädchen. Um es kurz zu machen: die beiden Leute beschlossen zu heiraten
und aus Sparsamkeitsgründen Hochzeit und Kindtaufe gleichzeitig zu feiern.

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